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„Irgendwie hat das etwas sehr Unwirkliches: Nach all den Sand- und Schuttaufschüttungen rund um den Reichstag und am Bauplatz fürs künftige Regierungsviertel schwimmt plötzlich ein illuminiertes Schiff unwirklich durch die frühe Berliner Dunkelheit: der Hamburger Bahnhof. Dieses „Museum der Gegenwart“ erscheint schon von außen als eigenständiges Kunstwerk. Es strahlt in Blau und Grün, weckt Neugier, lockt wie ein Theater, wird selbst Teil der Inszenierung dieser Neo-Berliner Bahnanlage ohne Fahrkartenschalter, ohne Schienen und Stationsvorstand, aber mit viel Raum für die Reisenden in den neuen, schon weitberühmten Wartesälen und Perrons der Kunst.“ LotharHeinke im Tagesspiegel vom 19.11.1996 Foto: Marc Heller (11/96) |
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Der Bahnhof im Stil des eleganten Klassizismus wurde 1847 als Endpunkt der
Hamburger Bahn dem Verkehr übergeben. Er hatte eine technische Besonderheit:
Die Lokomotiven konnten die Bahnhofshalle durch beide Portale verlassen und
wurden vor diesen auf einer Drehscheibe gewendet. Spätestens mit dem Aufstieg
Berlins in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Bahnhof dem wachsenden
Verkehr nicht mehr gerecht. So wurde er 1884 geschlossen. Seine Aufgaben
übernahm der nahegelegene Lehrter Bahnhof. Die bahntechnischen Anlagen wurden
beseitigt und das Empfangsgebäude in ein Wohn- und Verwaltungsgebäude
umgebaut. Die eigentliche Bahnhofshalle fiel diesem Umbau zum Opfer.
Anfang diesen Jahrhunderts konnten langgehegte Pläne für ein Verkehrs- und
Baumuseum im Hamburger Bahnhof umgesetzt werden. Dazu wurde unter anderem
eine neue Bahnhofshalle errichtet, auch wenn diese niemals als solche
genutzt wurde. Sie war von Anfang an als Ausstellungshalle konzipiert,
Rauch und Ruß hat sie
nie gesehen. Ihr Vorbild hat sie jedoch in den Bahnhofshallen des 19.
Jahrhunderts, den "Kathedralen des Verkehrs". Schon wenige Jahre nach
seiner Entstehung mußte das schnell wachsende Museum erweitert werden.
Dazu baute man vor das Hauptgebäude östlich und westlich zwei Flügelbauten.
Deren Architektur knüpft an das Vorhandene an, so daß man die Erweiterung
als solche nicht erkennt.
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Foto: Udo Dittfurth |
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1984. Der Hamburger Bahnhof ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht, das schwer beschädigte und dennoch faszinierende Gebäude kann besichtigt werden. Zum ersten und letzten Mal besteht die Möglichkeit, die verbliebenen Schätze des alten Verkehrs- und Baumuseums in historischer Umgebung und historischer Präsentation zu sehen. Foto: Udo Dittfurth |
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Bis zu seiner Schließung im II. Weltkrieg war das Verkehrs- und Baumuseum
eines der populärsten Berliner Museen. Im Krieg wurde es dann beschädigt:
Während die Ausstellungshalle nicht ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen
wurde, waren die Seitenflügel teilweise zerstört. Schlimmer waren jedoch
die Schäden für die Sammlungen,denn an den Auslagerungsorten insbesondere
außerhalb Berlins kam es zu unwiederbringlichen Verlusten durch Plünderungen
und Beschlagnahmen.
Dennoch hätte das Museum eigentlich innerhalb relativ kurzer Zeit wieder
eröffnet werden können. Statt dessen versank es in einen jahrzehntelangen
Dornröschenschlaf. Dieser "Schlaf hatte seine Ursache in den ganz normalen
Absurditäten als Folge des Viermächtestatutus und der Teilung Berlins.
Das Museum war nach dem Krieg versehentlich (!) der Deutschen Reichsbahn
zugeordnet worden. Die Deutsche Reichsbahn mit Sitz im Ostteil Berlins
durfte im Westen der Stadt zwar Eisenbahnen betreiben, ein Museumsbetrieb
aber war aus statusrechtlichen Gründen nicht möglich. In dieser Situation
wurde 1979 ein neues Museum am Anhalter Güterbahnhof gegründet, das
inzwischen sehr populäre Museum für Verkehr und Technik. Derweil schlummerten
im Innern des Hamburger Bahnhofs wahre Schätze, über deren Umfang wenig
bekannt war - damals ein idealer Nährboden für geheimnisvolle Geschichten,
Spekulationen und Gerüchte.
