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Furchtbar hat man im verflossenen Sommer über Dich geschimpft und gelacht und
Deine allerneuesten, allerschönsten Züge, die mit der Taucherbrille vorn und
dem Senfgelb an den Seiten, als "Saunabahn" verspottet. Bloß weil sie sich
so stark aufgeheizt hatten, daß Du sie schon gegen Mittag abstellen mußtest.
Das hast Du, liebe S-Bahn, wahrlich nicht verdient. Natürlich brauchen Deine
neuen Züge riesige Fensterscheiben - in den alten, die seit siebzig Jahren
herumfahren, ist es ja stockfinster, und man kommt sich vor wie im
Gütenwaggon. Und was soll's schon, wenn die großen Glasflächen im Sommer
das Wageninnere auf heizen und im Winter die Wärme an die Umgebung abgeben -
dafür hast Du ja so eine supermoderne Belüftungsanlage, die jetzt nur ein
kleines bißchen nachgebessert werden muß. (Den Garantieschein
für die Züge hast Du doch hoffentlich aufgehoben?)
Früher, ja früher, da öffnete man im Sommer einfach die Fenster und kühlte
sich am Fahrtwind ab. Früher konnte man Deine Fenster auch noch richtig weit
herunterziehen. Aber erstens sähe das ja aus wie in der "Dritten Welt", wo
man sich so tolle Technik nicht leisten kann, wie wir sie uns für vielleicht
fünfzig heiße Tage im Jahr zulegen. Und zweitens könnte jeder Depp, der
seinen Kopf bei Tempo sechzig aus dem Fenster hält und gegen einen Signalmast
prallt, Dich, liebe S-Bahn, auf Schmerzensgeld, Schadensersatz und was nicht
noch alles verklagen und würde von unseren Gerichten sicher recht und
viel Kohle bekommen.
Ist dies nicht auch der Grund, weshalb Du, liebe BVG, in den letzten Jahren
erst die Klappfenster auf der einen Seite Deiner U-Bahn-Züge zugeschraubt und
später ganz ausgebaut hast? Waren nicht Klagen zu befürchten von Wilmersdorfer
Witwen, die nur darauf lauern, wo es zieht, damit sie Dich wegen eines
Schnupfens vor den Kadi zerren können? Jetzt, liebe BVG, zieht es zum Glück
nicht mehr. Dafür muß man schon mal in Kauf nehmen, daß es in Deinen Zügen
immer stickiger wird (weil auch voller, da immer seltener und mit weniger
Wagen verkehrend). Oder liegt das nur an moderner Belüftungstechnik, die
genauso wenig funktioniert wie bei der S-Bahn?
Nicht verzagen, liebe S-Bahn, liebe BVG! Wo kämen wir denn hin, wenn wir zum
Lüften einfach die Fenster öffnen oder Signale einfach ablesen würden statt
ihre Botschaften via Funk auf eine Anzeige im Führerstand übertragen zu
bekommen? Oder wenn jemand auf dem Bahnsteig stünde, bei dem man nach dem
Fahrplan, dem Weg oder einer Fahrkarte fragen könnte - wieviel schicker ist
es doch, dies gebückt an einer "Servicesäule" in Erfahrung zu bringen.
Vielleicht haben wir ja auch Glück und werden gerade an dieser Stelle
des verwaisten Bahnhofs überfallen, ist sie doch die einzige, die
eventuell von der Zentrale mit einer Kamera überwacht wird.
Ich hätte da noch ein paar prima Ideen: Zum Öffnen der Zugtüren muß der
Fahrgast künftig einen täglich wechselnden Code eingeben, den man über
verschiedene Boulevardzeitungen und Dudelfunksender erfährt (da könnt Ihr
auch Kohle machen). In den Zügen werden aus Ersparnisgründen nur noch jene
Stellen richtig beleuchtet, an denen sich gerade jemand aufhält - gesteuert
durch Infrarotsensoren in den Decken. Fahrpläne hängen nicht mehr aus,
sondern werden ONLINE (cool!) von einer Zentrale auf Projektoren übermittelt,
die sie auf die Stationswände werfen - natürlich alles via Satellit.
Der Fahrer sitzt fortan in einer gläsernen Kanzel in der Mitte des
Zuges und lenkt selbigen über Bildschirme.
Wie, dann werden die Züge noch teurer und störungsanfälliger und die
Lieferzeiten noch länger? Aber das macht doch nichts - zum Glück habt
Ihr ja immernoch die alten Wagen, die dank ihrer einfachen, robusten
Technik schon dreißig, vierzig, siebzig Jahre rollen und auch noch
ein oder zwei Dekaden mehr laufen werden, meint
Euer Jan Gympel
Jan Gympel
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