Nahverkehr

Die Bahnstrecke Stendal - Tangermünde oder:
Auf zwei Etagen durch die Altmark

Die Bahnstrecke von Stendal nach Tangermünde erlebt derzeit ihren zweiten Frühling; werfen wir aber zunächst einen Blick in die Geschichte der über zehn Kilometer langen Kleinbahn. Schon im Jahr 1840 gab es Planungen zum Bau einer Hauptbahn von Berlin nach Hamburg überTangermünde und Stendal, diese wurden aber wenig später wieder verworfen.

Bewegung in die Bahngeschichte kam aber erst im Jahr 1884 mit der Gründung der Stendal-Tangermünder Eisenbahn-Gesellschaft. Nach rund einjähriger Bauzeit konnte die Strecke am ersten April 1886 der Öffentlichkeit übergeben werden. Im Hinblick auf andere Klein- und Nebenbahnen in Deutschland überrascht das für damalige Zeiten gute Fahrplanangebot, so verkehrten beispielsweise 1924 immerhin sechs Zugpaare täglich im Personenverkehr. Neben Dampfzügen war seit Anfang der dreißiger Jahre auch ein Dieseltriebwagen im Einsatz.

Doppelstocktriebwagen Alma (Altmark) im Bahnhof Stendal am 12.7.1997
Doppelstocktriebwagen Alma (Altmark) im Bahnhof Stendal am 12.7.1997 Foto: DBV

Im Jahr 1944 kam es zu einem (kriegsbedingten) Lückenschluß über die Elbe zwischen Tangermünde und Fischbeck über die vorhandene Straßenbrücke. Man wollte eine Entlastungsstrecke im Falle der Zerstörung der Brücke bei Hämerten behalten. Diese Strecke diente aber nur Betriebsfahrten. Fahrplanmäßiger Personenverkehr fand nicht statt. Im April 1945 wurde die Brücke durch die deutsche Wehrmacht gesprengt. Kurz nach dem Krieg tauchte die Strecke kurzzeitig nochmals aus der Versenkung auf. Lt. Taschenfahrplan der RBD Magdeburg vom Juli 1946 verkehren zwei Personenzugpaare Richtung Jerichow. Unklar ist, ob die Züge wirklich die Elbe überquert haben, oder ob sie am östlichen Brückenkopf kurz vor Tangermünde geendet haben. (Hier würde sich die Redaktion über nähere Hinweise freuen.) Im Jahr 1949 wurde die Bahnstrecke Stendal - Tangermünde von der Deutschen Reichsbahn übernommen. Acht bis zehn Zugpaare verkehrten werktäglich. Die Fahrzeit betrug 18-24 Minuten.

Doppelstocktriebwagen in Tangermünde am 12.7.1997
Doppelstocktriebwagen in Tangermünde am 12.7.1997 Foto: DBV

Seit dem ersten Juli 1997 verkehren die Züge auf der gesamten Strecke im Stundentakt bis 21.00 Uhr. Das Auswendiglernen des Fahrplanes ist somit überflüssig geworden. Zusätzlich verkehrt ein weiteres Zugpaar am späten Abend außerhalb des Taktes. Die Anfang der neunziger Jahre eingesetzten modernisierten Leichtverbrennungstriebwagen („Ferkeltaxen") werden seitdem 11. Juli 1997 von einem Doppelstocktriebwagen der BR 670 abgelöst. Obwohl es sich bei diesem Fahrzeug ebenso wie bei dem LVT um eine zweiachsige Konstruktion handelt, überzeugt er doch durch gute Laufund Fahreigenschaften. Der aus Fahrgastsicht einzige Nachteil ist jedoch die fehlende Toilettenanlage, zumal auch in Tangermünde keine Möglichkeit besteht, am Bahnhof „seinen Bedürfnissen" nachzukommen. Im Hinblick auf die kurze Streckenlänge ist dieser Mißstand gerade noch zu verschmerzen, dies sollte aber eine absolute Ausnahme bleiben. Die NASA (Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH), welche Nahverkehrsleistungen bei der DB AG oder anderen Verkehrs-Unternehmen bestellt, hat mit der Strecke noch viel vor. So soll beispielsweise zum Fahrplanwechsel 1998 der Haltepunkt Tangermünde West in Betrieb genommen werden. Ebenso wurde für das Jahr 1998 bei der DB eine Streckenverlängerung mit einer neuen Zustiegsmöglichkeit Tangermünde Nord bestellt. Dieser Haltepunkt befindet sich dann in Elbnähe und würde einen guten Anschluß an die Fahrgastschiffe gewährleisten. Dieser Schritt ist aber in Verbindung mit einer Erhöhung der Streckengeschwindigkeit zu sehen (z. Z. ca. 50 km/h), da die bisherige Wendezeit in Tangermünde fünf Minuten beträgt und sich durch den zusätzlichen Halt in Tangermünde West noch verringern wird. Allerdings steht ein Termin für die Bauarbeiten zur Erhöhung der Geschwindigkeit derzeit noch nicht fest.

Kartenausschnitt

Die insgesamt positive Entwicklung wird jedoch durch einen Nachteil getrübt: Durch den dichten SPNV-Takt ist die eingleisige Strecke nach Tangermünde für Güterzüge tagsüber unpassierbar geworden. Die Güterverkehrsbedienung der Gleisanschließer im Hafenbereich von Tangermünde mußte mit Einführung des neuen Zugangebotes auf die Nachtzeiten verlegt werden. Zum 1. Januar 1998 wurde die Güterverkehrsbedienung wegen des deutlich höheren Aufwandes schließlich ganz eingestellt. Der DBV strebt in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kunden, der DB AG, der IHK und dem Land eine Lösung zur Wiederaufnahme des Güterverkehrs an.

DBV Altmark-Börde-Ostharz

aus SIGNAL 1/1998 (Februar 1998), Seite 16-17

 

Die Jahrgänge



Die SIGNAL-Jahrgänge in der Übersicht:

» 2023
» 2022
» 2021
» 2020
» 2019
» 2018
» 2017
» 2016
» 2015
» 2014
» 2013
» 2012
» 2011
» 2010
» 2009
» 2008
» 2007
» 2006
» 2005
» 2004
» 2003
» 2002
» 2001
» 2000
» 1999
» 1998
» 1997
» 1996
» 1995
» 1994
» 1993
» 1992
» 1991
» 1990
» 1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
» 1981
» 1980
ANZEIGE

aktuelles Heft

TitelbildSeptember 2023

komplettes Heft »

Die Themen der aktuellen Ausgabe 03/2023:

» Straßenbahneröffnung zum U-Bf. Turmstraße
» M4: Zwei Jahre „Bau”-Fahrplan
» Perlen vor die Schnüre: Gute Linienperlschnüre leicht verständlich gestalten
» Zugausfall bei einem Rail&Fly-Ticket
» Deutschlandticket – das Sommermärchen muss fortgeführt und weiterentwickelt werden
» Drei Thesen zum Deutschlandticket



neu hier?
Links lesen Sie einen Artikel aus dem Internetarchiv der Fachzeitschrift Signal, die sich mit Verkehrspolitik für Berlin und Deutschland auseinandersetzt.

Auf signalarchiv.de finden Sie zusätzlich zu ausgewählten Artikeln aus dem aktuellen Heft auch viele ältere Artikel dieser Zeitschrift.





Kontakt - Abo - Werbung - Datenschutz - Impressum
Herausgeber: Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange Berlin e.V.
  © GVE-Verlag / signalarchiv.de / holger mertens 2008-2013 - alle Rechte vorbehalten