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Der kleine Bahnhof und die Region rund um die beiden Wentowseen sind eine
Verbindung eingegangen, die längst über Brandenburg hinaus Beachtung
findet. Der Kreis der beteiligten Aktiven aus der Region und aus Berlin
wähnt sich aber noch nicht am Ziel seiner Vorstellungen, den Bahnhof
langfristig zu sichern und gleichzeitig Impulse für die wirtschaftliche
Entwicklung zu geben. Wichtig ist die Förderung des Bahn-Tourismus, denn
ohne die Erholungssuchenden ist in der Tat ein solcher Bahnhof nicht zu
retten. In diesem Sinne war die Eröffnung eines kleinen Rundwanderweges
Ende September ein weiteres Zeichen, die Verbindung zwischen Bahnfahren
und Wandern positiv zu besetzen.
Über die Hintergründe berichten Heidi Wamke von ÖKOSOLAR e.V. in Dannenwalde
und Bernd Herzog-Schlagk vom Fußgängerschutzverein FUSS e.V.:
Ein zunehmender Anteil der Waldschädigungen ist darauf zurückzuführen,
daß wir den Wald zu Erholungszwecken erreichen wollen. Ein immer größerer
Anteil am Klimaproblem, dem Ozon und überhaupt an der Luftverschmutzung in
Deutschland hängt damit zusammen, daß wir gerade zu Freizeit- und
Erholungszwecken meinen, auf das Auto nicht verzichten zu können. Immer mehr
Menschen leiden unter dem Lärm, den sie selbst oder andere erzeugen, um mal
einen Moment der Ruhe zu genießen. Immer mehr Menschen leiden an
verkehrsbedingten Krankheiten, werden bei Straßenverkehrsunfällen verletzt
oder gar tot gefahren, damit wir möglichst schnell und bequem das Ziel
erreichen, an dem wir etwas für unsere Gesundheit und das seelische
Gleichgewicht tun wollen.
Umdenken ist angesagt - oder deutlicher: "Umhandeln"! Denn am Denken
liegt es oft schon
nicht mehr. Wer aber handelt so umweltbewußt, wie es im Kopf bereits
längst als richtig erkannt ist, wenn das nichtumweltbewußte Handeln
belohnt wird?
Seit der Vereinigung mußten z.B. die West-Berliner feststellen, daß die
lang ersehnte Freiheit, die wunderschöne Umgegend der Stadt zu erkunden,
mehr oder weniger nur mit dem Auto nutzbar ist. Die Ost-Berliner dagegen
mußten feststellen, wie gut doch dieser "schreckliche Nahverkehr" zu
DDR-Zeiten funktionierte und wie flott die Gegend vom Öffentlichen Verkehr
abgehängt wurde und weiterhin wird. Es waren gerade die kleinen Bahnhöfe
im Land Brandenburg, die touristische Bedeutung hatten. Dort, wo mensch im
wahrsten Sinne des Wortes mit Sack und Pack ausstieg, mit Faltbooten,
Zelten, Rädern mit Anhängern und was es noch so für beschwerliche
Gepäckstücke gab, die wirklich urige Erholungstage erlaubten. Mit
Mindestfahrgastzahlen, Kostenangaben für jeden Bahnhalt und anderen
fiskalischen Argumenten wurde Schluß gemacht mit dieser altmodischen
Art der Erholung. Wer seinen Steg, seinen Zeltplatz oder auch nur den
Ausgangspunkt für eine Fuß-, Rad- oder Bootswanderung erreichen
wollte, muß sich schon ein Auto anschaffen.
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Foto: puSS e.V. |
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Direkt vom Bf Dannenwalde führt der gut ausgeschilderte Rundwanderweg in den Wald und um den Kleinen Wentowsee. Fahrplanaushänge unterwegs erleichtern die Zeitplanung für die Rückfahrt. Foto: puSS e.V. |
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Obwohl die in Deutschland üblichen Mindestwerte für Ein- und Aussteiger
zum Erhalt des Bahnbetriebes im Land Brandenburg durchaus zugunsten der
Bahn herabgesetzt wurden, fand in keinem anderen Bundesland ein derart
massiver Bahnhofsschließungs-Prozeß statt. Geschlossen wurden dabei
hauptsächlich gerade die Bahnhöfe, die den Tourismus betreffen. Dagegen
ging der Straßenbau selbst in entlegendere Gegenden flott voran und
signaliserte dem Erholungssuchenden eindeutig, daß das Auto die bequemere
und schnellere Art darstellt, das Erholungsziel zu erreichen. So und mit
anderen verkehrspolitischen Weichenstellungen katapultierte sich das
dünn besiedelte Flächenland Brandenburg an die bundesdeutsche Spitze
der Verkehrsunfälle auf den Straßen.
