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In Berlin ist seit einigen Jahren
der Einsatz von Kurzzügen bei U-Bahn und
Straßenbahn zum Normalzustand geworden.
Die Möglichkeiten, die ein Schienensystem
bietet, nämlich Züge zu kuppeln
und damit die Kapazitäten einer Fahrt zu
verdoppeln oder zu verdreifachen, werden
bewusst nicht genutzt. Angesichts
der gestiegenen Fahrgastzahlen führt das
mittlerweile auf vielen Linien zu Überfüllungen,
verlängerten Haltestellenaufenthalten,
Verspätungen und zu Ärger bei
den Fahrgästen aufgrund proppenvoller
Bahnen und Busse. Am Beispiel des größten
Nahverkehrsanbieters der Stadt – der
BVG – werden aktuelle Defizite aufgezeigt
und Handlungsoptionen empfohlen.
U-Bahn
Das Berliner U-Bahn-Netz teilt sich in das
Großprofil (2,65 m breite Fahrzeuge) und
das Kleinprofil (2,30 m breite Fahrzeuge). Im
Großprofil ist flächendeckend der Einsatz
von 96 m langen 6-Wagen-Zügen möglich.
Im Kleinprofil sind auf den Strecken der Linien
U 1 bis U 3 100 m lange 8-Wagen-Züge
einsetzbar, eine Ausnahme bildet die – allerdings
auch deutlich weniger nachgefragte –
Linie U 4, auf der die Zuglänge auf 75 m begrenzt
ist. Trotzdem werden die möglichen
Zuglängen häufig nicht gefahren, die „Gefäße“
sind also kleiner, als es die technischen
Gegebenheiten erlauben würden. So werden
auf der U 2 gelegentlich, auf den Linien
U 1 und U 3 dagegen durchgehend – auch
im Berufsverkehr – nur 6-Wagen-Züge eingesetzt.
Erst in jüngster Zeit gibt es Bestrebungen,
die U 1 wieder mit 8-Wagen-Zügen
zu bestücken, wobei allerdings noch offen
ist, ab wann und zu welchen Zeiten das geschehen
soll.
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8-Wagen-Zug von der Warschauer Straße kommend. Im Regelverkehr setzt die BVG auf der U 1 nur 6-Wagen-Züge ein. Foto: Marc Heller |
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Die Großprofillinien werden tagsüber generell
mit 6-Wagen-Zügen bedient, es sei
denn, es gibt akuten Wagenmangel und
Doppeltriebwagen müssen – etwa weil sie
schadhaft sind – aus dem Verkehr genommen
werden. Sehr skurril ist allerdings das
Vorgehen auf der Linie U 8, wo die tagsüber
verkehrenden 6-Wagen-Züge ab ca. 21 Uhr
aufwendig getrennt und zu 4-Wagen-Einheiten
verkürzt werden. Das hat nichts
mit einer sinkenden Fahrgastnachfrage zu
tun, denn gerade auf der U 8 beginnt ab
21.30 Uhr bis zum Betriebsschluss gegen
0.30 Uhr eine neue Nachfragespitze, was
an den zahllosen gastronomischen und
kulturellen Höhepunkten und einem entsprechend
amüsierfreudigen Publikum
entlang dieser Linie liegt. Eingeführt wurde
die Kürzung zu einer Zeit, als die U 8
noch im Dornröschenschlaf zwischen den
Stadtteilen Wedding und Neukölln pendelte,
um die Laufleistung der eingesetzten
Fahrzeuge zu reduzieren und Wartungstermine
einzusparen. Mittlerweile hat sich die
Nachfrage allerdings deutlich verändert,
die Kürzungsvorlieben der BVG dagegen
nicht, was sich auch auf der U 6 negativ bemerkbar
macht.
Straßenbahn
Leider tendiert die BVG wie bei der U-Bahn
auch auf den Straßenbahnstrecken dazu,
aus falsch verstandener Sparsamkeit kleinere
Züge einzusetzen, als eigentlich für die
Beförderung der Fahrgäste notwendig wären.
Die Straßenbahn – auch 25 Jahre nach
der deutschen Wiedervereinigung noch
immer hauptsächlich auf den Ostteil Berlins
begrenzt – verfügt über drei verschiedene
Fahrzeugklassen, die von der BVG aus ideologischen
Gründen am liebsten als Kurzzüge
eingesetzt werden. Der Fahrzeugpark
unterscheidet sich in Hochflur- und Niederflurbahnen,
letztere gibt es als Einrichtungs-
und Zweirichtungszüge, wobei die
neuesten Niederflurzüge aufgrund größerer
Fahrzeugbreiten nicht im gesamten Netz
einsetzbar sind: Die zuletzt beschafften Flexitys
haben aufgrund ihrer Breite von 2,40 m
im Köpenicker Netz Fahrverbot.
