Berlin

Wowereit geht – und das ist auch gut so

Im Dezember 2014 gibt es im Berliner Senat Veränderungen, wie in der Regel nur nach Wahlen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit geht, und mit ihm sein Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Auch der Posten des Senators für Stadtentwicklung und Umwelt – zuständig auch für Verkehr – wird frei, da der seit Dezember 2011 amtierende Michael Müller Regierender Bürgermeister wird.

Alle drei SPD-Politiker haben fraglos viel für Berlin geleistet. Sieht man sich ihr Wirken aber aus verkehrspolitischer Sicht an, fällt die Bilanz ganz anders aus.

Am längsten im Amt war Klaus Wowereit, der im Juni 2001 erstmals zum Regierenden Bürgermeister gewählt wurde. Die nicht absehbare Fertigstellung des neuen Flughafens BER ist auch sein Desaster. Monat für Monat werden hier Millionen verbrannt, die für andere Verkehrsprojekte fehlen. Die „Krönung“ seines Versagens war die zu späte Absage des zweiten geplanten Eröffnungstermins. Am 8. Mai 2012 sagte er die Eröffnung zum 3. Juni ab und tat dabei überrascht, obwohl er, wie im November 2014 bekannt wurde, schon lange vorher wusste, dass der Eröffnungstermin sicher oder höchstwahrscheinlich nicht zu halten ist. Außerdem ist Klaus Wowereit dafür mitverantwortlich, dass die für eine attraktive und leistungsfähige Bahnanbindung des Flughafens erforderliche Dresdener Bahn noch auf Jahre hinaus nicht zur Verfügung stehen wird. Denn sein Senat hatte die Planfeststellung für einen oberirdischen Ausbau entscheidend verzögert, um für Lichtenrade, wo Wowereit aufwuchs, eine Tunnelführung zu erzwingen.

Wowereit
Klaus Wowereit, von 2001 bis 2014 Regierender Bürgermeister von Berlin. © Superbass – CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Aus Autofahrersicht hat Klaus Wowereit sich Verdienste erworben, als er den Weiterbau der Stadtautobahn A100 gegen massive Widerstände durchsetzte. Denn 2009 hatte sich ein SPD-Landesparteitag mehrheitlich dagegen ausgesprochen und diesen Beschluss erst 2010 durch massiven Druck des Regierenden Bürgermeisters mit knapper Mehrheit revidiert. 2011 lies Wowereit für die Autobahn dann auch die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen platzen, obwohl seine Genossen die Koalition mit den Grünen mehrheitlich wollten. Aus Umwelt- und Fahrgastsicht hat Klaus Wowereit mit dieser Politik den Weg bereitet für ein extrem teures und Stadtstrukturen zerstörendes Projekt, mit dem Autoverkehr in die Berliner Innenstadt gezogen wird und Verkehrsprobleme nicht gelöst, sondern geschaffen werden. Das zeigt sich aktuell in den Forderungen von SPD und CDU, schnellstmöglich die nächste Autobahnverlängerung von Treptower Park zur Frankfurter Allee zu bauen. Der Nachfolger von Senator Müller, Lichtenbergs bisheriger Bürgermeister Andreas Geisel, setzte noch einen drauf und forderte die Autobahnverlängerung bis Pankow. Offensichtlich gehört auch er zu denen, die den (Alb-)Traum von der autogerechten Stadt nicht aufgeben wollen.

Auch die viel zu späte Ausschreibung der Berliner S-Bahn mit all den negativen Folgen ist maßgeblich ein „Verdienst“ von Klaus Wowereit, der im Verbund mit Michael Müller, damals noch SPD-Fraktionsvorsitzender, die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer in ihren Bemühungen um die S-Bahn-Zukunft ausbremste. Dritter Bremser im Bunde war Finanzsenator Ulrich Nußbaum, seit Mai 2009 im Amt. Er verhinderte, dass Berlin nach niedersächsischem Vorbild einen landeseigenen Fahrzeugpool für die S-Bahn bildete. Das hätte Zeit gespart und mehr Bewerber angelockt. So aber bewirbt sich jetzt nur noch die Deutsche Bahn. Doch auch sie wird durch den mehrjährigen Zeitverzug Schwierigkeiten haben, rechtzeitig ausreichend neue Züge als Ersatz für die auszumusternden zu bekommen.

Auch sonst hat Senator Nußbaum eher gegen als für den öffentlichen Verkehr gearbeitet. Im Verkehrsvertrag mit der BVG ist berücksichtigt, dass die BVG die erforderlichen Busse selbst beschafft, während Straßenbahn- und U-Bahn-Fahrzeuge vom Land bezahlt werden. Um sich diese Ausgaben zu sparen, legte Nußbaum gegen den Widerstand von Senatorin Junge-Reyer fest, dass die von der S-Bahn GmbH aufgrund nicht erbrachter oder schlechter Leistungen einbehaltenen Millionen nicht für andere Verkehrsleistungen oder -projekte ausgegeben werden dürfen, sondern für neue U-Bahn-Fahrzeuge angespart werden. So musste er für diese Pflichtaufgabe (vorübergehend) keine Gelder aus dem Landeshaushalt einplanen.

Nur wenige Male konnte sich die Verkehrssenatorin gegen Nußbaum durchsetzen, so beim Einsatz von einbehaltenen S-Bahn-Geldern für die Sanierung der Uferbahn (BVG-Straßenbahnlinie 68).

Aus Fahrgastsicht darf man also froh sei, dass Klaus Wowereit und mit ihm Ulrich Nußbaum gehen. Aber für den Ausblick bleibt nur das Prinzip Hoffnung: Irgendwann muss doch auch die Berliner SPD die Notwendigkeit von attraktivem öffentlichem Verkehr erkennen.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 6/2014 (Dezember 2014), Seite 23

 

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