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Immer mehr Verkehrsunternehmen nutzen Social Media zur Kundenbindung und zur Kundeninformation. Bringt das was, und wie geht es richtig? Foto: Holger Mertens |
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Am Anfang war das Wort. Die Kommunikation
zwischen den Verkehrsunternehmen
und ihren Kunden erfolgte früher
ausschließlich persönlich – und zwar dort,
wo man sich begegnete, also zu dem Zeitpunkt,
zu dem die Transportleistung stattfand.
Denn zunächst war das Personal vor
Ort, zum Beispiel Fahrer, Schaffner, Zugabfertiger
oder Fahrkartenverkäufer, für die
Kunden erster und einziger Ansprechpartner,
wenn es um Informationen oder Beschwerden
ging.
Wächst das Verkehrsunternehmen,
wachsen auch Strukturen. Professionalisierungen
wurden erforderlich. Plötzlich hatte
nicht mehr jeder Mitarbeiter Kundenkontakt.
Die Rückmeldung des Kunden blieb
aber wichtig für das Unternehmen. Es entstanden
je nach technischer Möglichkeit
andere Formen der Kommunikation, um
sich nicht allzuweit voneinander zu entfernen,
zum Beispiel öffentliche Büros – Kundenzentren,
um die Nähe zum Kunden wieder
zu gewinnen.
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Foto und Grafik: Holger Mertens |
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Der Brief als direktes Medium, das strukturbedingte
Entfernungen vom Kunden zu
den Unternehmensentscheidern überwindet,
ist das älteste. Hinzu kam das Telefon
und mit der Digitalisierug dann die E-Mail.
All diese Mittel werden genutzt und gebraucht,
um den störanfälligen Weg vom
Kunden über den Fahrer, seinen Schichtleiter,
dessen Vorgesetzten und Abteilungsleiter
hin zur Unternehmensführung abzukürzen
– und damit erst möglich zu machen.
Dies alles ist nötig, um den Stille-Post-Weg
durch die Strukturen des Unternehmens zu
überwinden, damit überhaupt noch Informationen
durchdringen. Das ist der Zweck,
weswegen man Postanschriften hat, Telefonnummern
und E-Mail-Adressen. Und weil das
so viele Möglichkeiten sind, begann man auch
hier Strukturen aufzubauen. Es wurden Call-Center
eingerichtet, Kundendienstmitarbeiter
fingen Briefe und E-Mails ab, um sie zu beantworten
oder strukturiert weiterzugeben.
Doch halt, ist jetzt nicht wieder die gleiche
Barriere entstanden, die man mit den
neuen Kommunikationswegen eigentlich
überwinden wollte? Ein klassisches Dilemma.
Doch mit Social Media wird alles anders!
Neues Zeitalter der Kommunikation
Mit Social Media werden Internetplattformen
bezeichnet, auf denen die Nutzer
untereinander Informationen austauschen
können. Das würde eigentlich sogar jedes
Internetforum mit einschließen. Jedoch
kommen hier die Komponenten „Sozial“
und „Netzwerk“ hinzu, was nur bedeutet,
dass sich Nutzer untereinander bekanntmachen.
Das soziale Netzwerk bildet also
im Gegensatz zum klassischen Internetforum
soziale Beziehungen der Nutzer untereinander
ab, ist ein digitaler Freundes- oder
Bekanntenkreis. Es ist damit dichter
an der Realität, in der Menschen andere
Menschen kennen, mit ihnen verwandt, bekannt
oder befreundet sind. Somit können
Benutzer für sie relevante Informationen
mit kleineren, ihnen verbundenen Gruppen
austauschen.
Diese Tatsache macht soziale Medien interessant
für Werbetreibende. Wenn man
es schafft, sich als Unternehmen in den
Bekanntenkreis einer Person einzuschmuggeln,
ist man plötzlich nicht mehr ein anonymes
Unternehmen, sondern für den Kunden
ein Bekannter, oder besser noch, ein Freund.
Somit stecken viele Unternehmen sehr viel
Geld und Mühe in ihre Präsenz in den sozialen
Netzwerken mit dem einzigen Ziel,
dadurch mehr zu verkaufen.
Doch was wollen öffentliche Verkehrsunternehmen
in sozialen Netzwerken? Verkehrsunternehmen
in Deutschland verkaufen
schließlich keine Waren oder Dienstleistungen
im klassischen Sinn. Sie gehören zur
Grundversorgung und stehen zumindest
beim Endkunden nicht in Konkurrenz zu
anderen ÖPNV-Unternehmen, allerdings zu
anderen Mobilitätsarten wie dem Auto, dem
Fahrrad oder dem Zu-Fuß-Gehen. Dennoch:
Welches Ziel, welchen Zweck verfolgt man
dort mit dem Engagement bei Social Media?
Nun, zum einen kann man da ganz klassische
Fahrgastinformation bieten. Die Nutzergruppen
formieren sich anhand ihrer Interessen
selbst und verfolgen somit nur die
Informationen, die sie interessieren. Bietet
man Störungsmeldungen beispielsweise für
eine U-Bahn-Linie an, gelangen diese Informationen
direkt zu den Interessenten.
Zum anderen kann man die Unternehmenstruktur
überwinden und wieder direkt
mit dem Fahrgast in Dialog treten und eine
Kundenbeziehung aufbauen.
