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Unzumutbare Umsteigesituation am U-Bf Hermannstraße

Am 13. Juli wurde die U-Bahn-Linie 8 zum neuen Endbahnhof Hermannstraße verlängert. Zwei Tage wurde auf der Hermannstraße gefeiert. Aber nachdem die Straße wieder frei war, kam das böse Erwachen: Umsteiger vom Bus zur U-Bahn und umgekehrt müssen weite Wege zurücklegen und für ein und dieselbe Buslinie an unterschiedlichen Haltestellen ein- und aussteigen. Dabei war alles besser geplant. Doch plötzlich dürfen die Bushaltestellen nicht mehr dort sein, wo sie fünf Jahre lang vorgesehen waren. Die Fahrgäste in Neukölln haben damit ein beispielloses Abstimmungsdesaster zwischen der Senatsbauverwaltung und der Senatsverkehrsverwaltung auszubaden. Die in diesem Jahr zusammengelegten Verwaltungen sind gefordert, diesen Schaden umgehend zu beheben.

Die Situation

Perlschnur
Foto: Marc Heller

Der neue U-Bf Hermannstraße hat fünf Ausgänge zur Hermannstraße, drei schmale Treppen und zwei breite Treppen. Diese zwei breiten Treppen haben zusätzlich aufwärtsfuhrende Fahrtreppen und sind überdacht. Sie führen auf die Hermannbrücke, wo es zwar keine Anwohner und Läden gibt, wo aber die Bushaltestellen der Linien 144, 177 und 277 geplant waren. Nach dem plötzlichen "Nein" der Brückenbauer sind diese Bushaltestellen unverändert zwischen Siegfried- und Emser Straße, 100 m vom geplanten Standort auf der Brücke entfernt. Noch verschlimmert wird die Situation dadurch, daß die Busse der Linie 144 an unterschiedlichen Haltestellen abfahren und ankommen. Der 144er ist die wichtigste Buslinie Neuköllns. Doch jetzt sehen viele Fahrgäste, die am U-Bf Hermannstraße einsteigen wollen, nur die Rücklichter, weil sie zu spät gemerkt haben, daß sie an der falschen Haltestelle warteten. Die BVG-Busfahrer sind täglichen Beschimpfungen ausgesetzt, obwohl die BVG an dem Desaster unschuldig ist.

Die Planung

1991 begann das Planfeststellungsverfahren für die U-Bahn-Verlängerung zum neuen Endbahnhof Hermannstraße. Von Beginn an haben vor allem das Bezirksamt Neukölln und der Berliner Fahrgastverband IGEB die Senatsplanung kritisiert, u.a. wegen der Anordnung der Aufzüge und fehlender Ausgänge im Süden zur Silbersteinstraße. Der Senat rechtfertigte seine Planung für Ausgänge, die auf die Hermannbrücke führen, mit den Bushaltestellen! Am 12.11.l992 schrieb uns die Senatsverkehrsverwaltung:

Eröffnungszug
Foto: Jens Wieseke
Zelt
Am 13. Juli war es endlich so weit. Unten wurde die U-Bahn-Verlängerung feierlich in Betrieb genommen, und oben auf der Hermannstraße gab es ein zweitägiges Straßenfest. Auf den Stand der „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“ (Bild hier), die für den Erhalt des nahegelegenen innerstädtischen Flughafens wirbt, hätten viele der lärmgeplagten Neuköllner allerdings gern verzichtet. Foto: Marc Heller

"Von dieser Zwischenebene [des U-Bahnhofs] führen zwei Ausgänge in nördlicher Richtung zu den vor den S-Bahn-Zugängen geplanten Bushaltestellen auf beiden Seiten der Hermannbrücke. ... Daraus ergibt sich zwangsläufig ein abgewinkelter Weg, jedoch kein Umweg zur Bushaltestelle bzw. zum U-Bahnsteig. Während für den Hauptfahrgaststrom zu den Buslinien auf der Hermannbrücke damit günstige Verhältnisse geschaffen werden konnten, ist die Zugangsmöglichkeit zur Silbersteinstraße nicht optimal, ..." usw. Man beachte: Hauptfahrgaststrom zu den Buslinien!

Dieser Fahrgaststrom zu den Buslinien erfolgt nun zunehmend über den Zugang zur S-Bahn, weil das von den unveränderten Haltestellen jetzt der kürzeste Weg zur U-Bahn ist. Genau das. wollte die Senatsverkehrsverwaltung eigentlich verhindern. Im Planfeststellungsverfahren schrieb sie dem Berliner Fahrgastverband IGEB am 15.3.1993:

"Die von der IGEB erwähnte Möglichkeit des Zuganges zum U-Bahnhof über die Treppen und den Bahnsteig des S-Bahnhofes würde eine zusätzliche Mehrbelastung der nur 4 m breiten Umsteigetreppe zwischen S- und U-Bahnhof bewirken. Genau diese Mehrbelastung soll aber durch die jetzt vorgesehene Ausgangslage [zur Hermannbrücke] vermieden werden."

