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1. Fall: Straßenbündige Haltestellen
der Straßenbahn
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Die Bahnhofstraße/Seelenbinderstraße gehört zu den gefährlichsten Straßenbahnhaltestellen in Berlin. Viele Autofahrer sind mit der Situation völlig überfordert. Die Markierung des Haltestellensymbols auf der Fahrbahn (Ausschnitt) reicht nicht – bauliche Maßnahmen sind notwendig! Foto: Raul Stoll |
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Die Haltestelle ist durch das Zeichen 224 am
Bordsteinrand gekennzeichnet. Fahrgäste
warten auf dem Gehweg und müssen die
Fahrbahn betreten, um das Fahrzeug zu erreichen
oder zu verlassen. Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gibt in § 20 vor: „(2)
Wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, darf
rechts nur mit Schrittgeschwindigkeit und
nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren
werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen
ausgeschlossen ist. Sie dürfen auch nicht
behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein
Fahrzeug führt, warten.“ Viele Fahrzeugführer,
wozu auch Rad fahrende zählen, sind
damit inzwischen jedoch überfordert oder
beschleunigen bewusst, um eine Straßenbahn
noch schnell zu überholen.
In den meisten Fällen bleibt es bei einer
gefährlichen Situation, doch die Unfälle mit
Verletzten nehmen zu. Zuletzt stach hier
die Haltestelle Bahnhofstraße/Seelenbinderstraße
negativ hervor,
obwohl nach vorangegangenen
Unfällen in Fahrtrichtung
Bahnhof das Zeichen 224 zusätzlich vor der
Haltestelle direkt auf die Fahrbahn markiert
wurde.
Bauliche Maßnahmen in Form von überfahrbaren
Haltestellenkaps, die die Situation
aus Fahrgastsicht verbessern und zugleich
zur Barrierefreiheit beitragen, unterblieben
bisher, weil sich Autofahrer dadurch behindert
fühlen könnten.
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Foto: Raul Stoll |
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Dabei konnte mit überfahrbaren Kaps –
auch über zwei Fahrspuren hinweg – in
anderen Städten bereits eine deutliche
Verbesserung der Sicherheit erreicht werden,
da Fahrzeugführer durch die Erhöhung
der Fahrbahn nicht mehr beschleunigen,
um „schnell noch“ an der Bahn vorbei zu
kommen. Eine Pförtnerampel kann eine
zusätzliche Absicherung sein, ist aber nicht
zwangsweise überall notwendig. Insbesondere
dann, wenn auch die auf der Fahrbahn
verkehrende Straßenbahn vor ihr halten
muss, verfehlt sie ihren Zweck.
2. Fall: Radweg im Haltestellenbereich
Radwege und Haltestellen bergen ein
grundsätzliches Konfliktpotenzial. Dabei
wirken die verschiedenen Bauweisen unterschiedlich.
Straßenbündig geführt können
Busse an den Haltestellen links überholt
werden. Mit Ein- und Aussteigern gibt es
dabei zwar keine Konflikte, doch besteht
immer die Gefahr, dass eine Person vor
dem Bus die Straße überqueren will. Bei der
Straßenbahn lässt sich eine solche Führung
wegen der Sturzgefahr durch die Schienen
nicht realisieren. Hier hat sich die Führung
über das Haltestellenkap als beste Lösung
erwiesen. Der Radweg wird hierbei geradlinig
zwischen Wartebereich und Bordsteinkante
geführt, wodurch die Gleise keine Gefahr
mehr darstellen. Zudem ist der gesamte
Haltestellenbereich gut einsehbar. Konflikte
entstehen bei dieser Lösung einerseits
durch Fahrgäste, die auf dem Radweg oder
an der Kante warten, sowie andererseits
durch ungeduldige Radfahrer, die sich entgegen
§ 20 (2) StVO ihren Weg durch den
Fahrgastwechsel bahnen.
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FALSCH: Neue Kaphaltestelle an der Landsberger Allee/ Karl-Lade-Straße. Der Radweg führt hinter den Haltestellenhäuschen entlang. Radfahrer sind für aussteigende Fahrgäste damit „unsichtbar“. Foto: Tom Gerlich |
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Die Versuchung ist daher groß, die Radfahrer
„hinter“ die Haltestelle zu verbannen,
wie es leider auch bei Neubauten (Haltestellen
Bernhard-Bästlein-Straße, Invalidenpark)
noch geschieht. Diese vermeintlich
sicherere Verkehrsführung sorgt für eine
relativ freie Fahrt für Radfahrer. Die gefahrene
Geschwindigkeit ist damit deutlich
höher. Mitten auf dem Bürgersteig ist aber
die Gefahr größer, dass ein Fußgänger den
Radweg kreuzt. Besonders problematisch
sind hierbei die Haltestellenhäuschen, hinter
denen der Radweg entlang führt. Durch
die in Fahrtrichtung am Ende angebrachte
Werbefläche entsteht ein fataler toter Winkel,
der dazu führt, dass Radfahrer die dahinter
stehenden oder gehenden Personen
nicht sehen können und dass ausgestiegene
Fahrgäste nicht erkennen können, ob sich
ein Fahrrad nähert. Direkt am Ende des
Wartehäuschens ist daher die Unfallgefahr
am Größten. Auch in diesem Fall sind Radfahrer
eigentlich gemäß § 20 (2) StVO wartepflichtig.
Im Gegensatz zur Kapführung ist
dies jedoch nicht offensichtlich und damit
meist unbekannt. Besonders problematisch
ist die Führung „hinten herum“, wenn der
Radweg dafür mehrere Schlenker vollführt.
