Schienenverkehrswochen 2014

Künftig ein „Zweirichtungsbetrieb“
Fahrgast-Sprechtag BVG-Straßenbahn 2014

Zum Auftakt der traditionellen Fahrgast-Sprechtage der jährlichen Schienenverkehrs-Wochen ging es um die Straßenbahn der BVG. Am 3. September 2014 kamen Betriebsleiter Jürgen Sember und Torsten Mareck, Abteilungsleiter Fahrbetrieb, ins Fahrgastzentrum nach Lichtenberg, um aus ihrer Arbeit zu berichten und Fragen des Publikums zu beantworten.

In seinem Einführungsvortrag stellte Herr Sember einige Ereignisse aus dem zurückliegenden Betriebsjahr vor. Dabei konnte er „Halbzeit“ bei der Auslieferung der neuen Flexity-Straßenbahnen verkünden, denn von den 142 bestellten Wagen waren bis Ende August 71 Stück in Berlin angekommen. Dabei handelt es sich um 24 lange Einrichtungswagen (F8E), 35 kurze Zweirichtungswagen (F6Z) und 8 lange Zweirichter (F8Z) sowie die vier Prototypen, die inzwischen weitgehend an die Serienfahrzeuge angepasst wurden. Da der kurze Einrichtungswagen nicht in Serie bestellt wurde, ist dieser Prototyp zum fünfundzwanzigsten langen Einrichter umgebaut worden.

Fahrzeuge

Zurzeit und bis in das Jahr 2015 hinein werden weitere lange Zweirichter ausgeliefert, bevor die noch fehlenden Exemplare der anderen beiden Bauarten folgen.

In diesem Zusammenhang stellte Herr Sember dar, dass sich die BVG-Straßenbahn langfristig zu einem Zweirichtungsbetrieb entwickeln wird – angeblich um Kosten zu sparen, was bei den höheren Preisen der ZR-Fahrzeuge sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb ein wenig überzeugendes Argument ist.

Außerdem konnte man den Stand der Ertüchtigung der ersten Niederflurtype GT6N erfahren, wobei aus Kostengründen nicht die vor zwei Jahren angekündigte Vollmodernisierung inklusive des Fahrgastraums umgesetzt wird, sondern lediglich die nicht mehr beschaffbare originale elektronische Steuerung durch eine neue des Fabrikats Cegelec ersetzt wird. Damit hat die BVG eine Chance verpasst, die (nicht nur von der IGEB) mehrfach angesprochenen Mängel der Innenraumgestaltung dieses Typs kostengünstig ohne zusätzlichen Werkstattaufenthalt zu beseitigen.

Leider ist es den Technikern auch nach 35 umgebauten GT6N-Fahrzeugen noch nicht gelungen, das Fahren in Doppeltraktion zu ermöglichen. Das ist besonders schade, weil gerade die Doppeltraktionen aus GT6N als Argument dienten, dass die kurzen Flexitys für die Bildung von langen Zügen nicht einmal vorbereitet wurden. Eine Behebung des Problems bei den GT6N wurde aber für 2015 in Aussicht gestellt.

Straßenbahn Flexicity beim Abbiegen
BVG-Straßenbahn Flexity. Von diesen 40 m langen Zweirichtungsfahrzeugen hat die BVG 48 bestellt, von denen aktuell 23 ausgeliefert sind. Die anderen 25 sollen 2015/2016 folgen. Insgesamt hat die BVG bisher 142 Flexity-Straßenbahnen bestellt, der Rahmenvertrag sieht sogar 206 vor. Doch derzeit tendiert die BVG eher zur Entwicklung der nächsten Fahrzeuggeneration als zum Ausschöpfen des Rahmenvertrages. Foto: Angelo Januschew

Die weitere Fahrzeugbeschaffung nach Ende der laufenden Flexity-Beschaffung soll dann von wenigen großen Flottenteilen zu kleinen, aber kontinuierlich gelieferten Serien wechseln. Damit möchte man sich erstens besser der schnellen technischen Entwicklung anpassen und zweitens flexibel auf die sich ändernden Verkehrsbedürfnisse eingehen können. Das Tauziehen um die benötigten Zuglängen im Verlauf der Flexity-Bestellung ist noch gut in Erinnerung. Um in Zukunft ausreichend lange Züge einsetzen zu können, ist bei der schon jetzt angedachten dritten Niederflurgeneration auch die Beschaffung von 55 Meter langen Einheiten vorgesehen.

