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Was rosarot begann
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Die Bundesbahn warb 1985 mit rosa Elefanten für Sparpreise. Abb.: Bundesbahn |
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Früher war alles besser! Bei diesem Satz
mögen viele die Augen verdrehen, aber
einfacher war so Manches allemal. Da hatte
ein Kilometer für jede Komfortklasse einen
festen Preis. Egal in welche Richtung, egal
wie schnell – man wusste, je mehr Kilometer
man fuhr, umso mehr vervielfachte sich
der Fahrpreis gleichmäßig. War man Rentner
oder Kind, gab es einen prozentualen Rabatt,
wollte man einen Schnellzug, gab es noch
ein en Express-Zuschlag obendrauf. Wer
also die vier Grundrechenarten beherrschte,
konnte schon zu Hause den Preis ausrechnen
und das Geld abgezählt zum Schalter
mitbringen.
Dann kamen die Sonderangebote, und
das Unheil nahm seinen Lauf. Rabatte für
Rückfahrten am heiligen Sonntag, dann Rabatte
für das Nichtreisen freitags und sonntags,
Abendreisefestpreise für Langschläfer,
Aktionsangebote für „rosarote Elefanten“ –
fehlte nur noch ein Rabatt für das „La-Paloma-pfeifen“ im Handstand.
Im Rahmen mehrerer rosaroter Wochen,
Monate und Jahre Anfang der 1980er wurde
1987 auch das Angebot „Rosarote Städteverbindung“
eingeführt. Das war der erste
Versuch, mit gezielten Billigfahrkarten 100
konkret ausgewählte Züge, die eine geringe
Auslastung hatten, mit mehr Fahrgästen
zu füllen. Die Angebote galten dann ausschließlich
für diesen speziellen Zug, statt
bis dato nur auf bestimmte Geltungstage
beschränkt zu sein. Damit war der Grundstein
für das heute hauptsächlich auf Zugbindungen
basierende Sparpreissystem
gelegt. Primär dominierten jedoch weiterhin
noch pauschale Familien-, Spar- und Supersparpreise
ohne Zugbindung, aber mit
abenteuerlichen Reisetag-Regelungen.
Dann kam, was kommen musste: 2002,
Anna Brunotte und das Preis- und Erlösmanagement
Personenverkehr (kurz PEP genannt).
Kern dieses neuen Tarifierungssystems
war – und ist bis heute – die Kontingentierung
und frühzeitige Festlegung auf eine
bestimmte, schwach ausgelastete Reiseverbindung,
um „preisbewusste Reisende“ aus
stark überfüllten Zügen zu locken. Die Idee
an sich war ja nicht verkehrt, aber es hapert
an der Umsetzung. Insbesondere nachdem
die prozentualen Rabatte durch immer mehr
Festpreise ersetzt wurden, ist die Preisbildung
und Verteilung günstiger Angebote
nicht mehr nachvollziehbar. Nachfolgend
ein paar Fälle aus dem Fahrgastalltag.
Links vom Fluss ist billiger als rechts
Ein Fahrgast wunderte sich, warum seine
Reise zum Normalpreis plötzlich binnen
zwei Tagen 24 Euro teurer werden sollte.
Ursprünglich wollte er am 22. August
von Dresden mit ICE 1542 bis Leipzig und
anschließend mit IC 2032 weiter nach Oldenburg
(Oldb). Die Reisepläne änderten
sich, und die gleiche Fahrt sollte nun am
24. August stattfinden. Da die Fahrkarte
nur an zwei Kalendertagen gilt (statt früher
mal vier), musste er diese umtauschen. Am
Fahrkartenschalter teilte man ihm dann mit,
dass exakt die gleiche Verbindung mit exakt
denselben Zügen statt ursprünglich 98 Euro
nun 122 Euro kosten sollte.
Ganz so exakt gleich waren die Verbindungen
dann doch nicht. Der Unterschied
lag im Detail. Während die übliche Verbindung
mit dem IC 2032 zwischen Leipzig
und Magdeburg mit Halten in Halle (Saale)
und Köthen erfolgt, wurden am Sonntag
die Halte links liegengelassen und umfahren.