Ein besonders schlechtes Beispiel dafür ist
die Haltestelle U-Bf Eberswalder Str./Pappelallee
der Straßenbahnlinie 12, denn sie wird
nicht angenommen.
3. Fall: Haltestelleninseln
ohne zweiten Zugang
Die Straßenbahn kann ihre Vorteile besonders
da ausspielen, wo sie auf eigenem
Gleiskörper unterwegs ist. Dabei fährt sie
jedoch auch besonders schnell und die
Fahrgäste müssen meist Fahrbahnen, aber
auch Gleise queren. Besonders problematisch
sind jene Haltestellen, bei denen
noch kein zweiter Zugang nachgerüstet
wurde. Traurige Berühmtheit erlangte
inzwischen die Haltestelle am S-Bahnhof
Greifswalder Straße, an der es in den
letzten Jahren mehrfach tödliche Unfälle
gab, weil viele Umsteiger lieber durch das
Gleisbett und über das Geländer klettern,
als den dunklen versüfften Fußgängertunnel
oder die Ampel am anderen Ende der
Haltestelle zu nutzen. Durch die Brückenpfeiler
ist jedoch der Blick auf die stadtauswärts
fahrenden Züge eingeschränkt.
Das Problem ist durch die provisorische
Verlegung der Haltestelle zwar vorübergehend
gelöst, hat dafür aber Zwangspunkte
im Fahrzeugeinsatz gesetzt.
Weniger gefährlich, aber ebenso umsteigerfeindlich
ist die Situation am S-Bahnhof
Friedrichsfelde Ost. Dort wurde zwar ein
neuer Bahnhofszugang am westlichen
Bahnsteigende geschaffen, der direkt auf
die Brücke führt. Der direkte Zugang zur
Straßenbahnhaltestelle ist jedoch weiterhin
durch ein Geländer abgesperrt. Wie an der
Greifswalder Straße, lässt die „große Lösung“
noch auf sich warten.
Leider muss die noch im Bau befindliche
Haltestelle Invalidenpark erneut als schlechtes
Beispiel herhalten (s. Seite 11). Freies
Linksabbiegen für freie Ministerialbeamte in
den Schwarzen Weg zu ihren Dienststellen
ist offensichtlich wichtiger, als eine direkte
Fußgängerfurt von der Haltestelleninsel
zum südlichen Trottoir in Richtung Charité.
Geländer auf beiden Straßenseiten sollen
die einmalige Querung der Straße unterbinden
und die Fahrgäste stattdessen zur
Querung von vier Furten oder Nutzung des
westlichen Zugangs zwingen. Wichtigstes
Dogma der Senatsplanung war bekanntlich
die durchgehende Vierspurigkeit der Invalidenstraße.
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BESSER: In der Kastanienallee (hier Haltestelle Schwedter Straße) wird der Radweg nun über das Haltestellenkap geführt. Radfahrer und Fahrgäste können sich gegenseitig sehen. Auch Autofahrspuren können so über ein Kap geführt werden, um einen barrierefreien Einstieg zu ermöglichen und die Sicherheit zu erhöhen. Foto: Tom Gerlich |
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Aber auch vorhandene Zugänge sind kein
Garant für Sicherheit. Besonders trügerisch
sind ampelgesicherte Zugänge an breiten
Straßen, wo die Ampelsicherung über zwei
Fahrbahnen und die mittig liegenden Gleise
erfolgt. Denn „Grünes Licht“ über beide
Fahrbahnen bedeutet nicht, dass die Gleise
passierbar sind. Das „Rot“ in der Mitte wird
im Mast- und Lichterwald jedoch schnell
übersehen, wenn vorn und hinten „Grün“ ist.
Beispiel hierfür ist die Haltestelle Spandauer
Straße/Marienkirche, an der es täglich zu Beinaheunfällen
kommt. Im Minutentakt ertönt
die Warnglocke der Straßenbahnen, die für
viele Fußgänger völlig unerwartet abbiegt.
Doch während an Fußgängerampeln derzeit
blinkende grüne oder rote Lichter und
die Anzeige der Wartedauer erprobt werden,
lassen Tests zur Absicherung einer Gleisquerung
bisher auf sich warten. In anderen
Städten werden sogenannte Springlichter
eingesetzt, die aus zwei wechselblinkenden
Lichtern bestehen und, auf Augenhöhe angebracht,
für Aufmerksamkeit sorgen sollen.
Auch in den Boden eingelassene LED-Leisten
können die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Neben der Spandauer Straße in Mitte
bietet sich auch die unfallbelastete Strecke
auf der Osloer und Seestraße im Wedding
für eine solche Ausrüstung an.
Notwendige Maßnahmen
Unfälle an Haltestellen erhalten derzeit
nicht die notwendige Aufmerksamkeit, um
eine nachhaltige Erhöhung der Fahrgastsicherheit
zu erreichen. Neben einer medial
begleiteten Aufklärungskampagne zum
richtigen Verhalten an Haltestellen sind
Schwerpunktkontrollen durch die Polizei
notwendig. Kurzfristig kann die Sicherheit
durch Fahrbahnmarkierungen und zusätzliche
Verkehrszeichen verbessert werden –
insbesondere bei Straßenbahnhaltestellen
auf mehrspurigen Straßen. Mittel- und
langfristig muss es das Ziel sein, den Haltestellenbereich
durch bauliche Maßnahmen
klar abzugrenzen, überall einen stufenfreien
Einstieg ins Fahrzeug zu ermöglichen,
Falschparker fernzuhalten und kurze Zugangswege
durch den sparsamen Umgang
mit Gittern und Gleisquerungen an beiden
Haltestellenenden zu ermöglichen. (ge)
IGEB Stadtverkehr
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