Die VBB-Fahrpreise sind schon heute zu
hoch. Der VBB und die Verkehrsunternehmen
rechtfertigen alle Erhöhungen seit Jahren mit
vergleichbar hohen oder gar höheren Tarifen
in anderen Verbundräumen, z. B. Hamburg,
Frankfurt am Main oder München. Unterschlagen
wird dabei, dass in diesen Regionen
die Kaufkraft viel höher ist. Die Berliner und
Brandenburger müssen also mehr arbeiten,
um sich einen Fahrschein oder eine Umweltkarte
leisten zu können als beispielsweise die
Hamburger, Wiesbadener oder Rosenheimer.
Kaufkraftbereinigt sind VBB-Fahrpreise
überdurchschnittlich hoch
Beim 3. Forum Nahverkehr Berlin am 15. September
2014 in der Senatsverkehrsverwaltung
bestätigte der ehemalige Abteilungsleiter
Verkehr, Herr Dr. Friedemann Kunst, die
IGEB-Kritik: „Die kaufkraftbereinigten Fahrpreise
liegen in Berlin bei den Umweltkarten
im oberen Drittel vergleichbarer Städte.“
Die hohen Fahrpreise führen dazu, dass
in Berlin weniger Bahn und Bus gefahren
wird als in anderen Metropolen. Dazu Friedemann
Kunst beim Forum Nahverkehr: „Im
Großstadtvergleich hat Berlin relativ wenige
Fahrgastfahrten je Einwohner, in Wien liegt
der Wert doppelt so hoch.“
Die hohen Fahrpreise begrenzen außerdem
die Zuwachsraten bei den Fahrgastzahlen.
Friedemann Kunst: „Berlin hatte in
den letzten Jahren nur einen beschränkten
Fahrgastzuwachs, der unter dem VDV-Durchschnittswert
lag.“
Wenn der VBB nun auf dem zu hohen
Tarifniveau ab jetzt die Fahrpreise gemäß
Index regelmäßig um die allgemeine Preissteigerungsrate
erhöht, werden Bahnen
und Busse – bezogen auf die Kaufkraft der
Bevölkerung – in Berlin und Brandenburg
dauerhaft zu teuer sein.
Index für Fahrpreiserhöhung ist eine
Mogelpackung
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Einnahmesteigerungen durch Fahrpreiserhöhungen sind in Berlin die Regel, Einsparungen durch Busbeschleunigung leider die Ausnahme. Lieber legt die Politik sich mit den Fahrgästen als mit den Autofahrern an. Foto: Angelo Januschew |
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Grundlage für die Fahrpreiserhöhung zum
1. Januar 2015 wird beim VBB-Tarif erstmals
ein Index sein. Positiv sind die zu seiner
Ermittlung vereinbarten Kriterien. Er wird
zu 83 Prozent durch die Entwicklung der
Lebenshaltungskosten bestimmt und zu je
8,5 Prozent durch die Entwicklung der Kraftstoff-
bzw. Strompreise.
In anderen Verbünden gibt es beispielsweise
eine Koppelung an die Preisentwicklung
der Verkehrsunternehmen, die maßgeblich
durch die Lohnkostenentwicklung
bestimmt wird. Die Lohnkosten aber werden
in den nächsten Jahren wahrscheinlich
deutlich stärker steigen als die allgemeinen
Lebenshaltungskosten.
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Diese Tariferhöhungen entsprechen angeblich einer durchschnittlichen Tariferhöhung von 2,3 Prozent. Alle Werte nach Angaben des VBB. |
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Während der Index für die VBB-Fahrpreise
also anhand nachvollziehbarer Kriterien
ermittelt wird, entzieht sich seine Umrechnung
auf die einzelnen Fahrpreise jeder
Überprüfung. Wie werden die einzelnen Tarife
gewichtet, um am Ende auf einen Durchschnittswert
von 2,3 Prozent zu kommen?
Welche Annahmen werden der Berechnung
zugrunde gelegt hinsichtlich erhöhter oder
verminderter Nachfrage nach einem Tarifangebot?
Inwieweit werden erhöhte Erlöse
durch mehr Fahrgäste berücksichtigt? All
das wird verschwiegen.
Jeder Mathematiker weiß, dass man die für
die Verkehrsunternehmen ergiebigsten Tarife
überdurchschnittlich erhöhen kann und dann
mit den richtigen Annahmen und Wichtungen
am Ende doch auf einen Durchschnittswert
von 2,3 Prozent kommt. Verdeutlicht werden
kann das anhand der für Berlin geplanten Tariferhöhung
(siehe Tabelle).
