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Immer wieder kommen dem Deutschen Bahnkunden-Verband e.V. (DBV) zu Beginn
einer neuen Fahrplanperiode der Deutschen Bahn AG kristische Hinweise und
Beschwerden auf den Tisch, die sich auf verschiedene Unzulänglichkeiten bei
der Gewährleistung eines reibungslosen Umsteigebetriebes auf größeren
Bahnhöfen bzw. auf die Absicherung der Zuganschlüsse beziehen. Leider muß dazu
von vornherein festgestellt werden, daß auch mit der Einrichtung des
Integralen Taktverkehrs zu Beginn des Fahrplan-Jahresabschnittes 1997/98 die
auftretenden Erschwernisse für bestimmt Gruppen von Reisenden nur zum Teil
beseitigt werden konnten und eine Reihe von diesbezüglichen Wünschen offen
geblieben ist. Der DBV hat deshalb in Vertretung der kritischen Vorstellungen
und Hinweise der Fahrgäste des Deutschen Bahn AG am Beispiel des
Hauptbahnhofes Gera eine auf den Kern dieser Beschwerden gerichtete Analyse
vorgenommen und ist von deren Ergebnisse überrascht worden.
Durch graphische Gegenüberstellung der Ankunfts- und Abfahrtszeiten der den
Hauptbahnhof der Stadt berührenden Züge des öffentlichen Personennah- und
Fernverkehrs wurde es möglich, eine Reihe von Zusammenhängen der derzeitigen
Fahrplangestaltung (Jahresfahrplan 1997/98) mit den gegenwärtig zu
beobachtenden Problemen einer unzureichenden Attraktivität des
schienengebundenen Personennahverkehrs deutlicher als bisher herauszuarbeiten.
Die Lage des Hauptbahnhofes Gera im Streckennetz der Deutschen Bahn AG war
dabei für die Durchführung der Untersuchung deshalb besonders interessant,
weil der den Hauptbahnhof Gera
berührende Fahrgaststrom nicht nur durch seine von der Einwohnerzahl des
gesamten städtischen Siedlungsgebietes abhängigen Größe eine wesentliche
Quell- und Zielfunktion im Nah- und Fernverkehr besitzt, sondern weil gerade
auch der Hauptbahnhof Gera als Kreuzungs- bzw. Schnittpunkt mehrerer
Eisenbahnstrecken mit überregionaler, landesweiter und gesamtstaatlicher
Bedeutung einen beachtenswerten Umsteigeverkehr zu verzeichnen hat.
Dabei muß gegenwärtig noch eingeräumt werden, daß zwar auf Grund der
technischen Ausrüstung der in Gera insgesamt einmündenden bzw. abgehenden
Strecken kein ausgesprochener und zugleich attraktiver Fernrreiseverkehr in
deren Bereich erfolgt, andererseits aber doch der überregionale und der die
Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verknüpfende
Weitstrecken-Personenverkehr in erheblichem Maße die Größenordnung der
insgesamt zu verzeichnenden Fahrgastzahlen mitbestimmt. Der gegenwärtig
gültige Fahrplan trägt mit seinen in diesem Jahr nochmals erweiterten Angebot
an Regionalexpresszügen und den durch weitere Zugpaare ergänzten
Interregio-Verbindungen den offfensichtlich vorhandenen Bedürfnissen eines
großen Kreises potentieller Fahrgäste und Bahnkunden durchaus Rechnung. An
dieser Entwicklung haben nicht zuletzt die durch fortschreitende Baumaßnahmen
möglich gewordenen Fahrtzeit-Straffungen und Verkürzungen einen erheblichen
Anteil. Für die Gestaltung der Fahrpläne selbst war dabei noch von Bedeutung,
daß mit dem Fahrplanwechsel 1997 (Frühjahr) für den größten Teil des Landes
Thüringen (mit Ausnahme von Südthüringen) der Integrale Taktfahrplan ITF
zur Anwendung gelangte.
Daß mit der teilweisen Verdichtung der Fahrplan-Angebote bzw. ihrer Vertaktung
ein weiterer Schritt in die richtige Richtung zugunsten des Schienenverkehrs
getan wurde, steht außer Zweifel. Um so mehr treten aber hinsichtlich der
faktischen Fahrplankonstruktion und des darauf aufbauenden Zugverkehrs im
Bereich des Hauptbahnhofes Gera für den überregionalen Personenverkehr
Problemsituationen für den Fahrgaststrom auf, die zu denken geben sollten.
