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Zwei Jahre Bahnhof Dannenwalde

Vom Bahnhofs-Kampf zum Touristik-Modellvorhaben

Vor zwei Jahren im Februar begannen die Aktivitäten zum Erhalt des kleinen Bahnhofes Dannenwalde im Norden Brandenburgs. Am 28. Mai 1995 wurde der Bahnhof trotz der zahlreichen Proteste zusammen mit weiteren 91 Bahnhöfen allein im Bundesland Brandenburg geschlossen. In der Regel wäre an dieser Stelle die Kurzgeschichte der Bürgerbemühungen zu Ende.

In Dannenwalde aber geschah ganz das Gegenteil von dem, was viele Politiker und auch die Deutsche Bahn AG mehr oder weniger stillschweigend voraussetzen: Der Widerstand wurde noch breiter, es entstand die "Große Koalition für den kleinen Bahnhof Dannenwalde".

Humorvoll aber unerbittlich kämpften die Betroffenen auf diversen Veranstaltungen, in Landtagsanhörungen, in vielen Kontakten und Gesprächen für die Flächenbahn. Dabei wurde immer wieder am Beispiel des Dannenwalder Bahnhofs deutlich gemacht, wie unverständlich und unsinnig diese Schließung war.

Die Impulse kamen von der Grünen Liga und dem Fußgängerschutzverein FUSS e.V.; ohne das Zusammenspiel von "Ostlern" und "Westlern", von Politik und Verwaltung auf Orts-, Amts-, Kreis- und sogar Landesebene und von diversen Vereinen in der Region, z.B. ÖKOSOLAR e.V., und in Berlin, wäre dies Ereignis nicht möglich gewesen.

Am 2. Juni 1996 fuhr der "Dannenwalde-Wiedereröffnungs-Jubelzug" bunt ausgestattet mit "Wedelelementen" und den ersten 300 Berlinern im Bahnhof Dannenwalde ein, wo er mit Musik und Jubel von der Bevölkerung begrüßt wurde. Es blieb nicht das letzte Fest. Die erste Hürde war genommen, der Bahnhof aber nur für vier Monate durch das Verkehrsministerium "modellhaft" gesichert. Vier Monate lang wurden alle Ein- und Aussteiger gezählt, ein enormer Aufwand, aber den stichpunktartigen Zählungen wurde mißtraut. Mit 40 Ein- und Austeigem pro Tag in der verregneten Sommersaison stand der Bahnhof im brandenburger Kontext gar nicht so schlecht da. Ab Winterfahrplan wurde die Regional-Linie nach Berlin verlängert, und damit ist eine der schönsten Regionen Brandenburgs als Erholungsgebiet von Berlin aus mit der Bahn schneller erreichbar als mit dem Auto.

Die "Große "Koalition für den kleinen Bahnhof Dannenwalde" mit ihren "Regenschirm-Leihdiensten" bei verregneten Veranstaltungen, mit ihren Bahnhofskonzerten (z.B. Jeunesses Musicales - Weltblech), ihren Fuß- und Radwander-Angeboten, dem "Herbstfeuer" vordem Bahnhof, aber auch mit ihrer direkten Aktion zur Durchsetzung von Leitplanken am Fußwanderweg, hat in dieser von Arbeitslosigkeit und auch Mutlosigkeit geprägten Region positive Zeichen gesetzt.

Die mittlerweile 11. Regionaltagung Wentowseen Ende Februar 1997 beschäftigte sich längst nicht mehr nur mit dem Bahnhof, es geht jetzt um die touristische Stärkung der gesamten Region. Der beschauliche und beschaubare Mittelpunkt aber ist nach wie vor der kleine rote Ziegelsteinbau an den Gleisen der Fernbahnstrecke Berlin - Ostsee, an dem auch in Zukunft die Züge halten sollen. Noch in diesem Jahr werden die Aktiven die "Bahnhofsstube" Dannenwalde eröffnen. Dazu wurde im Februar ein Trägerverein "Umweltbahnhof Dannenwalde" gegründet. Am 10. Juli 1997 heißt es dann: "120 Jahre Bahnhof Dannenwalde".

Dieser nostalgische Rückblick wird nichts ändern an der Zukunftsausrichtung der Arbeit der "Koalition". Längerfristig will man die Wiedereröffnung der Bahnlinie Fürstenberg - Lychen - Templin erreichen, für die der FUSS e.V. den Begriff "50-Seen-Bahn" geprägt hat. Da Dannenwalde durchaus ein Baustein der bundesweit geforderten "Flächenbahn" darstellt, sind die Aktivitäten beispielhaft.

Für Interessierte gibt es aus Anlaß des 2-jährigen Kampfes für den Bahnhof das Dannenwalde-Jahrbuch 1995/96 vom Januar 1997, komplett für 30, - DM oder in drei Einzelteilen jeweils zum Preis von 10,- DM:

  • Teil 1: Bericht - Dokumentation, beispielhafte touristische Möglichkeiten, Konzept Umweltbahnhof, Verkehrssicheren, Einordnung der Region.
  • Teil 2: Chronik des Widerstandes gegen die Stillegung und für die längerfristige Sicherung des Bahnhofes Dannenwalde.
  • Teil 3: Steine des Anstoßes. Steine, die noch ins Rollen gebracht werden müssen. Ein allein schon von der Herangehensweise bundesweit interessantes Beispiel.
Die Schriften sind erhältlich bei der Landesgruppe Brandenburg des FUSS e.V., Exeizierstraße 20, 13357 Berlin, Telefon 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72. Bei Postversand pro Sendung zuzüglich 5,- DM für Porto und Verpackung.

Fußgängerschutzverein FUSS e.V.

aus SIGNAL 2/1997 (März 1997), Seite 9

 

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