In Deutschland dient mittlerweile mehr als die Hälfte des Autoverkehrs
Freizeit- oder Urlaubszwecken. Auch im Land Brandenburg hat dieser
Verkehrszweck die höchsten Steigerungswerte. So wundert es nicht, daß das
wirtschaftlich angeschlagene Bundesland eine seiner Chancen überhaupt
im Tourismus und der "Naherholung" der Berliner Großstädter sieht. Aber
auch die Tourismusbranche ist stark angeschlagen, und die teilweise
noch vorhandenen Fragmente reichen oft nicht aus, um auf die
Erholungssuchenden einladend zu wirken.
Ohne Finanzspritzen ist der Abgang Ost nicht aufzuhalten, doch blieb die
Gegend zwischen Gransee und Fürstenberg im Kreis Oberhavel, was
Tourismusforderung betrifft, bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte.
Das zu DDR-Zeiten hochgradig touristisch genutzte Gebiet rund um die beiden
Wentowseen erlebte dann am 28. Mai des Jahres 1995 einen letzten Tiefschlag
durch die Schließung des Bahnhofes Dannenwalde. Die Deutsche Bahn AG
begleitete die damalige Schließung von 92 (!) Haltepunkten in ihrer
Glanzbroschüre sprachlich unter dem Stichwort: "Praktizierter Umweltschutz:
Insgesamt erhofft sich das Land Brandenburg... eine spürbare Steigerung des
Schienenanteils im Tourismus- und Pendlerbereich. Schließlich sollen die
reizvollen Landschaften des Landes Brandenburg in ihrer Ursprünglichkeit
erhalten bleiben."
Die gerade aus dieser Sicht nicht vertretbare Schließungsentscheidung als
politischer Akt der bewußten Nichtforderung hatte auch ihre gute Seite,
es konnte nur noch aufwärts gehen: So formierte sich recht schnell eine
"Große Koalition für den kleinen Bahnhof Dannenwalde", die sich erst für
den Erhalt, dann für die Wiedereröffnung einsetzte und sich nun um die
langfristige Sicherung des Bahnhofes kümmert. Unter dem Motto "Spaß haben +
Bahnhof retten!" wurden in der Sommersaison die Städter aufgefordert,
"Dannenwalde, dem kleinen Tor zum großen Wald- und Seengebiet im Norden
Berlins" einen Besuch abzustatten. Was mit dem "Jubelzug" und dem
anschließenden Bahnhofsfest zur Wiedereröffnung begann, entwickelte
sich zu einem recht umfangreichen Sommer-Programm mit verschiedenen
Wander- und Kulturangeboten.
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Fahrplantabelle: FUSS. e.V. |
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Und es ging tatsächlich aufwärts: Der Bahnhof wurde trotz der wettermäßig
nicht überragenden und nur vier Monate währenden Bahn-Sommersaison deutlich
stärker genutzt als vor der Schließung, und die Region profitierte davon
wirtschaftlich. So bestätigt die Tourismusbranche dort einen merkbaren
Anstieg von Gästen seit der Bahnhofswiedereröffnung. In der Folge
davon wurden Angebote reaktiviert, die zu DDR-Zeiten das Erholungsgebiet
geprägt hatten, z.B. die vielfältigen Boots- und Rad-Mietangebote,
Kutschenfahrten, Reiten, Angeln usw.
Eine touristische Weichenstellung dürfte die Eröffnung des Rundwanderweges
um den Kleinen Wentowsee gegen Ende der Sommersaison darstellen. Bisher
war eine Wanderung um diesen See nicht möglich, da es militärisches
Gelände war. Erst mit dem Abzug der GUS-Truppen konnte nach mehr als
50 Jahren das nördliche Gebiet des Wentowsees überhaupt betreten werden.
Folgende Punkte machen den Wanderweg überregional bemerkenswert:
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Der ÖKOSOLAR-Wanderweg und der am 2. Juni aufgrund der Bemühungen der
"Großen Koalition für einen kleinen Bahnhof' wiedereröffnete Bahnhof
Dannenwalde sind untrennbar verbunden. Es wird sich in ganz Brandenburg
schwerlich etwas Vergleichbares finden lassen, wo ein derart idyllischer
und abwechslungsreicher Weg fernab vom Massentourismus direkt am Bahnhof
beginnt und endet. In Deutschland einmalig dürfte es auch sein, daß an
bestimmten Stellen des ca. 12 km langes Weges die gültigen Bahnabfahrzeiten
hängen, so daß sich die Wanderer zeitlich auf ihre gewünschte Rückreise
einrichten können.
