Nach ausgiebigen Testfahrten auf der Wiener Lokalbahn wurde der Prototyp des
"Combino" vom 3. Juli bis 25. August auch in Potsdam intensiv erprobt.
Erfreulicherweise gab es kaum technisch bedingte Ausfälle, der Wagen konnte
fast täglich eingesetzt werden. Das gute Bild, das der Wagen bereits
nach 15.000 Kilometern Testfahrt in Wien abgegeben hatte, bestätigte sich nun
auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt.
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Erste Präsentation des „Combino“ im Herbst 1996, hier in Berlin-Marzahn. Foto: Ivo Köhler |
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Aufgrund der Erfahrungen mit in ähnlicher Konfiguration zusammengestellten
Wagen in Mannheim, Ludwigshafen und Dresden wurden anfangs Probleme
hinsichtlich des Geradeauslaufs befürchtet. Diese Befürchtungen erwiesen sich
aber als unbegründet, auch nach größerer Laufleistung wurden keine
Schlingerbewegungen des Wagens oder sonstige Abnormitäten im Fahrverhalten
festgestellt. Auch Vorbehalte, das gewählte Antriebskonzept könnte
hinsichtlich Spurkranzverschleiß und Lebensdauer der Getriebe zu Nachteilen
führen, konnten ausgeräumt werden. Der Verschleiß an den Radsätzen war
minimal.
Der tägliche Fahrgasteinsatz bot der Potsdamer Bevölkerung genügend
Gelegenheit, Wünsche und Kritik zu äußern. Insgesamt erwies sich das Fahrzeug
durch seine Innenraumgestaltung sehr fahrgastfreundlich, diesbezüglich ist es
dem von der BVG beschaftten GT6-Fahrzeug deutlich überlegen. Dennoch gab es
Anregungen und Kritik, die bei der nun beginnenden Serienfertigung möglichst
weitgehend berücksichtigt werden sollen. So werden die gestalterisch
interessanten Gruppensitze über den Antrieben in der Anordnung etwas
verändert, um allzu intensiven Beinkontakt von nebeneinandersitzenden
Fahrgästen zu vermeiden.
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So soll das fünfteilige Potsdamer Serienfahrzeug aussehen. Mit 76 Sitzplätzen werden 20 mehr als beim GT6 der BVG geboten, obwohl der „Combino“ mit 30 m nur rund 3 m länger als das Konkurrenzprodukt ist. Abbildung: ViP/Siemens |
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Die bestellten Potsdamer Serienfahrzeuge werden, anders als der Prototyp,
Einrichtungsfahrzeuge sein. Als fünfteiliges Fahrzeug werden sie ca. 30 m
lang und somit vier Meter länger als der Prototyp. Für Kinderwagen und
Rollstühle sind die Flächen gegenüber den Türen III und V vorgesehen.
Zu berücksichtigen war hierbei, daß der Stellplatz so gestaltet wird, daß
ein Rollstuhl bei einer plötzlichen Bremsung nicht wegrollen kann. Kritik
gab es hinsichtlich der Belüftung des Wagens. Dies ergab sich aber aus der
nicht seriengerechten Zusammenstellung der Module beim Prototyp. Die
Serienwagen werden mit einer ausreichenden Anzahl von Klappfenstern
versehen, für den Fahrerplatz ist eine Klimaanlage vorgesehen.
Geradezu anziehend wirkt die erste Tür des Wagens. Ausgerechnet diese ist aber
nur einteilig und somit recht schmal. Konstruktiv ist bei diesen Wagentyp aber
mehr nicht drin. Es stand Alternative, auf diese Tür völlig zu verzichten. Im
Interesse der durchgehenden Begehbarkeit des Zuges wurde aber auf die vordere
Tür Wert gelegt. Auch ist es gerade für ältere Fahrgäste sicherer, im
Sichtbereich des Fahrers ein- und auszusteigen. Sinnvoll wäre die Möglichkeit
einer separaten Betätigung der ersten Tür durch das Fahrpersonal, wie man es
vom Bus kennt. Bei der Schaltung im KT4D (und auch bei allen modernisierten
und neuen Fahrzeugen in Berlin) kann die erste Tür vom Fahrer nur dann separat
geöffnet werden, wenn alle anderen Türen auf "Schließen" stehen. Ein
kundenfreundliches Verhalten wird dadurch unnötig erschwert.
Noch immer nicht ausgestanden sind die politischen Querelen um die Auswahl
des "Combino". Doch der Aufsichtsrat des ViP steht zu seiner Entscheidung.
Maßgebend hierbei: Die Modulbauweise des Fahrzeugs ist ein entscheidender
Beitrag zu günstigeren Kostenstrukturen im ÖPNV. Immer wieder auftauchende
Wortmeldungen aus politischen Kreisen kann man mittlerweile an
Profilierungsversuch fern aller Sachkenntnis einordnen. Sowohl der Verband
Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV) als auch einzelne Betriebe sehen in dem
Wagen eine gelungene Konstruktion, auch die Fachpresse ist sehr optimistisch
und schätzt die Potsdamer Entscheidung als richtig ein.
Falsch war nicht die Entscheidung für den "Combino", falsch bis ärgerlich
waren die Reaktionen. "Der [Berliner] Senat und die CDU-Fraktion werfen den
verantwortlichen SPD-Politikern in Potsdam vor, Arbeitsplätze in
Nordrhein-Westfalen zu fördern, statt die heimische Region zu stärken",
berichtete die Berliner Morgenpost am 26. März. Und in dieselbe Richtung
zielte der Kommentar der brandenburgischen Märkischen Oderzeitung vom 27.
März: "Kritikwürdig ist allemal, wenn Brandenburg Aufträge an andere Regionen
vergibt, ohne von ihnen entsprechende Gegenleistungen zu erhalten. So
beim Kauf von Straßenbahnwagen in NRW."
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Im Juli/August wurde der Prototyp des „Combino“ durch Einsatz im Potsdamer Regelverkehr intensiv getestet. Das heftig umstrittene Fahrzeug überzeugte hierbei sowohl technisch wie auch hinsichtlich der Fahrgastanforderungen. Foto: Matthias Horth |
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Demgegenüber schreibt der Berliner Tagesspiegel vom 22. November im Hinblick
auf eine bevorstehende Straßenbahnbestellung der BVG:
"Was aus regionalpolitischer Sicht durchaus nachvollziehbar ist, macht unter
rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nämlich keinen Sinn." Richtig.
Aber dann heißt es: "Auch die Firmen sind gut beraten, sich darauf
einzustellen, daß mit der Zeit allein die Kassenlage die Prioritäten
bestimmt." Und die Qualität? Ein moderner Verkehrsbetrieb, der Fahrgäste
als Kunden und nicht
als Beförderungsfälle betrachtet, muß gegebenenfalls auch ein teureres
Fahrzeug kaufen dürfen, wenn es eindeutig fahrgastfreundlicher ist. In dieser
Hinsicht war und ist die Potsdamer Entscheidung richtig. Bestätigt sieht
sich der ViP inzwischen auch durch Freiburg und Augsburg, die im Herbst
1997 ebenfalls den "Combino" bestellten.
Im Oktober 1998 wird in Potsdam der erste von insgesamt 48 Wagen aus der
jetzt beginnenden Serienfertigung erwartet. Die Chancen stehen gut, daß
er ohne große Probleme dem Betrieb übergeben werden kann und die Potsdamer
Straßenbahn mit einem modernen, zeitgemäßen Wagenpark die Schwelle zum
neuen Jahrtausend überschreiten wird.
IGEB
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