1983/84 konnte im Zusammenhang mit der Überbergabe des in West-Berlin
gelegenen S-Bahn-Teilnetzes an den (West-)Berliner Senat endlich auch die
Situation des Hamburger Bahnhofs verändert werden. Der Senat übernahm das
Museum. Ein kleiner Teil der Bestände ging an das Dresdener Verkehrsmuseum,
der größere ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Sammlung des
Museums für Verkehr und Technik - inzwischen umbenannt in Deutsches
Technikmuseum Berlin.
An dieser Stelle sei noch einmal den Reichsbahnern gedankt, die das Museum
mit seinen Beständen, so gut es damals ging, in Schuß hielten.
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„Tag der offenen Tür“ im Hamburger Bahnhof. Foto: Jens Wieseke (8/96) |
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Was aber sollte nach der Übernahme aus dem Bau werden? Nach einer
kurzfristigen Öffnung, um den Berlinern die neuen Schätze zu zeigen,
versank das Gebäude erneut in den Dornröschenschlaf. Gegen eine
Wiederinbetriebnahme als Bau- und Verkehrsmuseum wehrte sich das junge
Museum für Verkehr und Technik - mit Erfolg. Die alten Museumsstücke
waren eine willkommene Bereicherung der eigenen Sammlung, und die
Organisation eines Museum mit Außenstelle konnten bzw. wollten die
Verantwortlichen sich nicht vorstellen.
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Hamburger Bahnhof, neue Ausstellungshalle. Foto: Jens Wieseke (8/96) |
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Nachdem die Sammlung ausgeräumt war, begann der Senat mit der Instandsetzung
und dem partiellen Wiederaufbau des Hamburger Bahnhofs. 1987 wurde der Bau
erstmals für eine Ausstellung genutzt, weitere folgten. Dabei stellte
sich das Gebäude als ein vielseitig nutzbares Objekt heraus, in dem auch
Kunst gut präsentierbar ist. So keimte die Idee einer Umnutzung zur
Zweigstelle der Berliner Nationalgalerie. Den hierfür ausgelobten
Architekturwettbewerb gewann der Berliner Architekt Josef-Paul Kleihues.
Nun folgte zum einen die weitgehende Sanierung des (noch) Vorhandenen.
Die alte Ausstellungshalle ist eine wahre Augenweide geworden.
Desweiteren enstand östlich der alten Ausstellungshalle eine sehr
imponierende und variable langgestreckte neue Ausstellungshalle, eine
zweite auf der Westseite der Haupthalle soll folgen.
Mit dem neuen Museum ist die langfristige Erhaltung und künftige kulturelle
Nutzung des Hamburger Bahnhofs gesichert. Bedauerlich ist aber, daß kaum
noch an die alte Nutzung als Bahnhof und danach als Bau- und Verkehrsmuseum
erinnert wird. Wer 1984 die Ruine gesehen hat, freut sich heute über die
umfangreiche Instandsetzung und bedauert zugleich den Verlust alter Spuren,
denn die Geschichte wurde weitgehend "wegmodemisiert". Wichtig ist jedoch,
daß dieses Bauwerk auch zukünftigen Generationen
zeigt, wie elegant und funktional ein Eisenbahngebäude sein kann. Auch
an diesem "Kunstbahnhof" wird sich die zur Zeit entstehende
Eisenbahnarchitektur messen lassen müssen. Dies gilt insbesondere für
den unweit vom Hamburger Bahnhof entstehenden Zentralbahnhof!
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Wichtige Spurensicherung, von der Denkmalpflege durchgesetzt. Foto: Jens Wieseke |
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Allen SIGNAL-Lesem sei empfohlen, sich das "Museum für Gegenwart" im
Hamburger Bahnhof einmal selbst anzuschauen. Der Besuch des alten Gebäudes
lohnt selbst dann, wenn einem die gezeigte Kunst nichts geben kann. Das
Museum ist geöffnet Dienstag bis Freitag von 9-17 Uhr, Sonnabend
und Sonntag von 10-17 Uhr. Der Eintritt kostet 8 DM, ermäßigt 4 DM.
IGEB
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