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Noch bevor der Großflughafen Schönefeld fertig ist, soll die U-Bahn-Linie
7 bis dorthin verlängert sein, verkündete Bundesverkehrsminister Matthias
Wissmann 1996 in Berlin. Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner
bestätigte: "Die U7-Verlängerung hat jetzt höchste Priorität". Und der
verkehrspolitische Sprecher der CDU, Alexander Kaczmarek, möchte die
U7-Süd noch vor der Verlängerung der U5 vom Alex zum Lehrter Bahnhof
bauen lassen.
Doch auch der Kreis derjenigen, die gegen eine U7-Verlängerung sind, ist
nicht klein, denn hier sind sich die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus,
die Berliner Senatsverkehrsverwaltung, das brandenburgische
Verkehrsministerium, die BVG und der Berliner Fahrgastverband IGEB
ausnahmsweise einmal einig. Umso erstaunlicher ist es, daß die U7-Verlängerung
von maßgeblicher Seite immer wieder aufgewärmt wird, denn laut
Zeitungsmeldungen will Minister Wissmann die U7-Verlängerung nun sogar
in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) aufnehmen. Daher sollen hier noch
einmal die wichtigsten Argumente kurz dargelegt werden.
Der Flughafen Schönefeld ist sowohl an die östlichen als auch die westlichen
Bezirke hervorragend mit der S-Bahn angebunden (S9 zur Stadtbahn, S45 zum
Südring). Hinzukommen soll ein AirportExpress, zunächst als Regionalbahn vom
Havelland über die Stadtbahn zum Flughafen, später als Express Gesundbrunnen -
Lehrter Zentralbahnhof - Südkreuz (Papestraße) - Flughafen Schönefeld mit der
Führung über die Dresdener Bahn und die sogenannte Mahlower Kurve auf den
Berliner Außenring. Die Fahrzeit dieses Expresses wird gemäß
Raumordnungsunterlagen für den Großflughafen Berlin Brandenburg International
14 Minuten betragen. Doch selbst wenn dieser von Michael Cramer,
verkehrspolitischer Sprecher der Berliner Bündnis-Grünen, zu Recht in Frage
gestellte Express über die Dresdener Bahn nicht kommt - und sei es nur mangels
Geld, so ist die Regionalbahn von der Stadtbahn über Karlshorst ein durchaus
attraktives Angebot, zumal die Strecke vom Lehrter Zentralbahnhof über
Karlshorst zum Flughafen, wie Cramer vorrechnete, rund 3 km kürzer ist, als
diejenige über die Mahlower Kurve.
Hingegen ist die U-Bahn-Linie 7 mit ihren kurzen Bahnhofsabständen und
häufigen Zwischenhalten und einer entsprechend langen Reisezeit viel weniger
als Airport-Zubringer geeignet. Hinzu kommt, daß die U7 während der
Hauptverkehrszeiten z.B. im Abschnitt Neukölln (Südring) - Hermannplatz voll
ausgelastet ist und kein weiteres Verkehrsaufkommen aufnehmen kann, und
Taktverdichtungen sind praktisch nicht möglich, weil es dann auf dieser extrem
langen Linie wieder zu erheblichen Unpünktlichkeiten oder gar Betriebsstörungen
mit entsprechenden Negativfolgen für alle Fahrgäste käme.
Als lokaler Zubringer für den südlichen Bereich Neuköllns zum Flughafen
Schönefeld wäre die U7 mit Kosten von 600 Mio DM (Preisstand 1993 - inzwischen
sollte man realistischerweise mit 800 Mio DM rechnen) derartig teuer, daß das
Kosten-Nutzen-Verhältnis eindeutig gegen dieses Vorhaben spricht. Stattdessen
sollte der Raum Rudow/Schönefeld durch die 20 bis 30 Mal billiger zu bauende
Straßenbahn erschlossen werden, die ohnehin von Johannisthal zum Zwickauer
Damm verlängert werden soll.
Außerdem gibt es noch ein sehr grundsätzliches Argument: Eine U-Bahn ist als
Flughafenzubringer prinzipiell schlechter geeignet als eine S-Bahn oder
Regionalzüge. Die Berliner U-Bahn-Fahrzeuge (Großprofil) sind 35 cm schmaler
als "richtige" Bahnen und haben keine Mehrzweckabteile zur Gepäckaufbewahrung.
Durch die lange Tunnelfahrt ohne Tageslicht und in zum Teil schlechter Luft
wird die Fahrt als lästig empfunden. Berlin würde mit der U7-Verlängerung
seine Gäste so empfangen, als ob ein Hauseigentümer seinen Besuch durch den
Keller in die Wohnung führt. Von einem werbenden Effekt für auswärtige Gäste
der Stadt, die in S- oder R-Bahn einen ersten visuellen Eindruck von Berlin
erhalten, kann also keine Rede sein.
Angesichts der verkehrlichen Nachteile und der dramatisch Finanzsituation in
Berlin und Brandenburg wäre die U7-Verlängerung von Rudow nach Schönefeld eine
katastrophale Fehlentscheidung, nicht zuletzt, weil damit für viele Jahre
Gelder verbraucht würden, die für wesentlich wichtigere Projekte - z.B. die
schnelle Realisierung des Straßenbahnkonzeptes - nicht mehr zur Verfügung
stünden. Doch leider ist der Berliner Senat immer wieder für millionenschwere
Fehlentscheidungen gut. Erinnert sei an die Verlängerung der U8 von Osloer
Straße nach Wittenau für l Milliarde DM, Geld, das viel besser zur schnellen
Wiederherstellung des Berliner S-Bahn-Netzes hätte verwendet werden könnem
Auch die aktuelle Entscheidung für die Verlängerung der U2-Nord nach Pankow
schließt nahtlos an diese verfehlte Bau- und Verkehrspolitik an, wo
offensichtlich die Bedienung der Bauindustrie und anderer Lobbyisten immer
noch Vorrang hat vor einem verkehrlich sinnvollen und finanziell tragfähigen
Verkehrsangebot.
Die Diskussion über die U7-Verlängerung wird uns sicher noch eine ganze Weile
erhalten bleiben. Der Berliner Fahrgastverband IGEB wird hierbei energisch für
objektive Kriterien bei Investitions-Entscheidungen und gegen die Bedienung
von Lobby-Interessen eintreten. Die Erfahrungen mit der U2-Nord sollten uns
allen eine Lehre sein.
IGEB
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