Das ist im Prinzip so neu nicht, die Marketingfachleute von
Verkehrsunternehmen sind bekannt dafür, „griffige" Slogans zu kreieren; wir
erinnern uns noch dunkel an die „Drei S: Sicherheit, Sauberkeit und
Schnelligkeit". Diesmal umfaßt das Programm die „Immer-besser-Verpflichtung",
garniert mit der „Saubere-Sachen-“ und „Fahrzeit- Garantie".
Über die Qualität dieser Bezeichnungen vor dem Hintergrund der deutschen
Sprache läßt sich sicher streiten, unstrittig ist allerdings, daß diese
Idee der BVG einige positive Denkansätze enthält. Interessant ist vor allem,
daß die BVG-Kunden im Rahmen der beiden Garantieerklärungen Anspruch auf
Geldleistungen geltend machen können.
Die Reaktion in den Medien reichte - je nach Temperament der
Journalisten -von „Abwarten“ bis hin zu „Mogelpackung“, „Totaler
Blödsinn" und „Kundenverdummung“. Insbesondere in den Blättern mit den
etwas größeren Überschriften kamen reihenweise empörte Fahrgäste zu Wort, die
forderten, „anstatt für derartigen Unsinnn Geld auszugeben, lieber die
Fahrpreise zu senken“, bzw. „lieber pünktlich zu fahren“.
Der Berliner Fahrgastverband bemüht sich, die Angelegenheit etwas
differenzierter
zu betrachten. Das Argument einer möglichen Fahrpreissenkung läßt sich relativ
leicht entkräften:
Wenn diese Aktion erst einmal richtig läuft - das dürfte nach ca. vier bis
sechs Monaten der Fall sein - ist davon auszugehen, daß die BVG pro Jahr
maximal 4-7 Millionen DM aufwenden muß, um die berechtigten Ansprüche zu
erfüllen. Dieser Betrag ist im Vergleich zum Gesamtetat (inkl. Defizit) der
BVG derartig gering, daß eine Verbilligung der Fahrpreise mit diesem
Geldbetrag gar nicht darstellbar wäre.
Zunächst - ein Ausflug auf die juristische Seite
Hierzulande kommt jeder in seinem Leben mit Kaufverträgen (nach deutschem
Recht) in Berührung: Käufer K sagt zu Verkäufer V: „Ich möchte dieses
Straßenbahnmagazin/diesen Playboy erwerben", der Verkäufer V sagt „Ja, gerne",
darufhin wechseln Geld und Straßenbahnmagazin/Playboy den Besitzer.
Das BGB enthält eine Fülle von Regeln, die sich nur mit dem Zustandekommen von
Verträgen und der Behandlung schuldrechtlicher Verhältnisse (z.B. Kauf)
befassen. Insbesondere wenn die erworbene Ware mangelhaft ist (z.B. die
wesentlichen Fotos im Straßenbahnmagazin/Playboy sind fehlerhaft gedruckt),
werden dem Käufer eine Reihe von Möglichkeiten eingeräumt, für sein gutes
Geld auch gute Gegenleistung zu verlangen (Wandlung, Minderung,
Nachbesserung).
|
Foto: IGEB |
|
Leider ist der rechtliche Kontakt zu Verkehrsunternehnmen nicht derartig
umfassend und kundenfreundlich geregelt. Das liegt zum einen im
Vertragsgegenstand (eine Fahrt mit dem Bus ist eben keine „Sache" im
juristischen Sinn), zum anderen an dem Umstand, daß die Gesetzgebung in
Gestalt des einschlägigen Personenbeförderungsgesetzes den Fahrgast nicht als
Kunden, der irgendetwas verlangen darf, wahrnimmmt. Das stammt noch aus der
Zeit, in der Beförderungsunternehmen größtenteils staatlich bzw. kommunal
waren, und die (staatliche) Gesetzgebung in ihrem Sinne erfolgte. Daher: wenn
Kunde K sich einen Fahrschein kauft, dann erwirbt er damit keinen Anspruch,
wie z.B. „Du BVG-vertreten durch Deinen Busfahrer X-wirst mich am 11.11. um
11:11 von der Haltestelle U-Bf Kleistpark abholen und mich 10 Minuten später
am Rathaus Friedenau absetzen". Schön wäre es - der Irrtum ist auch
entsprechend weit verbreitet.
Die Rechtslage sieht ganz anders aus. Mit dem Fahrschein erwirbt der
zukünftige Fahrgast erstmal keine Rechte, da der eigentliche
Beförderungsvertrag erst mit dem Betreten des Verkehrsmittels zustande kommt.
Und erst dann
spielt der Fahrschein eine Rolle ! Mit anderen Worten: der Fahrschein nützt
dem Fahrgast, während er an der Haltestelle frierend wartet, garnichts. Er hat
keinen einklagbaren Anspruch darauf, daß überhaupt ein Bus kommt, geschweige
denn, daß dieser pünktlich ist. Und wenn der Bus/die Bahn endlich da ist,
heißt das nicht unbedingt, daß der Fahrgast mitfahren darf- Stichwort
Überfüllung. Erst wenn es dem Fahrgast gelungen ist, den Bus/die Bahn zu
betreten, ist eine vertragliche Beziehung zustande gekommen, aus der sich
auch jetzt schon gewisse Ansprüche, z.B. auf Schadensersatz aus vertraglicher
Beziehung ableiten lassen. Insofern ist das Angebot der BVG in der Tat eine
freiwillige Zusatz-Verpflichtung, die über die gesetzlichen Vorgaben
deutlich hinausgeht - und als solche nachdrücklich zu begrüßen.