Musterbaustelle

Ein Dauerbrenner aus Fahrgastsicht ist die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen und dabei insbesondere der Schienenersatzverkehr (SEV). Auch für die 2014 abgelaufenen Baustellen erntete die BVG wieder Kritik, versprach aber Besserung. Die im Oktober durchgeführte Großbaumaßnahme rings um den Hackeschen Markt sollte nach Herrn Sembers Worten eine Musterbaustelle in Sachen Fahrgast-Information werden. Inzwischen muss rückblickend gesagt werden, dass dieses Ziel trotz positiver Ansätze leider verfehlt wurde (siehe Artikel auf Seite 24).

Fahrscheinautomaten

Weiter im Fokus müssen auch die mangelhafte Ausstattung der Straßenbahnen mit Fahrscheinautomaten und Entwertern bleiben. Das ist erstens beim verfügbaren Stand der Technik ein Armutszeugnis für die BVG und schadet ihr auch täglich finanziell. Gerade im touristisch gut besuchten Innenstadtbereich auf den viel genutzten Linien M 2, M 4, M 10 und M 13 sowie 12 gibt es viele Gelegenheitskunden, die auf funktionierende Vertriebstechnik angewiesen sind und sonst „Schwarzfahrer-wider-Willen“ werden.

Aber wie schon 2013 konnte von der BVG-Straßenbahn nur darauf verwiesen werden, dass die Bestellung der Automaten nicht zusammen mit jener der Fahrzeuge, in denen sie angebracht werden sollen, erfolgte, sondern Sache einer anderen BVG-Abteilung war. Darum wisse selbst der Straßenbahn-Chef nichts über den Fortgang dieser separaten Ausschreibung und künftigen Lieferung.

Infrastruktur

Das Thema Infrastruktur nahm beim Sprechtag 2014 erstaunlich wenig Raum ein, denn mangels weiterer konkreter Neubauvorhaben stand hier nur die für Dezember geplante Eröffnung der Strecke zum Hauptbahnhof zur Diskussion. Aber ob es tatsächlich dazu kommt, war zum Zeitpunkt des Sprechtages noch unklar.

Auch bei der zweiten aktuellen Ausbaumaßnahme, der neuen Endstelle an der Wuhlheide für Verstärkerfahrten zur Hochschule für Technik und Wirtschaft, konnte Herr Sember beim Sprechtag noch kein Datum nennen, weil es bei den Weichen Lieferverzögerungen aufgrund der deutschlandweiten Entwicklung im Zusammenhang mit dem von der Deutschen Bahn angeklagten Schienenkartell gab. Inzwischen ist diese Baustelle aber erfolgreich abgeschlossen, so dass die BVG seit 24. November in der Vorlesungszeit montags bis freitags von ca. 7 bis ca. 19 Uhr auf der Linie 67 auf dem Abschnitt zwischen S-Bahnhof Schöneweide und Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) einen 10- statt 20-Minuten-Takt anbieten kann.

Personalknappheit

Ein paar andere interessante Zahlen nannte Abteilungsleiter Torsten Mareck. Um der anhaltenden Personalknappheit zu entgehen, die auch schon zu Zugausfällen führte, wurden allein 2014 im Fahrdienst 55 neue Stellen ausgeschrieben. Weitere Ausschreibungen werden in den nächsten Jahren folgen. Die Stammkunden können das aufgrund der intensiven Werbekampagne für eine Karriere bei der BVG auch gut verfolgen – leider manchmal auch bei Großbaustellen, wenn in den elektronischen Haltestellen-Anzeigern statt der nötigen Verkehrshinweise die Ausbildungswerbung läuft.

Aber auch in einer so großen Stadt wie Berlin ist es offenbar nicht so einfach, solche Stellen schnell genug zu besetzen, denn von den über 1000 Bewerbern mussten etwa drei Viertel wegen fehlender Zugangsvoraussetzungen schon im Vorfeld aussortiert werden. Und von den dann Verbliebenen fangen bekanntlich stets mehr den Lehrgang an, als ihn beenden.

Doch ausreichend Fahrpersonal und ausreichend Fahrzeuge sind zwingend erforderlich, um die Anforderungen der wachsenden Stadt Berlin zu erfüllen. So ermöglichen zusätzliche Gelder des Landes Berlin zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 auch bei der Straßenbahn weitere Angebotsverbesserungen. Auf der M 10 wird der 5-Minuten-Takt abends verlängert und die Linie 21 fährt endlich an allen Tagen auf der gesamten Linie bis Mitternacht. (af)

Die Präsentation zum Fahrgast-Sprechtag steht im Internet unter www.igeb.org/svw-vortraege.html bereit.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 6/2014 (Dezember 2014), Seite 22-31

 

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