Ohne künftige diesbezügliche Bemühungen der Deutschen Bahn AG in Verbindung
mit der NVS (Nahverkehrsservicegesellschaft Thüringen) würde manches Erreichte
dann in Frage gestellt und auch das Image der DB AG bliebe davon nicht
unberührt.
Worum geht es dabei?
Ein erster Überblick über die graphische Darstellung des zeitlichen Ablaufs
des Personenverkehrs auf dem Hauptbahnhof Geras läßt zunächst deutlich
erkennen, daß den Fahrgästen im regionalen und überregionalen SPNV beim
Umsteigen von den ankommenden (endenden) Zügen zu den abfahrenden
(beginnenden) Zügen auf dem Hauptbahnhof Gera unterschiedliche, zumeist aber
leider relativ lange, Wartezeiten zugemutet werden. Etwa ein reichliches
Drittel (rd. 37%) der möglichen weiterführenden Anschlüsse kann innerhalb
eines Zeitraumes von rd. 15 Minuten erreicht werden. Etwa ein Fünftel
(rd.19 %) der zu erreichenden Anschlüsse macht für den betroffenen Fahrgast
jedoch bereits einen Zeitaufwand von 15-10 Minuten notwendig. Ein weiteres
knappes Drittel (rd. 30%) aller Zugverbindungen beinhaltet dann aber schon
Wartezeiten von weit über 30 Minuten sowie auch noch darüber (bis zu 45
Minuten). Dagegen stehen leider nur 14% der möglichen weiterführenden
Zugverbindungen als durchgehende Züge (d.h. nur mit normalem Verkehrshalt
auf dem Hbf Gera) zur Verfügung. Es wäre also bereits an dieser Stelle zu
hinterfragen, ob eben nicht durch Verlängerung der Zuglaufstrecken zumindest
eine teilweise Verringerung des Wartezeit-aufwandes für den einzelnen
Fahrgast erreicht werden könnte.
Die graphische Darstellung der Zugankunfts- und Abfahrtzeiten macht
darüberhinaus zugleich deutlich, daß zwar im Rahmen der Einführung des ITF
eine Bündelung erreicht worden ist (d.h. Ankunft 15-10 Minuten vor der vollen
Stunde und Abfahrt 5-15 Minuten nach der vollen Stunde), wobei aber für die
Mehrheit der Fahrgäste daraus dann wieder vergrößerte Wartezeiten auf die
weiterführenden Verbindungen entstanden sind.
Einer besonderen kritischen Bewertung hinsichtlich der gegenwärtig
angewendeten Fahrplank onstruktion
bedarf die Tatsache, daß 16 an sich zu ermöglichende Übergänge zwischen
zwei Zugläufen nicht zu vollständigen Umsteigeverbindungen ausgebaut wurden.
Eine Reihe möglicher günstiger Anschlüsse für den Reiseverkehr sind durch
von 2-5 Minuten zu späte Ankunftszeiten bzw. durch vorgezogene Abfahrtszeiten
in der gleichen Größenordnung aufgegeben bzw. verschenkt worden.
Auf den Reisenden macht es dabei einen besonders fragwürdigen und damit jede
Verkehrswerbung negierenden Eindruck, wenn laut Abfahrts- und
Ankunfts-Fahrplantabelle in wesentlichen Verkehrsrelationen Ankunfts- und
Abfahrtszeiten indentisch (!) sind und dabei auch noch der Übergang auf einen
anderen Bahnsteig (mit zweimaliger Treppenbenutzung!) bewältigt werden müßte.
Eine spezielle kündenfreundliche Note erhalten diese nicht ermöglichten
Anschlüsse, wenn durch die vertaktete Grundkonstruktion des Fahrplanes die
vom Fahrgast in Kauf zu nehmende Wartezeit auf seinen nächsten, tatsächlichen
Anschlußzug dann noch der vollen Taktzeit entspricht bzw. diese
überschreitet.
