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Eine langjährige Forderung der Fahrgast- und Bahnkundenverbände - die
institutioneile Beteiligung der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel an
den Entscheidungen von Verkehrsunternehmen und -politik - ist inzwischen
in Brandenburg zur alltäglichen Arbeit geworden. Die Teilnahme an all
den neu entstandenen Beiräten auf jeglichen Ebenen verlangt viel Zeit
der - oft ehrenamtlichen - Aktiven in den Verbänden. Der Nutzen ist
mitunterfraglich: Notwendige Entscheidungen drohen zerredet zu werden,
die Träger der Beiräte lassen sich Beschlüsse nur noch "absegnen" oder
sehen diese als feigenblättrige und unliebsame Diskutierclubs an.
Die Nahverkehrsbeiräte - angesiedelt bei den politischen Aufgabenträgern,
also beim Land Für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und bei den
Landkreisen und kreisfreien Städten für den "übrigen öffentlichen
Personennahverkehr" (üÖPNV) - sind nach den Buchstaben des Gesetzes
die wirksamsten Gremien, sollen doch hier grundlegende Entscheidungen
zu Planungen und resultierenden Leistungsbestellungen vorbereitet werden.
In den Landkreisen erfolgte seit Anfang 1996 die Gründung solcher Beiräte.
Mit den vielfältigsten Arten von Zusammensetzung, Verwaltungshoheit,
Aufgabenstellung und Selbstbewußtsein begleiteten die Beiräte im Laufe
des Jahres vorwiegend die Erarbeitung des jeweiligen Nahverkehrsplanes
(siehe SIGNAL 7/96 ). Diese standen oder stehen nun
in den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen zur Abstimmung.
Dafür bleibt noch bis Mitte Februar Zeit - das Land erlaubte eine
Verlängerung der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (31.12.1996).
Eine ausführliche und vergleichende Auswertung der Nahverkehrspläne
erfolgt dann im Frühjahr durch den Bahnkunden-Verband Brandenburg,
der mittlerweile in 14 von 18 Beiräten ständig vertreten ist. Dabei
wird auch der "beste" und "schlechteste" Nahverkehrsplan des Landes
gekürt - natürlich aus der Sicht der Nahverkehrskunden.
Kein Ruhmesblatt sind weiterhin die zögerlichen Vorbereitungen zur Bildung
des Nahverkehrsbeirates beim Aufgabenträger Land. Der Landtagsbeschluß
vom 22. Mai 1996, diesen im vierten Quartal 1996 zu gründen, wurde nicht
vollzogen. Um sich dieser Kritik zu entziehen, versandte das Ministerium
für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr einen Tag vor Jahresende
jedoch noch eine Vorankündigung zur Bildung des Beirates.
Der Nahverkehrsbeirat - per Gesetz zuständig für alle SPNV-relevanten
Fragen - soll nunmehr gemeinsam mit dem Land Berlin eingerichtet und
bei der Verkehrsverbundgesellschaft angesiedelt werden. Letzteres ist
allerdings ein äußerst fragwürdiges Verfahren: der Verkehrsverbund ist
definitiv kein "Aufgabenträger" im Sinne des ÖPNV-Gesetzes. Dieses schreibt
jedoch in 6 (1) ausdrücklich die Einrichtung "beim" Aufgabenträger - also
dem Land - vor. Unabhängig von der Forderung, daß die Beiratsarbeit so
effektiv wie möglich bei jeder möglichen Konstellation gestaltet werden
muß, liegt hier aber die Vermutung nahe, daß die Länder einen unliebsamen
gesetzlichen Auftrag an ihre nachgeordnete Gesellschaft abgeben wollen.
