1. Entwicklung und Bedeutung des IR-Verkehrs im
Fernverkehrsangebot der DB AG
Ende 1995 umfaßte das IR-Netz der DB AG insgesamt 24 Linien. Täglich
werden bis zu 424 Zugverbindungen angeboten, die 324 Bahnhöfe bedienen.
Aufgrund dieser Kennzahlen kann man von einem attraktiven
Schienenfernverkehrsangebot sprechen, das aus der Sicht der Reisenden als
nahezu flächendeckend bezeichnet werden kann. Für die Reisenden von Vorteil
sind insbesondere die umsteigeffeien IR-Zugverbindungen aus Norddeutschland,
die die in den südlichen Bundesländern gelegenen beliebten Urlaubsgebiete
optimal anbinden. Eine weitere Attraktivitätssteigerung hat die Einführung
der Interregio-Züge auch in den neuen Bundesländern gebracht.
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Der InterRegio-Verkehr bietet u.a. attraktive Züge für den „Nord-Süd-Tourismus“, hier IR 2217 im Bf Schluchsee (Schwarzwald) auf der Direktverbindung Norddeich - Seebrugg. Foto: Christian Schultz |
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Beide Faktoren haben wesentlich dazu beigetragen, daß der IR-Verkehr im
Geschäftsjahr 1995 gegenüber dem Vorjahr einen Umsatzzuwachs von ca. 9%
verzeichnen konnte. Durch diese Umsatzsteigerung hat der InterRegio-Verkehr
mittlerweile die Milliarden-DM-Grenze erreicht. Dadurch konnte sich der IR
einen Anteil von ca. 19% am Gesamtumsatz des Fernverkehrs der DB AG sichern.
Außerdem ist festzustellen, daß die Verkehrsleistung (hier: Personenkilometer)
gegenüber dem Voijahr erneut um 2% angestiegen ist und damit einen neuen
Rekord von insgesamt 7,3 Milliarden Personenkilometer ermöglichte. Durch
diese Verkehrsleistung hat der IR-Verkehr im Geschäftsjahr 1995 einen
prozentualen Anteil
von 23,5% am gesamten Personenfemverkehr der DB AG erzielen können.
Diese hervorstechende Kennziffernentwicklung dokumentiert eindeutig, daß
der IR-Verkehr sich einen Stammplatz bei der Kundschaft der DB AG
erobert hat und natürlich aus der Sicht der Reisenden nicht mehr
wegzudenken ist.
2. Probleme bei der Produktgestaltung und -fortentwicklung
Derzeit ergibt sich allerdings in einigen Relationen, speziell in den
neuen Bundesländern, eine direkte Konkurrenz zum RegionalExpress-Angebot
(RE), da von beiden Produkten überwiegend dieselben Verkehrshalte bei
fast gleichen Fahrzeiten bedient werden. Als Beispiel sei die Relation
Berlin - Stralsund genannt, wo sich InterRegio- und RE-Züge praktisch
zu einem 1-Stunden-Takt ergänzen. Problematisch ist dies insofern, weil
der RE-Verkehr als Bestandteil des Nahverkehrs von den einzelnen
Bundesländern bestellt und bezahlt wird, der IR-Verkehr dagegen muß
sich als Produkt des Schienenpersonenfernverkehrs wirtschaftlich
selbst tragen.
Überlegungen seitens der DB AG sehen daher Einschränkungen des IR-Verkehrs
in einigen Relationen zur Reduzierung des wirtschaftlichen Risikos vor.
Mittelfristig ist gar mit der Einstellung des IR-Verkehrs zu rechnen. In
einigen stark nachgefragten Relationen ist eine Umwandlung in IC-Züge
vorgesehen, was in Einzelfällen bereits
vollzogen wurde. Beispielhaft sei hier die Relation Berlin - Hamburg genannt.
Auf der weitgehend fertig ausgebauten bzw. sanierten Strecke wird im
IC-Verkehr seit dem 29.9.1996 ein 1- bis 2-Stunden-Takt (allerdings mit
Taktverschiebungen) angeboten, wobei die seinerzeit eingeführte IR-Linie
Berlin - Schwerin vollkommen entfallen ist bzw. nun ein entsprechenden
Umsteigen erfolgen muß.
Der Wegfall des IR-Angebots dürfte für die Bahnkunden vor
allem folgende Nachteile zur Folge haben:
- Es ist keinesfalls sichergestellt, daß die durch Einschränkungen beim
IR-Verkehr entfallenden Zugkilometer durch RegionalExpress-Züge ersetzt
werden bzw. andere Ersatzangebote durch die betroffenen Bundesländer
bestellt werden; eine Angebotsverschlechterung für die Bahnkunden ist
somit nicht ausgeschlossen.
- Im Fall der Schaffung eines Ersatzangebotes, z.B. durch Ausweitung des
RE-Angebotes, sind wiederum Kürzungen des Zugangebots in anderen
Relationen (Zweigstrecken!) nicht auszuschließen.
- Das speziell für den IR-Verkehr entwickelte Modernisierungskonzept des
Wagenmaterials ist wesentlich komfortabler und auch familienfreundlicher
einzustufen, als daß derzeit eingesetzte Fahrzeugmaterial im
RegionalExpress bzw. RegionalBahn-Verkehr. Dies verdeutlicht allein
der Vergleich des Sitzplatzangebotes; z.B. 60 Plätze IR-Wagen 2. Klasse
(Bauart Bimz) gegenüber 84 Plätzen RE-Wagen 2. Klasse (Bauart Byu 439).
