Unter dem Hashtag #weilwirdichlieben
hat die BVG Fahrgäste und Nichtfahrgäste
aufgefordert mitzuteilen, warum sie die
BVG lieben (könnten) bzw. welche schönen
Momente sie mit der BVG verbinden. Doch
die Aktion drehte sich ins Gegenteil. Viele
Fahrgäste twitterten, was sie an der BVG
stört. Unter dem genannten Hashtag gingen
vor allem am 13. Januar im Minutentakt
Äußerungen über Missstände der BVG
ein. Die BVG selbst twitterte an diesem
Tag nur 5 Tweets in die Öffentlichkeit,
unter anderen einen Hinweis, dass man sie
nicht mit der S-Bahn verwechseln solle,
was sie auch an einigen anderen Tagen
wiederholte.
Bestandteil der #weilwirdichlieben-Kampagne war nicht
nur ein Twitterkanal, sondern auch Profile
bei Facebook, Instagram und Youtube.
Auf Youtube ist ein Werbespot zu sehen,
bei dem man erwartet, dass irgendwann
die Biermarke eingeblendet wird. Jedoch
sind diese Profile ausschließlich auf diese
Kampagne angelegt und reine „Schönwetterkanäle“.
Immerhin gibt es nun aber auch zusätzlich
drei offizielle Kanäle bei Twitter (BVG U-Bahn,
BVG Straßenbahn, BVG Bus), bei denen auch
tatsächlich verkehrsrelevante Meldungen
veröffentlicht werden. Unklar sind aber die
„Öffnungszeiten“ der Kanäle. Mal wird eifrig
getwittert, mal gibt es keinerlei Informationen.
Ein auf Dauer angelegtes Facebookprofil,
in dem die BVG als Kommunikationspartner
auftritt ist, offensichtlich auch weiterhin
nicht geplant. Offenbar scheut die BVG den
Umgang mit öffentlicher Kritik.
Die BVG sieht ihren Eintritt in modernen
Medien laut Pressemeldungen als Erfolg
an. Tatsächlich folgen beispielsweise BVG
U-Bahn auf Twitter bereits gut 14 700 Nutzer,
was eine beachtliche Zahl ist. Zum Vergleich:
S-Bahn Berlin 29 500, DB Bahn 43 200.
Im Umgang von Verkehrsunternehmen
mit Social Media holten sich bereits vor der
BVG einige andere eine blutige Nase.
Den ersten Shitstorm mit einem Verkehrsbetrieb
als Ziel holten sich die Essener Verkehrbetriebe
(EVAG) auf Twitter. Im Februar
2012 twitterte die EVAG „Bitte keine Hashtag-Nennungen
mit der EVAG bitte. Letzte
Warnung.“ Was darauf folgte war ein Sturm
der Entrüstung. Niemand könne den Internetnutzern
die Verwendung eines Hashtags
verbieten. In den bundesweiten Trendcharts
lag #EVAG sofort auf Platz 1. Hinterher erklärte
die EVAG, dass das alles nicht so gemeint
sei.
Die Deutsche Bahn machte ihre ersten
Gehversuche auf Facebook im Jahr 2010.
Eigentlich wollte sie nur ein besonderes
Tarifangebot bewerben, das sogenannte
„Chefticket“, doch die Nutzer wollten erst
einmal ihren Ärger über das Unternehmen
los werden. Die beauftragte Agentur war
völlig überfordert, der Kanal wurde wieder
geschlossen. Beim Relaunch der DB-Facebookseite
im Jahr 2011 hatte die DB aus den
Fehlern gelernt und machte vieles richtig.
Es wurde eigens auf diese Kommunikationsform
geschulte Mitarbeiter angestellt.
Dass diese auch Kritik ertragen und sogar
witzig mit ihr umgehen
können, bewies die DB,
als eine Kundin per Facebook
mit der Bahn
„Schluss gemacht“ hat.
Ein Auszug aus dem
Brief der Kundin:
|
Foto: Twitter |
|
„Ich finde es sehr schade,
dass du unsere aufregende
Beziehung so
leichtfertig aufs Spiel
setzt. Es tut mir sehr leid,
aber ich denke nun wirklich
über eine endgültige
Trennung nach. Ich brauche
jemanden an meiner
Seite der zuverlässig ist,
nicht nur mein Geld will
und auch bereit ist auf
meine Bedürfnisse einzugehen.
Und ich habe
so jemanden kennengelernt.
Er nennt sich Opel und ist immer für
mich da. Leider werdet ihr euch nicht kennen
lernen.“
Die DB reagierte mit einem ebenso rührenden
„Zurückholbrief“ innerhalb von 20
Minuten – und das um Mitternacht. Siehe
Abbildung.
Durch diese Reaktion verschaffte die Kundenbeschwerde
der Deutschen Bahn einen
beachtlichen Imagegewinn, denn die Medien
berichteten bundesweit. Autokonzerne
reagierten ebenfalls und machten der verflossenen
Avancen.
Aus Sicht der IGEB ist die Beteiligung von
Verkehrsunternehmen auf Plattformen wie
Twitter und Facebook zu begrüßen. Diese Öffentlichkeitsarbeit
darf jedoch ausschließlich
als wichtiger Zusatzservice verstanden werden.
Die Pflichtarbeit, das heißt korrekte Fahrgastinformationen
in und an den Fahrzeugen
und Haltestellen, darf nicht zu kurz kommen.
Gleichzeitig müssen die Unternehmen
lernen, wie mit Kritik in der Öffentlichkeit
umzugehen ist. Schafft es die BVG, hier vom
Image der nichtssagenden Textbausteine
wegzukommen und kompetente schnelle
Antworten auf öffentliche geteilte Kritik zu
geben, dann hätte die IGEB einen Grund, die
BVG dafür lieb zu haben.
Berliner Fahrgastverband IGEB
|