Was bringt es nun dem Kunden?
Es bleibt abzuwarten, wie die BVG auf die eingehenden Erstattungswünsche
reagieren wird. Die Beweislast liegt auf jeden Fall beim Kunden (deshalb
sind Zeugen unter Umständen hilfreich), insbesondere ist aber die Auslegung
der Floskel durch uns zu vertretende Verschmutzung/Verspätung ..." der
Knackpunkt.
Wenn ein U-Bahn-Zug frisch aus der
Betriebswerkstatt Britz kommt, dürfte die Sachlage klar sein - Erstattung
der Reinigungskosten. Keine Erstattung dagegen, wenn die ursächliche
Verschmutzung des Fahrzeuges unmittelbar während der Fahrt erfolgte. Wie aber
sieht die Anspruchslage aus, wenn zwischen der Verunreinigung und der
Verschmutzung der Kleidung mindestens eine Wendezeit lag? Ist das dann
bereits „durch die BVG zu vertreten"? Immerhin hätte die BVG bei
dieser Gelegenheit die Verschmutzung beseitigen können.
Wenn ein Betriebshof Fahrten wegen Personalmangels ausfallen läßt, oder ein
Straßenbahnzug mit technischen Problemen liegenbleibt (soll alles schon
vorgekommen sein), ist der Fall auch einfach - Erstattung der Fahrtkosten.
Ebenso bei den ausnahmslos durch das Unternehmen zu vertretenen Verfrühungen.
Die allermeisten Verspätungen und Ausfälle (über 97% aller Vorfälle) kommen
in Berlin aber durch das Einwirken des „nicht von der BVG zu vertretenen"
MIV auf Busse und Bahnen zustande - und das heißt keine Erstattung.
Und hier liegt das eigentliche Problem der Fahrplan-Garantie: eine
Garantie, die nur in der absoluten Minderzahl der Fälle greift, ist natürlich
nicht besonders wertvoll... Richtig interessant wird es, wenn
zukünftig eventuelle Erstattungsbeträge aus den Etats (Sozialetat?) der
verantwortlichen Betriebshöfe gezahlt werden. Wenn die Finanzierung der
Weihnachtsfeier des Hofes auf dem Spiel steht, dürfte die Bearbeitung
der Ansprüche etwas „zurückhaltend" erfolgen.
Übrigens hat es die Praxis der Erstattung von Reinigungs- bzw. Taxi kosten
bereits in der Vergangenheit in sehr begrenzten Umfang gegeben. Das wirklich
neue an diesem öffentlichen Garantieversprechen ist daher nach Auffasssung
der IGEB die Tatasache, daß das bisherige - eher willkürlich gehandhabte -
Verfahren auf eine formale Grundlage gestellt wird, die vor allem den Kunden
aus der Position des einen Gnadenakt erbittenden Petenden befreit.
Die „Immer-besser- Verpflichtung"
Auch wenn es schön ist, diese Punkte endlich einmal schwarz auf weiß zu
sehen - die BVG nennt in dem zehn Punkte umfassenden Katalog absolute
Selbstverständlichkeiten, bei denen sich der unvoreingenommene Fahrgast
zu Recht fragt: „Warum machen die das eigentlich nicht
schon längst ?!"
Immerhin stellt die Nennung ein Anerkenntnis der Forderungen der Fahrgäste
dar - und das ist positiv zu werten. Das betrifft z.B. das Fahren des
Fahrplanangebotes ebenso wie die absolute Selbstverständlichkeit der
Bahnhofs-/Haltestellenansagen (werden eigentlich die Züge der U-Bahn-Baureihe
D, in denen keine Ansage möglich ist, daraufhin aus dem Verkehr gezogen ?).
Es fällt allerdings auf, daß die Punkte
- Unsere Mitarbeiter sind immer für Sie da !
- Wir sorgen für die Einhaltung des Rauchverbotes auf unseren unterirdischen
U-Bahnhöfen !
nicht genannt werden.
Das ist nach der totalen Pleite mit dem Bahnhofs-Manager-Modell der
U-Bahn auch kein Wunderman findet einfach keine Mitarbeiter mehr, die
Auskunft geben/helfen könnten. Und die Durchsetzung des Rauchverbotes
stellt die BVG bei der schlichten Ausübung ihres Hausrechtes seit
Jahren erkennbar vor Probleme.
Das Fazit
Die BVG hat in punkto Kundenorientierung in der jüngeren Vergangenheit
beachtliche Fortschritte erzielt. Andererseits
bleibt noch immer sehr viel zu tun. Der Berliner Fahrgastverband wird
die Praxis der Behandlung von Garantieforderungen kritisch beobachten
und begleiten.
Berücksichtigt werden muß in dem Gesamtbild natürlich der erhebliche
Einfluß der Politik auf das Feld des ÖPNV. Das beginnt bei den
Zuschußkürzungen durch den Senat, schließt die unbelehrbare Bevorzugung
des MIV ein, und hört bei der Priorisierung unsinniger Verkehrsbauten nicht
auf. Solange sich an diesen Verhältnissen nichts ändert, können selbst
gutwillige Verkehrsunternehmen nur Flickwerk leisten.
IGEB
|