Neue Chancen, neue Gefahren
Doch Vorsicht! Im Gegensatz zur linearen
Kommunikation von Mensch zu Mensch
über Brief, Telefon, E-Mail oder im persönlichen
Kontakt tritt man hier nie mit nur
einer einzigen Person in Kontakt, sondern
immer mit einem gesamten Netzwerk. Es
ist öffentlich, jeder hat so und so viele Bekannte,
von denen wiederum jeder weitere
Bekannte hat und so weiter. Daher ist
Kommunikation in Sozialen Netzwerken
wie Schneebälle werfen auf einem Berg
bei Neuschnee. Einerseit kann man mit
diesem Schneeballsystem sehr viele Menschen
erreichen, doch wenn man sich nur
ein wenig verrechnet, schlägt die Lawine
schnell die falsche Richtung ein und begräbt
das eigene Dorf unter den Schnee-
(Sturm-)Massen.
Kommunikation in sozialen Medien will
also gekonnt sein. Bin ich in der herkömmlichen
Kommunikation, also persönlich,
per Brief, Telefon oder E-Mail, zu einem
Kunden patzig, dann habe ich eine Person
verärgert, die das vielleicht in ihrem direkten
Bekanntenkreis weitergibt. Das ist
träge und der Schaden ist vergleichsweise
überschaubar, denn die Zeit arbeitet da
für einen und der Ärger kann sich noch
rechtzeitig abkühlen. Mache ich das aber
in einem sozialen Netzwerk, kann sich das
innerhalb von Sekunden wie ein Lauffeuer
verbreiten und Gegenreaktionen von tausenden
verursachen.
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Social Media, auch „soziale Medien“, sind Internetseiten oder Programme, bei denen Nutzer sich anmelden und Informationen austauschen. Im engeren Sinn sind sie dabei ähnlich wie im richtigen Leben mit einem Freundes- und Bekanntenkreis verbunden. Bekannte Plattformen sind Twitter, Facebook, Youtube und viele weitere. #Hashtag, ein Begriff, der mit dem Doppelkreuz-Zeichen # (auch Raute genannt) eingeleitet wird. Nutzer können mit diesen Schlüsselworten Beiträge zu einem bestimmten Thema markieren. Damit sind diese dann für die Allgemeinheit leichter auffindbar. Hashtags werden nicht kontrolliert und können von jedem vergeben werden. Shitstorm, ein Sturm der Entrüstung als Reaktion auf ein Ereignis. Dabei gehen in kürzester Zeit sehr viele negative Beiträge ein, die sich zum Teil von der Sache lösen und häufig beleidigend sind. Tweet, der, Substantiv. Ein Tweet ist ein Beitrag im Sozialen Netzwerk Twitter. Dort sind als Besonderheit sämtliche Beiträge auf 140 Zeichen begrenzt. Wer solche Beiträge verfasst, der „twittert”. Like, etwas liken, Verb. Stammt aus dem sozialen Netzwerk Facebook, bei dem der Klick auf die „gefällt mir“-Schaltfläche das Gefallen eines Beitrags ausdrückt. In der englischen Version steht „like“ auf diesem Button. Dies kann man auch mit „gefällt mir nicht mehr“ wieder zurückziehen, was man dann dislike nennt. |
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Social-Media-Profis, die ihre teuren,
perfekten Produkte feilbieten, wissen das
gut zu nutzen. Was macht aber das ÖPNV-Unternehmen?
Dessen Dienstleistungen
sind selten perfekt. Und damit sind sie
nach dem Wetter das Top-Gesprächsthema
im Alltag bei der Kaffeepause, beim
Frisör oder im Aufzug. „Ganz schön stürmisch
draußen und dann ist auch noch
meine Bahn zu spät gekommen.“ Man ist
also bereits in aller Munde, hat jedoch das
Problem, dass man nicht Anbieter eines
tollen neuen Mobiltelefons ist, das jeder
haben will, sondern von etwas, das schon
jeder hat und mit dem jeder so seine persönlichen
Probleme hat. Merke: „Bist du
Petrus oder der ÖPNV, mache nicht die
gleiche Werbung wie Apple!“
Was will ich also als öffentliches Verkehrsunternehmen
in sozialen Netzwerken?
Etwas verkaufen oder bekannt machen?
Nein! Naja, vielleicht eine Jahreskarte.
Aber eigentlich bin ich da, um den verlorengegangenen
direkten Kontakt zum
Kunden zu suchen, ihn zu informieren und
Rückmeldungen von ihm zu erhalten, was
ich besser machen kann – also im Grunde
genau das Gleiche, wie auf allen anderen
klassischen Kanälen. Um das in den sozialen
Medien aber auch nur ansatzweise
akzeptabel hinzubekommen, ohne mit
einem Tritt ins Fettnäpfchen gleich den
geballten Sturm der Entrüstung herauf
zu beschwören, muss ich das erst bei den
einfachen klassischen, linearen Kommunikationsmitteln
mindestens gut bis sehr
gut beherrschen.
Stoße ich meinen eigenen Kunden bei
Beschwerden per E-Mail, Telefon oder im
direkten Kontakt regelmäßig vor den Kopf
und mache ihm deutlich, dass mich sein
Problem nicht interessiert, ich ihn mit einer
Textbaustein-Antwort verhöhne und
so weitermache wie bisher, wird mir diese
Haltung in den sozialen Netzwerken
schnell und zurecht auf die Füße fallen.
Hier hilft nur noch ein offener und ehrlicher
Umgang mit dem Kunden und mit
seinen und meinen Problemen. Einfach
nur so zu tun, als sei alles super, hipp und
cool, funktioniert da nicht. (hm) Berliner Fahrgastverband IGEB
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