Fast alle in Berlin gut genutzten Tarife
werden mit Ausnahme der Schülertickets
um mehr als 2,3 Prozent erhöht. Dennoch
gelang es offensichtlich, mithilfe der richtigen
Annahmen am Ende den durch den
Index vorgegebenen Durchschnittswert zu
erreichen.
Fahrgeldmehrerlöse auch ohne
Tariferhöhung
Im Jahr 2013 konnte die BVG ihre Fahrgeldeinnahmen
um 5,8 Prozent steigern. Laut
Geschäftsbericht „konnte der BVG-Konzern
die für das Geschäftsjahr geplanten Fahrgelderträge
(587,5 Mio. EUR) deutlich mit
zusätzlichen 15,0 Mio. EUR übertreffen. …
Die (periodengerechten) Konzernfahrgelderträge
konnten gegenüber 2013 um 32,9
Mio. EUR auf insgesamt 602,5 Mio. EUR (…)
erhöht werden. Dies entspricht einer Steigerung
von 5,8 % (…). Die Erhöhung der
Fahrgelderträge ist unter anderem auf die
zum 1. August 2013 durchgeführte Tarifanpassung
im VBB zurückzuführen.“
Das Beispiel verdeutlicht zum einen, dass
Annahmen falsch sein können. Die BVG erwartete
2012 für 2013 um 3,1 Prozent erhöhte
Fahrgeldeinnahmen, erreichte aber +5,8
Prozent. Zum anderen waren offensichtlich
andere Effekte wichtiger als die Fahrpreiserhöhung,
denn diese erfasste ja nur 5 der 12
Monate und lag laut VBB-Durchschnittswert
angeblich nur bei 2,8 Prozent.
Die Umrechnung des transparent ermittelten
Indexes auf die einzelnen Fahrpreise
ist also eine für Dritte höchst intransparente
Angelegenheit.
Im Übrigen entlässt der Index die Politik
aus der Verantwortung, die Rechtfertigung
einer Fahrpreiserhöhung zu überprüfen und
die Verkehrsunternehmen von vermeidbaren
Kosten zu entlasten, indem beispielsweise
mehr Busspuren geschaffen und Ampeln
mit Vorrangschaltungen für Bus und Straßenbahn
ausgestattet werden.
Wieder kaum strukturelle
Verbesserungen
Während die Verkehrsunternehmen im VBB
sich stets auf eine Fahrpreiserhöhung einigen
können, gelingt es seit Jahren nicht,
Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten im
VBB-Tarif zu beseitigen. Fahrgastwünsche
beispielsweise nach einer vollwertigen Umsteigeberechtigung
für den Kurzstreckentarif
in Berlin oder beliebigen Fahrtmöglichkeiten
innerhalb des 2-Stunden-Fahrscheins
werden ignoriert, obwohl die Fahrgäste in
Berlin mit ihren Tickets immerhin 2/3 des
Etats der Verkehrsunternehmen finanzieren.
Besonders gravierend ist, dass die unverständliche
„Anstoßregelung“ bei den Tarifgebieten
nicht geändert wird (siehe ausführlichen
Bericht in SIGNAL 5/2014).
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Das waren noch Zeiten. Für den 1. Oktober 1989 kündigte die BVG die Einführung der übertragbaren Umweltkarte als Gesamtnetzkarte (für West-Berlin) und damit verbunden eine Preisreduzierung auf 580 DM im Jahr an. Heute ist eine sogenannte VBB-Tarifanpassung immer eine Tariferhöhung. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum die BVG nicht das 25-jährige Bestehen der Umweltkarte feiern wollte. Ein solches Jubiläum zu übergehen und die Stammkunden nicht zu würdigen, zeugt allerdings von schlechtem Marketing. |
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Wie praxisfremd und schwer verständlich
diese Regelung ist, zeigt sich immer wieder
im Alltag. So wurde am 22. Oktober ein Fahrgast
im RE 1 als „Schwarzfahrer“ notiert, weil
ihm für seine Fahrt von Berlin nach Bad Saarow
in Berlin nach Vorzeigen seiner Umweltkarte
AB im personalbedienten Verkauf eine
Tageskarte Erkner—Bad Saarow verkauft
worden war. Richtigerweise hätte er jedoch
zwei Anschlussfahrscheine für den C-Bereich
und eine Tageskarte Fangschleuse—Bad
Saarow kaufen müssen – oder mit der Buslinie
161 bis an die Landesgrenze fahren und
aussteigen müssen, um nach einem Fußweg
über die Grenze an der nächsten Haltestelle
in Erkner wieder einsteigen zu dürfen. Absurd.
Absurd ist auch, dass einerseits die Tarifstruktur
noch immer zu solchen unabsichtlichen
„Schwarzfahrten“ führt, dass andererseits
aber das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“
im Frühjahr 2015 von 40 Euro
auf 60 Euro angehoben werden soll.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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