Eigentlich ist die Wiedereröffnung des S-Bahn-Zugangs zur Nordseite der
Stresemannstraße (am Deutschlandhaus) eine der vielen traurigen und
unendlichen Geschichten der Berliner Bahnplanung - doch nun scheint ein
Happy-End in Sicht: Der vierte Zugang am S-Bf Anhalter Bahnhof
soll tatsächlich realisiert werden.
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Ungewohnte Eintracht. Beim Thema „Zugang zum S-Bf Anhalter Bahnhof“ stimmten alle Abgeordnetenhaus-Fraktionen für die fahrgastfreundliche und zugleich preiswerte Lösung. Das Foto vom 22. Mai zeigt die verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses bei den Schienenverkehrs-Wochen. Von links: Christian Gaebler (SPD) und Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen), von rechts: Jutta Matuschek (PDS) und Alexander Kaczmarek (CDU). Foto: Michael Altmann |
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Beim Bau dieses S-Bahnhofs (Eröffnung im Oktober 1939) wurde ein Zugang
zum nördlichen Gehweg der Stresemannstraße miterstellt, um den Fahrgästen
ein Überqueren der damals vor allem von Straßenbahnen stark frequentierten
Stresemannstraße zu ersparen und so - wie bei der gesamten Nord-Süd-S-Bahn -
einen attraktiven Bahnhof mit kürzesten, behinderungsfreien Zugängen zu
schaffen.
Angesichts der durch den S-Bahn-Boykott ständig sinkenden Eahrgastzahlen und
um Betriebs- und Unterhaltungskosten zu sparen, schloß die Deutsche
Reichsbahn zu Beginn der 70er Jahre diesen Zugang. Kurze Zeit später wurde
vom West-Berliner Senat im Zuge der Umgestaltung der Kreuzung (Entfernung
der Straßenbahnschienen, Erhöhung der Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr)
über dem abgedeckelten Zugang ein Radweg angelegt.
Nach Übernahme der S-Bahn wurde vom Senat die Wiedereröffnung des vierten
Zugangs mit hoher Priorität eingestuft, allerdings mahlten die planerischen
Mühlen der Senatsbauverwaltung langsam. So wurde zwar die Renovierung des
S-Bfs Anhalter Bahnhof im Jahre 1988 abgeschlossen, das
Planfeststellungsverfahren für den vierten Zugang jedoch erst 1991. Dieses
Verfahren war notwendig, da - zu Zeiten gut gefüllter Kassen - der Senat
nicht auf den Radweg verzichten oder gar die Straße um eine Fahrspur
verringern wollte und deshalb einen neuen Zugangsbau mit einer festen sowie
zwei Fahrtreppen (bei einer Steighöhe von unter 4 m!) vorsah. Die Kosten
wurden mit 3,5 Mio DM angegeben.
Unter dem rot-grünen Senat 1989/1990 stellte die AL (heute Bündnis 90/Die
Grünen) den Antrag, statt des Neubaus lediglich den vierten Zugang zu
öffnen. Hierfür wurden die Kosten mit 370.000 DM angegeben. Der Antrag
wurde jedoch auf Betreiben der Straßenplanung abgelehnt.
In der jetzigen Legislaturperiode stellte die inzwischen in der Opposition
befindliche Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erneut den Antrag auf
Wiedereröffnung des vierten Zugangs, jetzt mit dem Hinweis auf die leeren
Kassen, das weiter gestiegene Fahrgastaufkommen des Bahnhofs, insbesondere
in Richtung Martin-Gropius-Bau, Abgeordnetenhaus und Regierungsviertel, und
mit dem Hinweis auf die geringeren Fahrzeuge ströme in der Stresemannstraße
nach Schließung der Bernburger Straße.
Und jetzt geschah das Unerwartete: In der Sitzung des Verkehrsausschusses
des Abgeordnetenhauses im September 1996 plädierte die CDU-geführte
Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr zwar wiederum für den Neubau
des vierten Zugangs einschließlich Straßenumbau, jetzt allerdings zunächst
unter Weglassung der beiden Fahrtreppen, da eine Verlegung des Radweges
auf die Straße nicht möglich sei (Kosten damit bei 2 Mio DM). Aber selbst
der Abgeordnete und verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Alexander
Kaczmarek, setzte sich für die Öffnung des vorhandenen Zugangs ohne
Straßenumbau ein. Der Straßenumbau zur Beibehaltung der Zweispurigkeit in
Richtung Westen wäre an dieser Stelle tatsächlich unsinnig, da die
Stresemannstraße im weiteren Verlauf ohnehin nur eine Fahrspur (neben der
Parkspur) pro Richtung hat. Der Antrag der Grünen wurde einstimmig angenommen
und passierte auch problemlos den Hauptausschuß und das Abgeordnetenhaus
selber. Nun ist also die Verwaltung aufgefordert, umgehend die Öffnung des
vierten Zugangs zu veranlassen.
Herr Kaczmarek, Nachfolger des bisherigen verkehrspolitischen Sprechers der
CDU, Rainer B. Giesel, hat damit aus Sicht der IGEB ein bemerkenswertes
Zeichen gegen die weiterhin auto-fixierte Verkehrsverwaltung und für einen
attraktiven. aber bezahlbaren Öffentlichen Nahverkehr gesetzt. Es ist zu
hoffen, daß im Interesse der Stadt die Abgeordneten aller Parteien künftig
statt lautstarker Polarisierungen gemeinsam weitere verkehrspolitisch
vernünftigen Beschlüsse fassen. Ein erfreulicher Anfang ist getan. Allerdings
sollten die Abgeordneten aufpassen, daß ihr Beschluß zum S-Bf Anhalter Bahnhof
nicht wie in anderen Fällen - z.B. beim S-Bf Kolonnenstraße - von der
Verwaltung blockiert und so das glückliche Ende der unendlichen
Geschichte weiter hinausgezögert wird.
IGEB
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