|
Drei Tage vor Weihnachten bescherte die BVG ihren Fahrgästen erneute
umfangreiche Linien- und Fahrplanänderungen. Anlaß war dieses Mal der
Lückenschluß auf dem S-Bahn-Südring zwischen Treptower Park und Neukölln,
doch die BVG-Änderungen gehen weit darüber hinaus. Ein neues Liniennetz
und ein neues Kursbuch gibt es dennoch nicht, stattdessen einen weiteren
immerhin 400 Seiten starken Nachtrag zum Kursbuch. Weil die "technischen
Probleme", die bereits im Mai dazu führten, daß die Fahrpläne des
Regionalverkehrs der DB AG nicht im BVG-Kursbuch veröffentlicht wurden, in
den letzten Monaten offensichtlich nicht behoben werden konnten, müssen
sich die Fahrgäste den für sie gültigen Fahrplan nun aus noch mehr
Fahrplanbüchern zusammensuchen. Besser haben es da Menschen mit PC,
denn für sie ist eine neue Version des Fahrinfo erschienen. Die
Disketten kosten 29,90 DM.
Nicht nur Kreuzberger Nächte sind lang
|
Während im BVG-Tagesverkehr bei den Bussen - bisher noch - der 10- und 20-Minuten-Takt dominieren, haben die parallel verkehrenden Linien 149 und X49 sowie der neue X34 beim kleinen Fahrplanwechsel am 21. Dezember Grundtakte von jeweils 15 Minuten erhalten. Das paßt eher zum Nachtverkehr mit seinem Grundtakt von 30 Minuten. Foto: Marc Heller |
|
Passend zur dunklen Jahreszeit hat auch die BVG lange Nächte eingeführt, aber
nicht in Kreuzberg, sondern im gutbürgerlichen Bezirk Reinickendorf. Dort
fährt die Nachtbuslinie N 20 jetzt schon im Spätverkehr ab 20 Uhr von Wittenau
über Hermsdorf nach Frohnau. Stattdessen fällt der 225er weg, und der 125er
aus Richtung Frohnau fährt nur noch bis zum S-Bf Eichborndamm statt bis
zum Eichhorster Weg in Wittenau. Dorthin fährt jetzt die Linie N 20. Auch
wenn positiv vermerkt werden kann, daß die BVG sehr kreativ ist, um das
Busangebot zu halten, so darf dies dennoch keine Strategie für das
Gesamtnetz sein.
Und es widerspricht natürlich auch dem Produktmarketing, wenn die
einzelnen Nachtlinien künftig an unterschiedlichen Tagen zu unterschiedlichen
Zeiten und teilweise auch noch auf unterschiedlichen Routen fahren.
Änderungen gab es auch im "echten" Nachtbusverkehr. Der östliche Stadtrand
ist jetzt fast vollständig mit Haustürservice-Zonen überzogen, da nun auch
die Linie N 69 in Kaulsdorf-Süd von der Route abweichen kann. Damit
unterstreicht die BVG, daß sich das System "Haustürservice" bewährt hat.
Vielleicht wäre das ja auch eine Idee für den nördlichen Berliner Stadtrand.
Statt die Fahrgäste mit einem vorgezogenen Nachtverkehr
zu verwirren, wäre ein Haustürservice für Hermsdorf und Frohnau sinnvoller.
Die Konkurrenz zur S-Bahn macht's möglich
Was bei der BVG jahrelang nicht möglich war, erfolgte nun kurz vor der
Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Pichelsberg: die Einrichtung eines
Express-Busses X 34 zwischen Zoologischer Garten und Kladow über Kant- und
Heerstraße. Bisher war es doch ein wenig aufwendig, von der Berliner City
über Spandau nach Kladow zu fahren. Nachdenklich stimmt allerdings der
zeitliche Zusammenhang zur S-Bahn-Wiederinbetriebnahme. Sieht die BVG den
Bus wirklich als Zubringer mit Umsteigemöglichkeit am S-Bf Heerstraße, oder
feiert hier die Idee vom Parallelverkehr Bus/S-Bahn fröhliche Urständ?