Die BVG hat in den letzten Jahren zudem
durch die Errichtung von Stumpfendstellen
an vier Punkten im Netz (S+U Alexanderplatz,
U Warschauer Brücke, S Nordbahnhof,
S Springpfuhl) Zwänge geschaffen, aufgrund
derer auf einigen Linien jetzt (ausschließlich
niederflurig vorhandene) Zweirichtungszüge
eingesetzt werden müssen (M 2, M 10, 18,
längerfristig baubedingt M 8). Diese Züge
benötigen zwar keine Wendeschleifen, sind
aber wesentlich teurer in Anschaffung und
Betrieb.
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Auf der M 2 verkehren nur 30 m lange Straßenbahnen vom Typ Flexity. Das steigende Fahrgastaufkommen erfordert jedoch den Einsatz von 40 m langen Zügen. Foto: Marc Heller |
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Kleinste Einheit sind gegenwärtig die
19 m langen Tatra-KT4D-Triebwagen, die
zwar hochflurig sind, aufgrund ihrer sehr
gelungenen Innenraumgestaltung aber
die höchste Beförderungskapazität pro Wagenmeter
bieten. Diese werden auf einigen
Linien als Solofahrzeuge, meist aber als Doppeltriebwagen
eingesetzt. Die Zulassung
und der Einsatz als 57 m lange Dreifachtraktion
– wofür die Fahrzeuge konzeptionell
vom Hersteller ausgelegt sind – wurde von
der BVG nie ernsthaft in Erwägung gezogen
und bei der Modernisierung nicht berücksichtigt.
Ein Fehler, der jetzt gegen Ende der
Einsatzzeit wohl nicht mehr gutgemacht
werden kann. Andere deutsche Städte waren
da klüger. Dabei könnte es ein derartiger
Zug, als Verstärker im Berufsverkehr auf M 4,
M 5 oder M 13 eingesetzt, mit der Kapazität
einer U-Bahn bei einem Zehntel der Kosten
aufnehmen.
Es ist klar, dass die Zeit hochfluriger Straßenbahnzüge
in Berlin dem Ende entgegen
geht, allerdings sollte auch die BVG mittlerweile
erkennen, dass eine Ausmusterung der
Tatras bei der weiter gestiegenen Nachfrage
bis 2017 unrealistisch ist, weil bis dahin nicht
große Einheiten in ausreichender Zahl zur
Verfügung stehen werden. Wie in diesem
Heft auf Seite 16 berichtet, sollte eine größere
Anzahl KT4D auch nach 2017 zum Abfangen
von Lastspitzen vorgehalten werden.
Die nächstgrößere Fahrzeugklasse sind
die 27 m langen GT6-Triebwagen aus der
Mitte der 1990er Jahre, die zwar niederflurig
sind, aufgrund der verbauten Innenräume
aber nur vergleichsweise wenige Fahrgäste
in sehr mäßiger Qualität befördern können.
Immerhin können hier zwei Einheiten zu
55 m langen Doppeltraktionen gekuppelt
werden, was die BVG aber offensichtlich nur
ungern und deshalb nur auf zwei Linien einigermaßen
regelmäßig praktiziert: M 4 und
M 5, in „Notfällen“ kommen M 6 und sehr
selten die M 13 hinzu. Gerne werden Baumaßnahmen
genutzt, um auch auf diesen
Linien den Fahrzeugeinsatz wieder zu reduzieren
und durchgehend Kurzzüge einzusetzen,
was dann zu höchst unerfreulichen
Zuständen führt – wie bei den gleichzeitigen
Baumaßnahmen an den S-Bahnhöfen
Greifswalder Straße und Landsberger Allee
im Sommer 2014 (siehe Seite 17).
Größte verfügbare Einzelfahrzeuge sind
derzeit die 30 m bzw. 40 m langen niederflurigen
Flexitys, die – wie die GT6 – als
Einrichtungs- und Zweirichtungszüge zur
Verfügung stehen. Die Fahrzeuge sind – der
Kuppelallergie der BVG entsprechend – aber
als Einzeltriebwagen ohne Kupplungen beschafft
worden, sodass eine Verlängerung
einzelner Züge technisch nicht möglich ist.
Aufgrund des anderen Fahrzeugkonzepts
(gegenüber den alten Niederflurbahnen)
und einer gelungenen Innenraumgestaltung
erreichen die 40 m langen Flexitys
etwa die Beförderungskapazität von Tatra-Doppeltriebwagen.
Schnelle Abhilfe in Gestalt längerer Züge
ist vordringlich auf folgenden Linien nötig:
- M 2 Einsatz von 40 m ZR statt 30 m ZR
- M 4 durchgehender Einsatz von 40 m ER,
im Berufsverkehr 55 m ER
- M 5 Einsatz von 55 m ER statt 30 m ER
- M 6 Einsatz von 55 m ER statt 27 m ER
- M 10 Einsatz von 40 m ZR statt 27 m/30 m ZR
- M 13 Einsatz von 40 m oder 55 m ER statt
27 m ER
- M 17 Einsatz von 30 m/40 m ER statt 27 m
ER
ER = Einrichtungswagen
ZR = Zweirichtungswagen
30 m/40 m = 30 bzw. 40 m lange Flexitys
27 m/55 m = GT6-Kurzzug bzw. GT6-Doppeltraktion
Um genügend (kuppelfähige) GT6 zur Bildung
von 55-m-Zügen freizubekommen,
sind weitere Flexitys in der 40 m-Variante
zu beschaffen – die in den Verträgen
mit dem Hersteller vereinbarte Option
muss die BVG nur abrufen.