Damit änderte sich der Wegetext (siehe
Abb rechts) auf der Fahrkarte, der den Raum
begrenzt, in dem ein Fahrgast von A nach B
fahren darf. Und jeder Raum hat seinen Preis.
In diesem Fall 24 Euro mehr. Ist der Reisende
dadurch schneller am Ziel? Nein. Genießt er
einen höheren Komfort? Nein. Rechtfertigt
eine andere Aussicht zwischen Leipzig und
Magdeburg die Differenz? Nein! Aber erst
nach langem Diskutieren und einem Telefonat
des Verkäufers bekam der Fahrgast
einen Fahrschein mit dem ursprünglichen
Preis ausgehändigt.
Es kann immer mal vorkommen, dass z. B.
durch Bauarbeiten Züge umgeleitet werden
müssen. Mitunter kosten dann die anderen
Strecken mehr Geld. Wenn ein Reisender
nicht zufällig den alten Preis kennt, bemerkt
er nicht einmal, dass er mehr bezahlt. Hier
muss jeweils eine Preisanpassung vorgenommen
werden. Es darf nicht sein, dass
die Fahrgäste für unfreiwillige Umwegfahrten
auch noch zusätzlich zur Kasse gebeten
werden!
Teile und herrsche!
„Teile und herrsche“ lautet eine alte Weisheit,
die manchmal auch bei der Bahn funktioniert
– was Sparpreise anbelangt. So kann
man mit etwas Zeit und Glück zwei Sparpreis-Fahrkarten
(Teilstrecke 1 + Teilstrecke
2) miteinander kombinieren und fährt
günstiger als mit einem Sparpreis für die
Gesamtstrecke derselben Zugverbindung.
Wir haben das mal am 28. August 2014 auf
bahn.de anhand der Strecke Hamburg—Dresden
probiert, und siehe da: Für einen
Sparpreis am 3. September von Hamburg
nach Berlin im EC 173 zahlte man 29 Euro
und das Gleiche für die Strecke von Berlin
nach Dresden im selben Zug – zusammen
also 58 Euro. Hätte man die Gesamtstrecke
gebucht, wäre man mit 69 Euro dabei gewesen.
Bei einem Storno wären für zwei
Fahrkarten allerdings auch zwei mal 15
Euro Gebühr fällig.
100 000 verschiedene
Sparpreise!?
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Die Wege im Vergleich: Am 22. August für 98 Euro – (rote Strecken), Wegetext: DD*L*(MER/HAL)*MD*(EILS/MDR)*H*HB*OL Am 24. August für 122 Euro – (blaue Fläche) Wegetext: DD*(L*KOET*MD*H/WBE*LWL*HH)*HB*OL (Ermöglicht nicht nur den üblichen Weg über Leipzig—Magdeburg—Hannover, sondern auch über Wittenberge und Hamburg zu fahren.) Grafik: BfVst |
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Ein Fahrgast suchte vergeblich
von Berlin nach München einen Sparpreis
zum günstigsten Tarif für 29 Euro. Gibt
es den überhaupt? Ja, haben wir herausgefunden,
als wir am 3. September für den 3.
Dezember (erster möglicher Buchungstag)
für die gewünschte Strecke alle Verbindungen
durchsucht haben. Zunächst die direkten
ICE-Verbindungen, die der Reisende ja
nutzen wollte. Hier war das Günstigste ein
Sparpreis für 55 Euro früh um 4.37 Uhr. Die
meisten Verbindungen waren für 59 Euro
zu haben und einzelne für 69 und 89 und
115 Euro. Nähme man ein oder zwei Umstiege
in Kauf, dann stünden an dem Tag
sogar zwei Sparpreise für 45 Euro und um
9.34 Uhr sogar ein Sparpreis für 29 Euro zur
Verfügung.