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Durch den Einsatz der Bistro-Wagen wird im IR-Verkehr eine akzeptable
Bewirtschaftungsform angeboten, die leider bei vielen IR-Zügen nicht
konsequent als Produktmerkmal eingehalten wird. Bei Einsatz der
Bistro-Wagen - selbst bei Einsatz der Minibar mit ihrem eingeschränkten
Angebot - wird dadurch ein höheres Komfortniveau erreicht als beim RE-Verkehr.
- Da das Angebot sowohl beim RegionalExpress als auch bei der RegionalBahn
stets von einer entsprechenden Bestellung der Bundesländer abhängig ist,
sind gerade die länderübergreifenden Verkehre von der reibungslosen
Zusammenarbeit und dem Willen der betroffenen Länder abhängig.
- Der IR-Verkehr stellt in zahlreichen Relationen direkte, umsteigefreie
Verbindungen in die Urlaubsgebiete her, z.B. die Verbindung
Seebrugg {Schwarzwald) - Köln - Münster - Norddeich.
Im Gegensatz zum IC-Verkehr können die Züge des IR-Verkehrs zuschlagfrei
benutzt werden. Im Falle der Umwandlung von IR- in IC-Züge sind daher
auch finanzielle Nachteile für den Bahnkunden zu verzeichnen,
insbesondere da mit dieser Änderung keine durchgreifende
Qualitätsverbesserung verbunden ist.
Nicht zuletzt hat der IR-Verkehr bedingt durch die überregionalen
Verbindungen auch Bedeutung im Zusammenwachsen zwischen alten und neuen
Bundesländern - und zwar hinsichtlich der Anzahl der Linien mehr als
vergleichsweise der IC-Verkehr.
3. Maßnahmen zur weiteren Attraktivitätssteigerung des IR-Verkehrs
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Im Gegensatz zum RegionalExpress gibt es beim IR die Möglichkeit zum Essen und Trinken, wenn man einmal von den IR-Zügen absieht, die den zum Produkt gehörenden Bistro-Wagen dennoch nicht mitführen. Foto: Christian Schultz |
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Unserer Einschätzung nach sind die seitens der DB AG derzeit angestellten
Überlegungen zur Einstellung des IR-Verkehrs als Qualitätsprodukt des
Fernverkehrs allein aufgrund der in Kapitel
dargestellten Kennziffernentwicklung nicht nachvollziehbar. Insgesamt
wurde das IR-Angebot hervorragend angenommen, was auch Meinungsumfragen
belegen. Vielmehr sollte die Weiterentwicklung des IR-Angebotes eine
weitere Attraktivitätssteigerung zum Ziel haben.
Auf betrieblicher Seite wäre unseres Erachtens zu prüfen, ob zur Erhöhung
der Wirtschaftlichkeit
eine bessere Regulierung der Zugstärke möglich ist, da in einigen
Fällen, gemessen am Fahrgastaufkommen, ein zu hohes Platzangebot
beobachtet wurde. Aus Sicht der Bahnkunden wäre die konsequente Einhaltung
der seitens der DB AG vorgegebenen Qualitätsmerkmale zu fordern,
insbesondere der Einsatz von Bistro-Wagen. Weiterhin müßten auch die
Möglichkeiten zur Beschleunigung des IR-Verkehrs durch Anhebung der
Streckenhöchstgeschwindigkeit speziell in den neuen Bundesländern geprüft
werden, da bei der Sanierung der Infrastruktur - abgesehen von den
Verkehrsprojekten "Deutsche Einheit" - bereits gute Fortschritte erzielt
worden sind. Stellvertretend sei an dieser Stelle wiederum
die Strecke Berlin - Pasewalk - Stralsund genannt.
Weiterhin ist zu fragen, weshalb im Regionalverkehr Sonderaktionen
wie das "Schönes Wochenende-Ticket" möglich sind, vergleichbare Angebote
im Fernverkehr dagegen nicht.
Denkbar wäre z.B. eine Variante, wonach gegen Zahlung eines Zuschlages
auch IR-Züge mit dem "Schönes Wochenende-Ticket" benutzt werden
können (Staffelung z.B. 35 DM ohne IR-Benutzung, 50 DM mit IR-Benutzung).
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Klassische IR-Sitzgruppe mit Kindersitz. Aber trotz Fahrgastzuwächsen ist das zwischen IC- und Regionalverkehr angesiedelte Produkt InterRegio akut gefährdet. Foto: Christian Schultz |
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Auch verstärkte Werbemaßnahmen sind unseres Erachtens für den IR-Verkehr
unerläßlich. So ist der InterRegio z.B. in der Relation Berlin - Stralsund
von der Fahrzeit her eine sehr günstige Alternative zur Autobenutzung
auf überlasteten, stauanfälligen Bundesstraßen - und das streßfrei.
Das Problem, daß der IR-Verkehr zum Teil auch regionale Aufgaben wahmimmt,
kann unserer Einschätzung nach nur durch entsprechende Regelungen mit den
betroffenen Bundesländern bezüglich eines finanziellen Teilausgleichs
gelöst werden.
Es ist sehr zu hoffen, daß sich die Entscheidung des DB AG-Vorstandes
bezüglich der weiteren Entwicklung des IR-Verkehrs an den Wünschen der
Bahnkunden orientiert und so die uneingeschränkte Beibehaltung
mindestens des heutigen Umfangs des IR-Netzes zum Ziel hat.
IGEB
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