Im Köpenicker Netz (Liniennummern
60-68) außer der Linie 62 und der Linie
67 stellen 27 m kurze Fahrzeuge im Augenblick
eine gute Größe dar, auch die
Linien 21 und 27 des Ergänzungsnetzes
sind mit 27 m/30 m kurzen Zügen auf
absehbare Zeit gut bedient. Eine Ausnahme
ist die 62, die angesichts mehrerer
Schulen im Linienverlauf (in Wendenschloss,
Köpenick und Mahlsdorf)
regelmäßig aus allen Nähten platzt. Der
gegenwärtige intermittierende Einsatz
von 27-m-Niederflurzügen und 38-m-Hochflurzügen
sollte hier beibehalten, aber
durch einen zügigen Ausbau der Begegnungsabschnitte
für einen 10-Minuten-Takt
im Abschnitt Mahlsdorf-Süd—S Mahlsdorf
auf die ganze Linie ausgedehnt werden.
Auf allen anderen Linien und insbesondere
im Metronetz haben Kurzzüge mit weniger
als 38/40 m nutzbarer Länge angesichts
der Fahrgastzuwächse schon jetzt nichts
mehr verloren.
Bus
Der Busverkehr wird bei der BVG gegenwärtig
durch vier Fahrzeugklassen bedient, die
allerdings häufig entgegen des Bedarfes
eingesetzt werden.
Die kleinste Einheit stellen die 12 m langen
Standardbusse dar, die auf nachfrageschwachen
Linien im Ergänzungsnetz gute
Dienste leisten können.
Es folgen 18 m lange Gelenkfahrzeuge
für wichtige und nachfragestarke Verbindungen
mit starkem Fahrgastwechsel im
Linienverlauf und die noch größeren 13,5
m langen Doppeldeckfahrzeuge, die die
Fahrgäste allerdings zum Treppensteigen
während der Fahrt auf belebten Straßen
zwingen und deren Oberdecks demzufolge
gerne leer bleiben. Eine Ausnahme davon
bilden touristisch genutzte Sightseeing-Linien
wie der Bus 100 und gegebenenfalls
einige wenige Expressbuslinien mit viel
Punkt-zu-Punkt-Verkehr und sehr langen
Haltestellenabständen.
Doppeldeckbusse können aufgrund von
Höhenbeschränkungen auch nicht überall
eingesetzt werden, während 18-m-Gelenkbusse
keinen Totalumbau des Stadtraumes
erfordern: Hilfen wie Haltestellenkaps
(=Vorstreckungen) zum bequemen und behindertengerechten
Ein- und Aussteigen (ab
2022 Pflicht laut EU-Gesetzgebung) lassen
sich problemlos realisieren und tragen nebenbei
zur Verkehrsberuhigung bei.
Die ebenfalls noch vorhandenen 15 m-Busse
als vierte Fahrzeugklasse haben sich
im Betrieb aufgrund der deutlich größeren
Wenderadien nicht bewährt und werden in
Berlin keine Zukunft haben.
Wie sich am Beispiel der Sperrung der
Frey-Brücke in Spandau und den vergeblichen
Versuchen, einen halbwegs vernünftigen
Ersatzverkehr zu organisieren, zeigte,
sind auch Busse Einschränkungen – hier
durch ihr Fahrzeuggewicht – unterworfen.
So sind auf der Linie M 49 derzeit statt der
üblichen Doppeldecker oder Gelenkbusse
12 m-Wagen im Einsatz, weil die gefährdete
Brücke maximal 18 t Fahrzeuggewicht
verkraftet. Die Folge sind völlig überlastete
Busse, Stress für die Fahrer und unzufriedene
Fahrgäste. An diesem Beispiel zeigt sich
eindrucksvoll, dass die Behauptung der notorischen
Straßenbahngegner, Busse seien
doch – im Gegensatz zu Bahnen – einzigartig
flexibel, die Luft nicht wert ist, mit der sie
transportiert wird.
Leider setzt die BVG die unterschiedlichen
Größen bei Bussen nicht nach Notwendigkeit,
sondern nach undurchschaubaren betrieblichen
Zwängen ein. Auf Linien, die mit
12-m-Bussen gut bedient wären, verkehren
Gelenkbusse, die auf den M-Linien dann
schmerzlich vermisst werden. Zu Ersatzverkehren
bei Bauarbeiten werden dagegen
auch gerne 12-m-Busse herangezogen, wobei
die BVG die Frage beantworten muss,
wie ein solcher Bus die Fahrgäste einer 27 m
langen Straßenbahn aufnehmen soll. (mg)
IGEB Stadtverkehr
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