Lässt man den ICE mal weg, so gibt es
zwei direkte Verbindungen. Tagsüber einen
InterCity für 49 Euro und nachts den
CityNightLine für 39 Euro mit inkludierter
Platzreservierung. Bei bisweilen abenteuerlichen
Umsteigeverbindungen (2 bis 4
Mal Umsteigen bei Fahrzeiten zwischen 7,5
und 10,5 Stunden) fanden sich auch drei
Verbindungen mit 29 Euro günstigen Sparpreisen.
Betrachtet man die gesamte Palette von
insgesamt 55 Preisstufen beim Sparpreis,
kann man schon ins Grübeln kommen. Ein
normaler Fahrgast weiß nicht, dass er auf
langen Strecken bei direkten ICE-Verbindungen
fast aussichtslos nach einem 29 Euro-Ticket sucht.
Kostenlose Kinder kosten extra
Ein Fahrgast will nach Hamburg, um etwas
zu erledigen, und freut sich, noch einen
Sparpreis 1. Klasse für nur 39 Euro bekommen
zu können. Der elfjährige Sohnemann
bekommt Wind davon und will mitfahren.
Na gut, denkt sich der liebevolle Familienvater,
denn es kostet ja nichts, weil Familienkinder
bis 14 Jahre bei den Eltern bzw.
Großeltern kostenlos mitfahren, wenn sie
auch auf der Fahrkarte stehen. Doch zu seinem
Erstaunen kostet die Fahrt nun 49 Euro.
Das muss ein Fehler sein, meint der Mann,
und ruft bei der DB an. Dort bekommt er zu
hören, dass so etwas passieren kann, weil
die Sparpreise kontingentiert sind. Obwohl
ein Familienkind nichts kostet, muss für alle
Personen, die auf ein Sparpreisticket fahren,
ein Kontingent vorhanden sein. Bei Vater
und Sohn also zwei. Ist von der günstigen
Preisstufe aber nur noch eines da, fällt man
automatisch in die nächst höhere, wo noch
zwei vorhanden sind. (Mehr zum Thema
Sparpreis & Kontingentsteuerung siehe
SIGNAL 4/2010, auch
unter signalarchiv.de)
Deutschland ist teuer –
wie wäre Reisen von Polen aus?
Ein findiger Fahrkartenverkäufer einer privaten
Bahn-Agentur machte auf das Problem
aufmerksam, dass für die Verbindung mit
dem ICE 693 von Berlin Ostbahnhof nach
Frankfurt am Main z. B. für den 16. September
inklusive der Schaltergebühr ein
Sparpreis für 70 Euro erhältlich war. Eine
zeitgleiche Buchung ab Rzepin in Polen mit
dem EC 44 und Umstieg in besagten ICE am
Ostbahnhof hätte jedoch nur 49 Euro gekostet.
Soll das eine versteckte Quersubventionierung
internationaler Bahntouristen sein?
Denn auch aus anderen Ländern ist eine
Fahrkarte teilweise günstiger als bei einer
innerdeutschen Fahrt im selben Zug.
Zum Teufel mit dem Preissystem?
Das System hat seine Vorzüge – ohne Frage.
Mit Sonderangeboten flexible Reisende in
schwach ausgelastete Züge zu locken, ist
legitim und ist sinnvoll für die „entlasteten“
Fahrgäste, die auf die Reise zu „vollen Zeiten“
angewiesen sind. Aber die Beispiele
zeigen, auch wenn die hier dargestellten
Fälle nicht häufig auftreten werden, dass
an der Preis- und Steuerungslogik noch gefeilt
werden muss. Dass beispielsweise vergleichbare
Strecken unterschiedliche Normalpreise
haben und internationale Reisen
günstiger sind, als eine innerdeutsche Fahrt
im selben Zug, darf nicht sein! Eine Reform
ist dringend erforderlich. Ein transparentes
und leicht verständliches Preissystem ohne
viel Schnickschnack muss her. Ein günstiger
Basispreis mit Raumbegrenzungen, die
alle üblichen Wege zwischen Start und Ziel
beinhalten, sollte dabei die Grundlage sein.
Darauf kann in zwei, maximal drei Stufen
ein Rabatt für schwach ausgelastete Züge
gewährt werden. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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