- Einzigartig ist auch die Schaffung des wie naturbelassen wirkenden
Wanderweges in dem Jahrzehnte militärisch genutzten, im höchsten Maße
brisanten Areal nördlich von Dannenwalde bis hinauf nach Drögen. Zwei Jahre
lang beseitigten 28 Frauen und 7 Männer im Rahmen einer AB-Maßnahme
Schrott und bewegten riesige Erdmassen ohne den Einsatz schwerer Geräte
bei Wind und Wetter. Die Mühen sind der teilweise geradezu verspielten
Wegführung schon heute nicht mehr anzusehen.
- Das Rundwanderweg-Projekt wurde von breiter Unterstützung getragen und
unter dem Motto: "Wo ein Wille ist... ist auch ein Wanderweg" wurden bis
zum letzten Tag gemeinsam Probleme aus dem Weg geräumt. Durch Unterstützung
des Amtes Fürstenberg und durch die unbürokratische Handhabung des
zuständigen Straßenbauamtes in Strausberg wurden z.B. pünktlich zum
Eröffnungstermin an dem kurzen Stück Wanderweg entlang der Bundesstraße
B96 zur Sicherung der Fußgänger schwere Leitplanken montiert, in der Form,
wie sie der Fußgängerschutzverein FUSS e.V. vorgeschlagen hatte.
- Eine kleine Sensation dürfte die Tatsache darstellen, daß der von
FUSS e.V. beauftragte Kartograph für die Darstellung des Wanderweg-Verlaufes
des bisher auf öffentlich zugänglichen Karten nicht erfaßten Gebietes
US-amerikanische Militärkarten verwendete, die teilweise genauer waren
als die ebenso verwendeten sowjetischen Militärkarten. So konnte erstmals
eine genaue Karte für den Wanderweg erstellt werden, die am Bahnhof dem
kleinen Holzkasten zu entnehmen ist. Darüber hinaus enthält das kleine
Wanderweg-Faltblatt eine sehr genaue Erfassung touristischer Angebote dieser
Gegend mit den Öffnungszeiten der verschiedenen Gasthäuser, Kioske und der
Läden, Post, der Übemachtungsmöglichkeiten sowie der Kontaktmöglichkeiten
für Wanderführungen, Kutschfahrten, Fahrrad- und Bootsverleih, Reiten
und Surfen und der Ausgabe von Angelscheinen.
- Nicht zuletzt aber ist die Schönheit der Gegend herauszustellen. Mächtige
alte Buchen, Eichen und Kiefern erfreuen Wander- und Naturfreunde auf diesem
schlangenformigen Weg durch eine urige, waldreiche Hügellandschaft.
Birkenwäldchen, Auen mit großartigem Erlen- und Farnbewuchs und Sumpfgebiete
wechseln sich ab mit sonnigen Teilstrecken an Feldern und Wiesen. Zahlreiche
Bänke, liebevoll gestaltete Picknick-Plätze und Naturlehr-Schilder,
Liegewiesen und Badestellen laden zur Rast und zum Spielen ein. Zahlreiche
Bänke mit Blick auf den wunderschönen See und finnisch anmutende Bootshäuser
auf der gegenüberliegenden Seite sind wahre Ruheplätze. Obwohl der Weg
aufgrund der unter Naturschutz stehenden See-Randgebiete teilweise einen
ziemlich großen Bogen spannt, sind die Waldwege keine "monokulturellen
Sandpisten", wie sie ja im Märkischen durchaus auch häufig anzutreffen
sind.
Der bei gemächlicher Gangart etwa 2-3 Stunden dauernde Rundweg ist auch
gerade im Spätherbst oder Winter sehr zu empfehlen, weil die Restaurants
geöffnet sind und die An- und Rückreise im Zug mit Sicherheit einen nicht
zu vernachlässigenden Teil der Erholung darstellt. Seit dem Winterfahrplan,
und dies dürfte ein besonderer Bonbon sein, ist Dannenwalde im Zweistundentakt
direkt mit Berlin verbunden. Ein und eine dreiviertel Stunde dauert es
ohne Umsteigen ab Berlin-Westkreuz, ab Oranienburg ist es eine knappe
halbe Stunde.
Wo ein Wille ist, ist auch ein schöner Wandertag.
FUSS e.V.
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