Immerhin: Andere wertvolle Informationen
werden einem durch die Anzeigetafeln
vermittelt. Mal werden Azubis gesucht,
dann ist immer mal wieder Girl´s Day, und
in gefühlt achtzig Prozent der Zeit wird daran
erinnert, dass das Rauchen in den Zügen
und im
… Da, jetzt hat es aufgehört zu
blinken! Denn es ist ja nicht so, dass sich an
dem seit anderthalb Jahrzehnten eher mangelhaft
funktionierenden System nicht doch
noch etwas ändern ließe. Erst seit relativ kurzer
Zeit erscheint im Bedarfsfall die Auskunft,
die nun zu lesen ist: „Zugverspätung. Bitte
Geduld.“
„Klar: BVG = Bitte viel Geduld!“, könnte der
versierte Hauptstädter denken. Und darüber
sinnieren, wofür die BVG so alles mal
Geld ausgeben sollte. Die BVG aber denkt
sich, sie sollte dringend mal Geld für eine
bessere Kommunikation mit ihren Kunden
ausgeben. Womit nicht solche Nebensächlichkeiten
wie exakt funktionierende elektronische
Anzeigesysteme oder Personal auf
den Bahnhöfen gemeint sind, sondern eine
schöne Imagekampagne.
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#weilwirdichlieben. Die BVG-Imagekampagne hat viel erreicht, aber nicht das Ziel: Ein besseres modernes Image für die BVG - Anstalt öffentlichen Rechts. Foto: Holger Mertens |
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„#weilwirdichlieben“ heißt diese und startete
im Januar. Wer im Internet nach dem
titelgebenden Hashtag (wie das neudeutsch
heißt) suche, so erklärt die Februarausgabe
des Kundenmagazins „BVG plus“, stoße „sogleich
auf die neuen Dialog-Kanäle der BVG“.
Zu den Gründen für deren Eröffnung und die
damit verbundene Reklame erläutert BVG-Sprecherin
Petra Reetz im selben Artikel:
„Seit vielen Jahrzehnten besteht zwischen
der BVG und den Fahrgästen eine enge Beziehung.
Und da haben sich mittlerweile viel
Alltag und Routine eingeschlichen. Wir waren
der Meinung, dass eine Liebe ab und an
neu entfacht werden muss.“
Dabei betrachtet die BVG ihre Kunden offensichtlich
als emotional leicht behindert,
denn, so Frau Reetz, nach 86 Jahren Beziehungskiste
zwischen dem Verkehrsbetrieb
und den Berlinern „ist es klar, dass der eine
oder andere Liebgewonnene mit so viel Herz
erst einmal nicht umgehen kann. Denn klar
ist: Zur Liebe gehören immer auch zwei
… “
Die BVG will also nicht nur einfach geliebt,
sondern auch zurückgeliebt werden. Und sie
möchte das ab sofort gesagt bekommen, via
Facebook, You-Tube, Instagram
und vor allem
Twitter.
Angesichts der seelischen
(und womöglich auch geistigen)
Verfassung, auf die dieses
Verlangen schließen lässt,
ist es natürlich sehr lobenswert,
dass die BVG einige zehn- oder
hunderttausend Euro in die heimische Reklamewirtschaft
steckt, statt sich einfach
zwanzigtausend Facebook-Freunde in Vietnam
zu kaufen.
Auch fährt sie nicht etwa, weil der Senat
sie damit beauftragt und ihr dafür einen dicken
Batzen Geld gibt, sondern aus lauter
Liebe zu Berlin, den Berlinern und ihren Besuchern.
Und es ist ja auch nicht so, dass die
BVG ihre Kunden immer wieder spüren ließe,
dass sie ganz genau weiß: Viele von denen
müssen sowieso mit ihr fahren, denen bleibt
in der Hartz-IV-Hauptstadt Berlin gar nichts
anderes übrig. Nein, so ist das wirklich nicht.
Deshalb soll das so nachdrücklich vorgetragene
Liebesbedürfnis der BVG nicht unbeantwortet
bleiben: Klaro, BVG, wir lieben Dich!
