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Bereits seit Ende des letzten Jahrhunderts bestanden Pläne, die im Norden und
Süden endenden Strecken miteinander unterirdisch zu verbinden. Den letzten
Anstoß zum Bau der Nord-Süd-Strecke gaben die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der
Nazis im Jahre 1933. Der Schweipunkt des genannten Buches liegt denn auch beim
Bau dieses Tunnels. Der Autor beschreibt ausführlich die verschiedenen
Bauabschnitte und die Schwierigkeiten, die von den Bauleuten überwunden werden
mußten. So mußten im Norden die Anlagen des verkehrsreichen Stettiner
Fernbahnhofs unter laufendem Betrieb gekreuzt werden. Der Weg nach Süden
führte durch dichtbesiedeltes Innenstadtgebiet. Im Bereich des Bahnhofs
Friedrichstraße waren auf kurzer Strecke die Spree, der Nord-Süd-U-Bahn-Tunnel
und die Anlagen der Stadtbahn zu unterqueren. All dieses erforderte
umfangreiche Baustelleneinrichtungen, Hausunterfahrungen beziehungsweise
-abrisse und teilweise neue Verfahren zur Bodenbefestigung, worüber der Autor
unter Ausschöpfung verschiedener Quellen mit zum Teil unbekannten Fotos
berichtet.
Die mit dem üblichen Nazi-Pomp durchgeführte Eröffnung des ersten Abschnittes
bis Unter den Linden vier Tage vor Beginn der Olympischen Spiele wird ebenso
anschaulich geschildert wie die Schwierigkeiten, die sich dem Weiterbau
infolge von Planungsänderungen, Platzmangel oder Termindruck entgegenstellten.
Letzterer war mit ein Grund dafür, daß es außer dem großen Baugrubeneinsturz
am Brandenburger Tor zu weiteren ernsten Zwischenfällen kam.
Der Autor vergißt auch nicht, über die schwierige Herstellung der Anschlüsse
an die bestehenden Strecken vom alten Potsdamer Vorortbahnhof Richtung Wannsee
und Papestraße unter laufendem Betrieb zu berichten. Ein kurzer Abriß über
die Fahrzeuge, Stromversorgung und Sicherungstechnik rundet die Beschreibung
von Bau und Eröffnung des Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels ab.
Die Beseitigung von Kriegsschäden begann bereits im Mai 1945 mit den Arbeiten
zur Trockenlegung des gesprengten Tunnels. In Anbetracht der unglaublichen
Mangelsituation jener Tage eine nicht hoch genug zu würdigende Leistung,
die ausführlich beschrieben wird.
Den dann folgenden knapp 50 Betriebsjahren im heißen und kalten Krieg,
Transitstrecken-Siechtum und Wiedereröffnung mit Totalsanierung widmet das
Buch leider nur ein Fünftel seines Umfanges. Betriebliche Dinge wie
Fahrplangestaltung und Wageneinsatz werden nur oberflächlich gestreift.
Man wünscht sich auch, der Verfasser hätte einige Aussagen hartnäckiger
hinterfragt. Mitunter formuliert er im Konjunktiv, und man will kaum glauben,
daß sich mit vertretbarem Aufwand nicht noch Zeitzeugen hätten finden lassen,
die Auskunft über das Stellwerk Unter den Linden oder die Existenz von
Rollgittern zur Fluchtvereitelung und dergleichen mehr hätten geben können.
Insgesamt ein empfehlenswertes Werk, das für knapp 40 Mark eine angemessene
Leistung in Form von guter Bildwiedergabe, Gestaltung und Verarbeitung bietet.
Michael Braun: Die Berliner Nord-Süd-S-Bahn. 128 Seiten,
Format 17 x 24 cm, 125 Fotos, 30 Zeichnungen, Festeinband,
gebunden. Verlag Kenning, Nordhorn 1997, DM39,80.
Manuel Jacob
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