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Berlin muß sparen. Richtig. Über die Art und Weise läßt sich, wie über
vieles, streiten. Nur über eines nicht: die Einhaltung von Verträgen.
Und genau da reißen Sitten ein, die mit den Grundsätzen eines
Rechtsstaates nichts mehr zu tun haben.
Erst 1995 schaffte es der neu berufene BVG-Vorstandsvorsitzende Rüdiger vorm
Walde, dem Berliner Senat einen Unternehmensvertrag abzuhandeln, der den
Finanzrahmen bis 1999 klar absteckt und damit der BVG zwar drastische
innerbetriebliche Einsparungen vorschreibt, aber auch eine klare Planung für
Investitionen und Umstrukturierung Für diesen Zeitraum ermöglichte. Am Ende
sollte ein kostengünstiger arbeitendes, kundenorientiertes und
wettbewerbsfähiges Verkehrsunternehmen stehen. Ob dieses Ziel mit den der BVG
altgedienten Köpfen tatsächlich erreichbar ist, sei dahingestellt. Dies kann
nur die tägliche Praxis zeigen. Zugestanden werden muß dem Unternehmen diese
Chance aber, denn wer sollte sonst das komplexe Gebilde Berliner Nahverkehr
aus dem Stand beherrschen? Auf private oder auswärtige Anbieter sollte mit
der gebotenen Vorsicht geschaut werden. Neue Besen
kehren gut, aber die alten wissen, wo der Dreck liegt.
Es sieht nun aber so aus, als wolle man die BVG mit Gewalt aus dem Rennen
werfen und zum Abbau bestehender Angebote zwingen. Denn an den Vertrag, dessen
Kernpunkt die jährlichen Zuschüsse sind, fühlt man sich auf Senatsseite nicht
mehr gebunden. Der jährliche Zuschuß wurde lässig um 48,5 Millionen DM
gekürzt. Die BVG sieht nun keinen anderen Ausweg mehr, als bestehende Angebote
einzuschränken. Jahrelange Bemühungen um Angebotsverbesserungen, sichtbares
Umdenken auch bei Entscheidungsträgem der BVG - alles umsonst?
Scheinbar ist es so. Denn Einsparmöglichkeiten bestehen durchaus noch, vor
allem durch die immer wieder vom Senat verschleppten Beschleunigungsmaßnahmen.
Doch bevor diese greifen können, muß auch erst investiert werden. Und diese
Investitionen dürften nun ebenfalls wieder gefährdet sein. Bevor der Betrieb
"kaputtgespart" wird, sollte erneut nach dem Sinn solcher Tunnelbaustellen wie
U2- und U5-Verlängerung gefragt werden. Denn hier werden Summen verbaut, die
wiederum laufende Betriebskosten erzeugen, gegen die der jetzt eingesparte
Betrag bei den Betriebskostenzuschüssen unter die sprichwörtlichen Erdnüsse,
also "peanuts", fällt.
Das politische Ziel, den ÖPNV-Anteil in Berlin deutlich zu steigern, ist mit
Kahlschlagmethoden nicht zu erreichen. Bestehende Angebote müssen
erhalten und sogar noch ausgebaut werden. Bereits jetzt herrscht in
Spitzenzeiten auf zahlreichen Linien völlige Überfüllung, was weitere
Taktverdichtungen nötig werden läßt. Und viele Wohnungsbaustandorte, vor
allem in Norden und Südosten Berlins, verlangen nach neuen und besseren
Angeboten, soll Berlin nicht völlig im Stau ersticken. Wie groß diese
Gefahr ist, zeigen die bei der BVG gegen den allgemeinen Trend rückläufigen
Fahrgastzahlen.
Die Einsparungen im BVG-Angebot sind das falsche Signal für die Zukunft.
Und: Ist ein Vertragsbrüchiger Senat eigentlich noch glaubwürdig? IGEB
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