Als Schlußfolgerungen aus den aufgezeigten Problemen und im Hinblick auf
weitere Einzelfragen der Zugfahrten- und Personenverkehrsabwicklung auf der
Grundlage des derzeitigen Fahrplanes sollten im Wirkungsbereich des
Hauptbahnhofes Gera nachstehende Veränderungsvorschläge bei der jährlichen
Überarbeitung des Fahrplanes im Personenverkehr (Nah- und Fernbereich)
mit in Betracht gezogen werden:
- Die bisher nicht erreichten Zuganschlüsse sollten in den
Hauptverkehrsrichtungen (siehe Tabelle in der Anlage), soweit dies künftig
ohne größeren betrieblichen Aufwand möglich ist, mit für die Fahrgäste
vertretbaren Übergangszeiten hergestellt werden. Zu berücksichtigen sind dabei
auch die Verkehrsbedürfnisse der kleineren Städte und Kommunen in der
unmittelbaren Umgebung von Gera, wobei die Anbindung an die Taktverbindungen
nach und von Weimar-Erfurt (Landeshauptstadt !) sowie nach Leipzig (nächstes
Fernreisezentrum !) sowie deren Durchbindung bis in den Landkreis Altenburg
(als Ost-West-Verbindung) und nach Greiz-Plauen (als Nord-Süd-Verbindung)
gewährleistet sein müßte.
- Die überhöhten Wartezeiten für Anschluß-Reisende, die sich aus der
zeitlichen Verschiebung der Ankunfts- und Abfahrtszeiten der
nichtdurchgehenden Züge ergeben, sollten - sofern dies die betriebstechnischen
Gegebenheiten des Hbf Gera sowie die Fahrplankonstruktion insgesamt
zulassen - verringert und damit attraktiver gestaltet weden.
- In Zusammenhang mit den Hinweisen in Punkten 1 und 2 sollte geprüft werden,
inwieweit die Verkehrsanlagen im Bahnhof Gera Süd verbesserte
Anschlußbedingungen für Reisende in bzw. aus den Richtungen Gößnitz/Altenburg,
Wünschdorf/Werdau/Zwickau, Greiz/Plauen und Saalfeld schaffen würden. Dabei
sollte gegebenenfalls analysiert werden, ob mit vertretbarem Aufwand an
Baumaßnahmen für das Umsteigen in Schwerpunktrichtungen die Zugfahrten an
einen Doppelbahnsteig herangeführt werden könnten. Einer weiteren
Effektivitätsuntersuchung bliebe es Vorbehalten, ob im Bhf Gera Süd auch die
IR-Züge dann damit wieder einen fahrplanmäßigen Halt erhalten sollten.
- Ein spezifisches Problem ist und bleibt die Absicherung einiger vertretbarer
Shuttle Verbindungen, die auf die Anschluß-Sicherung mit den in den
benachbarten Fernreisezentren im 24h-Rhytmus bestehenden
Fernverkehrsverbindungen gerichtet sind. Ob die gegenwärtig in den Richtungen
Saalfeld und Leipzig in den späteren Abendstunden bzw. frühen Morgenstunden
dafür geschaffenen Verbindungen ausreichen, bleibt abzuwarten. Sie sind
jedoch weit weniger attraktiv als durchgehende
Fernreisezüge (mit IC- oder D-Zug-Status); die aber derzeit leider Gera
weder in Nord-Süd, noch in Ost-West-Richtung mit Verkehrshalt durchfahren.
- Weiterführend zu den Aussagen in Punkt 4 ist hervorzuheben, daß insgesamt
gesehen der Anteil des Fernverkehrs am Schienenpersonenverkehr im Hbf Gera
völlig unzureichend ist. Selbst die derzeit einzige getaktete IR-Relation
Düsseldorf-Chemnitz verkehrt nur im 4 Stunden-Takt im Ost-West-Korridor,
während im Nord-Süd-Korridor täglich nur ein IR-Zugpaar verkehrt. Die
gegenwärtig angebotenen Regionalexpress-Verbindungen bzw. der vorbereitete
Städteexpress decken zwar viele überregionale Reisewünsche ab, können aber
wachsende Fernreisebedürfnisse, der in der ostthüringer Region lebenden
Bürger künftig sicher nur unvollständig befriedigen. Eine entsprechende
Angebotserweiterung muß daher auf der Tagesordnung bleiben!
Zu den hier unterbreiteten Gedanken und Schlußfolgerungen dürfte es sicherlich
weitere Ergänzungen, vielleicht aber auch Kritiken geben. Der Vorstand des
Landesverbandes Thüringen im Deutschen Bahnkunden-Verband e. V. ist deshalb
an allen diesbezüglichen Meinungen interessiert, wird diese auswerten und
dann den zuständigen Stellen der Deutschen Bahn AG sowie der NVS zur
Einarbeitung in künftige Fahrplanprojekte übergeben.
Alexander Barthel, stellv. DBV-Landesvorsitzender Thüringen
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