Gewöhnungsbedürftig an der neuen Verbindung ist die Vertaktung des X 34 mit
den parallel verkehrenden Linien 149 und X 49, da der Grundtaktallerdrei
Linien 15 Minuten beträgt. Daspaßt eher zum Nachtverkehr mit seinem
Grundtakt von 30 Minuten, während im Tagesverkehr - bisher noch -
der 10- und 20-Minuten-Takt dominieren.
Verkehrte Welt
|
Unverständlich und sehr ärgerlich ist die Umstellung der „Ku'damm-Linien“ auf einen 12-Minuten-Grundtakt. Abgesehen davon, daß dieser schwer im Kopf zu behalten ist, führte die Änderung zu Überlastungen auf den innerstädtischen Abschnitten, während der Bus 219 in Eichkamp ein nicht zu rechtfertigendes Überangebot fährt, insbesondere nach Wiederinbetriebnahme der S-Bahn. Foto: Marc Heller |
|
Eine besonders schöne Bescherung in Form einer Route präsentierte die BVG mit
der Wiedereinführung des 12-Minuten-Taktes, der zu keinem der in Berlin
üblichen Takte paßt. Ausgerechnet die abschnittsweise über den Ku'damm
fahrenden Vorzeige-Buslinien 119,129 und 219 wurden vom bisherigen 10-Minuten-
auf einen 12-Minuten-Grundtakt umgestellt. Daß dieser zumindest im
Weihnachts-Einkaufsverkauf nicht ausreichend ist und folglich schon am
ersten Tag zu völlig überfüllten Bussen führte, konnten die
BVG-Schreibtisch-Experten an der Potsdamer Straße natürlich nicht ahnen.
Aber was auf dem Kurfürstendamm und auf dem eigentlich straßenbahnrelevanten
Kreuzberger Abschnitt des 129ers nun als Folge der Ausdünnung an Plätzen
fehlt, das wird jetzt in Eichkamp zusätzlich leer durch die Gegend gefahren:
Der Takt des 219ers wurde hier ganztägig von 20 auf 12 (!) Minuten verdichtet.
So etwas ist in der Form wohl nur im nachkriegsgeschädigten Berlin möglich:
Anstatt die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Eichkamp für eine Neuordnung
des Busliniennetzes in diesem Stadtteil zu nutzen (etwa um die seit
Jahrzehnten fehlende lokale Verbindung Richtung Kaiserdamm und U-Bahn-Linie 2
herzustellen), wird eine im wesentlichen mit gleichem Zielgebiet wie die
S-Bahn verkehrende Buslinie auch noch verstärkt - und das mit einer
Fahrzeugfolge, die einen Umsteigeanschluß von und zur im 10-Minuten-Takt
verkehrenden S-Bahn zum Zufallsereignis werden läßt.
|
„Die einzigartige Stadtrundfahrt“ verspricht ein BVG-Werbeprospekt allen Berlin-Touristen. Einzigartig ist auch diese im Prospekt enthaltene Karte der Linienführung. Wer versucht, sich mit Hilfe dieser Karte zu orientieren, dürfte scheitern. AberTouristen kann man solchen Unfug zumuten, glaubt die BVG anscheinend. Foto: Fotograf |
|
Angesichts der vom Berliner Senat zu verantwortenden fatalen Streichungen im
Verkehrsangebot der BVG ist es umso bemerkenswerter, daß drt Verkehrsbetrieb
gerade dann noch Kapazitäten freimachen kann, wenn er auf bestimmten
Relationen in Konkurrenz zur S-Bahn treten will. Einige West-Berliner
BVG-Spezialisten scheinen das Ende des "kalten Krieges" noch immer nicht
mitbekommen zu haben.
IGEB
|