Wir lieben Dich, wenn Du uns – zum Beispiel
auf der U 1 oder der U 3 – in zu kurze
und deshalb überfüllte Züge quetschst. Und
wenn Du dieses Problem offenbar zementieren
möchtest, indem Du weitere vierteilige
Garnituren anschaffst, so dass sich die Frage
nach Sechs-Wagen-Zügen gar nicht mehr
stellt.
Wir lieben Dich, wenn Du uns den Ausblick
aus Deinen Fahrzeugen versperrst, indem
Du die Fenster zuklebst – entweder mit
Reklame oder dem Brandenburger Tor, und
in letzterem Falle uns dann noch erzählst,
das wäre doch ganz toll, von wegen lokale
Identität und so.
Wir lieben Dich, wenn Du dafür Geld ausgibst,
dass wir in der U-Bahn statt gleichförmiger,
dafür aber nicht nervtötender
Stationsansagen das Gequassel von irgendwelchen
ohnehin medial dauerpräsenten
Prominenten hören dürfen.
Wir lieben Dich, wenn Du, wie am Rathaus
Steglitz, für den Neubau eines wichtigen
U-Bahn-Eingangs weit mehr als ein Jahr
brauchst. Und, kaum ist der eine Zugang
fertiggestellt, beim nächsten das gleiche
Theater beginnst.
Wir lieben Dich, wenn Du Dich vom Senat
zu der Behauptung verpflichten lässt, Du und
irgendwelche anderen Leuten wollten „die
Spiele“, dafür Bahnsteige und Gänge vollkleben
lässt und womöglich allen Ernstes
erwartest, dort würden Menschen dann wie
befohlen beginnen, Kniebeugen zu machen.
Wir lieben Dich, wenn Du nach Jahrzehnten
mal wieder Doppeldecker mit nur einer
Treppe anschaffen möchtest, was bei den
bekanntermaßen ständig überaus freundlichen
und zuvorkommenden Berlinern
schnell zu vielen intensiven und, äh, „eindrücklichen“
Begegnungen führen, zumindest
aber die Kommunikation unter ihnen
deutlich fördern dürfte.
Wir lieben Dich aber auch, weil Du überhaupt
mal wieder an die Erhöhung des
Doppeldecker-Anteils denkst, statt weiter
einen Großteil Deiner Fahrgäste mit Gelenkbussen
zu beglücken, die nicht umsonst
den Spitznamen „Schlenkis“ tragen
und in deren Anhängern man schön durchgeschaukelt
wird – wenn man sie nach einem
längeren Fußmarsch durch das Fahrzeug
erreicht hat.
Ja, wir lieben Dich, weil Du uns so schön
im Gänsemarsch am Busfahrer vorbeitreibst,
den Medien erzählend, andernfalls gäbe
es noch mehr Schwarzfahrer; als wenn Du
nicht genau wüsstest, dass insbesondere an
stark frequentierten Haltestellen längst alle
Türen zum Einstieg benutzt werden, geduldet
von den Buslenkern, die nicht noch mehr
Verspätung einfahren wollen.
Wir lieben Dich beim Gedanken an die
nächste Preiserhöhung, pardon: „Tarifanpassung“,
die im Laufe dieses Jahres beschlossen
werden dürfte, trotz allgemeinen Rückgangs
der Verbraucherpreise und insbesondere der
Strom- und Treibstoffkosten, und wir sind
schon sehr gespannt darauf, was diesmal als
Begründung wird herhalten müssen.
Ach, die Liste ließe sich schier endlos verlängern.
Aber wenn wir ehrlich sind, liebe
BVG, dann musst Du jetzt ganz stark sein:
Die meisten Berliner, die wollen Dich gar
nicht lieben. Denen ist es vermutlich auch
vollkommen egal, ob die Bahn oder der Bus
nun von Dir betrieben wird oder von irgendeinem
anderen Unternehmen. Die wollen
bloß fahren.
Jan Gympel
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