Als das Bezirksamt Neukölln und der Berliner Fahrgastverband IGEB bald darauf einen Teilerfolg erzielten und der Senat wenigstens einen zusätzlichen Ausgang zur Silbersteinstraße zugestand, erhielten wir mit Schreiben vom 2.6.1993 eine Karte, wo die Bushaltestellen nochmals auf der Hermannbrücke eingezeichnet waren. (Siehe Kartenausschnitt). Darauf haben wir uns bis zum 13. Juli 1996 verlassen, ebenso wie die BVG, die die gesamte Ausschilderung des U-Bahnhofes auf die Bushaltestellen auf der Hermannbrücke ausrichtete.

Das Desaster

Doch gerade rechtzeitig zur Fertigstellung des U-Bahnhofes - nach fünf Jahren Planung und Bau - untersagten die Brückenbauer der Senatsbauverwaltung plötzlich die Anlage der Haltestellen auf der Brücke. Sie haben Angst um den Fahrbahnbelag der Brücke, der im Laufe der Jahre durch die bremsenden Busse Schaden nehmen kann. Damit stellen sich vor allem drei Fragen:

Bus
Foto: Marc Heller
karte
Seit der Verlängerung der U8 fährt nur noch ein Teil der Busse der Linie 144 zum Hermannplatz. Die Mehrzahl endet am U-Bf Hermannstraße. Die vom Hermannplatz kommenden Busse halten in der Hermannstraße (im Bild oben rechts), die anderen - wie der Bus auf dem oberen Bild - in der Siegfriedstraße, bevor sie in die Hermannstraße einbiegen. Um den Schaden einzudämmen, gibt es an beiden Haltestellen beide Fahrpläne, was einen Teil der Fahrgäste allerdings zusätzlich verwirrt. Obendrein ist der Umsteigeweg länger, als wenn es die bis zuletzt geplante eine Haltestelle auf der Hermannbrücke (im Kartenausschnitt) geben würde. Ein beispielloser Vorgang an einem neu eröffneten U-Bahnhof, von dem die BVG ebenso überrascht wurde, wie ihre Fahrgäste. Karte: SenBauWohn, 1993

Warum wird dieses Problem erst jetzt erkannt? Als der Berliner Fahrgastverband IGEB in den 80er Jahren eine Haltestelle der Buslinie 118 auf der Brücke der Spanischen Allee über der Autobahn forderte, um den Fußweg für Umsteiger zum S-Bf Nikolassee zu verkürzen, hieß es bereits, daß die Brückenbauer dies zum Schutz der Brücke versagten. Das Problem ist also bekannt.

Wenn das Problem der bremsenden Busse wirklich so gravierend für den Brückenbelag ist, warum wurde dann unmittelbar südlich der Hermannbrücke eine Ampel akzeptiert, vor der bei "Rot" nicht nur alle Busse, sondern auch die vielen, erheblich schwereren Lkws bremsen müssen?

Warum wurde der Fahrbahnbelag im Bereich der geplanten Bushaltestellen nicht gegen einen stabileren ausgetauscht? Die von der Verwaltung angegebenen Mehrkosten von rund 600.000 DM sind lächerlich bei einem Projekt von 126 Mio DM, bei dem für einen Millionenbetrag zwei komfortable Ausgänge auf die Brücke gebaut wurden, die die meisten Fahrgäste nun gar nicht nutzen können.

Fazit

Die jetzt entstandene Situation ist für die Fahrgäste und die BVG unerträglich. Beide haben die Folgen einer jahrelangen, millionenschweren und dennoch nicht abgestimmten Planung zu tragen. Die Planung der Zugänge für die Umsteiger war ein wesentliches Element des Planfeststellungsverfahrens für diesen Bahnhof, das mit dem Verbot der Haltestellen auf der Brücke gravierend verändert wurde. Der Berliner Fahrgastverband IGEB ist nicht bereit, dies hinzunehmen. Er fordert die zuständige Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr auf, umgehend eine rechtlich korrekte und verkehrlich sinnvolle Lösung zu finden. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wurde nicht nur ein Pressedienst herausgegeben, sondern auch der Rechnungshof um Prüfung des Vorganges gebeten, der dies mit Antwortschreiben vom 16. August zusagte.

IGEB

aus SIGNAL 6/1996 (September 1996), Seite 8-10

 

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