Die Ansiedlung beim Verbund ist auch inhaltlich problematisch: Die Länder
als politische Aufgabenträger für den SPNV bestimmen die Grundsätze bei
Planung, Bestellung sowie Umsetzung des Schienenverkehres und beschließen
dies im SPNV-Nahverkehrsplan. Und bei genau diesen Aufgaben soll laut
Gesetz ein Nahverkehrsbeirat niitwirken. Der Verkehrsverbund hingegen ist
für die Länder nur geschäftsbesorgend und nach deren Vorgaben tätig - also
eher ein Dienstleister, der verkehrspraktische Fragen wie Bestellverhandlungen,
Marketing und Einnahmeaufteilung durchführt. Genau dafür wurden jedoch beim
Verbund schon längst arbeitende Beratungsgremien eingeführt - nämlich die
Beiräte der Gesellschafter (G), der Verkehrsuntemehmen (V) und der
Fahrgäste (F). Deren Bildung legten die Länder sogar im Gesellschaftervertrag
der Verbundgesellschaft (14) fest. Allein die Arbeit des Fahrgastbeirates,
der sich im Dezember 1996 konstituiert hat, zeigt, daß die Fülle der dort
mit der Verbundgeschäftsführung erörterten übergreifenden Themen
(Tarifmodelle, Schnittstellenproblematik, Angebotsstandards) viel
fahrgastbezogener ist, als sie in einem Landes-SPNV-Beirat schon von der
Zielstellung her je sein kann.
Der Landesbeirat beim Verbund wäre dann nur noch ein Beirat unter vielen
und würde seiner gesetzlichen Bedeutung überhaupt nicht gerecht. Während
sich der Fahrgastbeirat des Verbundes aus "echten" Interessenvertretem der
Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel, also vorrangig aus Mitgliedern von
Fahrgast- und Bahnkundenverbänden sowie Verkehrsvereinen und -initiativen
zusammensetzt, soll es im Landesbeirat betont förmlicher zugehen. Die
Landesregierungen wollen darüber hinaus die vier Industrie- und
Handelskammern, den Deutschen Gewerkschaftsbund, den Landestourismusverband,
die Behinderten- und Gleichstellungsbeauftragen der Länder und sogar den
ADAC (!) einladen. Eine Mischung, die von zeitraubenden Grundsatzdiskussionen
bis vielleicht spannenden sachbezogenen Mehrheitsempfehlungen wohl alles
bereit halten wird.
Unklar ist weiterhin die Rolle der Verkehrsbetriebe - also der
Leistungsersteller - in den politischen Beiräten. Der Landtag beschloß im
Mai die Teilnahme je eines Vertreters der DB AG, der nichtbundeseigenen
Eisenbahnen und der S-Bahn Berlin GmbH. Im Verteiler der oben genannten
Vorankündigung sind diese nicht mehr zu finden. Schon frühzeitig wies der
Bahnkunden-Verband Brandenburg daraufhin, daß Verkehrserbringer zwar
beratend an den Beiräten teilnehmen müssen und sollen, jedoch schon
allein aus Wettbewerbsgründen kein Stimmrecht haben dürfen.
Damit nun auch jeder, der was auf sich hält, sagen kann, er habe das Ohr
am Volk, wurde Frühjahr 1996 auch bei der Deutschen Bahn Berlin/Brandenburg
ein sogenannter Kundenbeirat gebildet. Dies kann zweifelsohne eine sinnvolle
Einrichtung sein, um den direkten Draht zwischen Verkehrsanbieter und Kunden
zu halten. Dieser Beirat wird von den DB-Bereichen Fern- und Nahverkehr
betreut, die Mitglieder setzen sich aus Verbänden, Verwaltungen,
Universitäten und Einzelpersonen zusammen. Die Detailprobleme sollen
in den vier Arbeitsgruppen
- Angebotsplanung/Tarife Fernverkehr,
- Tourismus und Werbung,
- Tarife und Verbundarbeit sowie
-
Fahrplangestaltung im Nahverkehr
geklärt werden. Die zeitnahe Umsetzung der im Beirat angesprochenen - und
meist sehr konkreten - Vorschläge wird auch hier zeigen, wie ernst die
Beratenen den Beirat nehmen.
Vor kurzem zurückgewiesene Korrespondenz des Bahnkunden-Verbandes Berlin mit
der Begründung, dies könne man ja im Kundenbeirat besprechen, macht jedoch
Hintergedanken denklich. Deshalb sei klargestellt: Die Bahn darf nicht
davon ausgehen, daß sie die Mitwirkung von Interessenvertretem ausschließlich
auf den Kundenbeirat beschränken kann - dies ist für uns nicht hinnehmbar
und wäre zugleich falsch verstandenes Marketing.
Deutscher Bahnkunden-Verband Brandenburg e.V.
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