Um diese Entwicklung umzukehren, wird
seit vielen Jahren in unterschiedlichen Wissensbereichen
und Einrichtungen Deutschland-
und EU-weit zu Alternativen geforscht
und diskutiert. Im Rahmen dieser Forschungen
hat sich die Erkenntnis durchgesetzt,
dass ein anderes (neues) Mobilitätsverhalten
notwendig ist.
Zwei wesentliche Bestandteile zur Beeinflussung
dieses Mobilitätsverhaltens sind
das Mobilitätsmanagement sowie die Einrichtung
von Mobilitätszentralen.
Was ist Mobilitätsmanagement?
Beim herkömmlichen Verkehrsmanagement
besteht die Aufgabe darin, die vorhandenen,
einseitig ausgeprägten Verkehre so
zu steuern, dass in erster Linie dem motorisierten
Individualverkehr ein möglichst optimaler
Verkehrsfluss ermöglicht wird. Dies
geschieht zuungunsten anderer Verkehre
wie ÖPNV, Radverkehr etc.
Mobilitätsmanagement setzt hingegen
beim Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer
an. Persönliche Einstellungen und individuelles
Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer
können durch sogenannte weiche
Maßnahmen wie Kommunikation, Information,
Beratung und Organisation sowie Motivation,
Koordination und Service verändert
werden.
Perspektivisch soll damit der motorisierte
Individualverkehr reduziert werden. Zusätzlich
erschließen sich durch diese Maßnahmen
auch Erkenntnisse über bestehende
Hemmnisse und anzustrebende Verbesserungen
sowie den zielgenaueren Einsatz finanzieller
Mittel für die Planung und Umsetzung
strukturverbessernder Maßnahmen.
Was sind Mobilitätszentralen?
Mobilitätszentralen sind Serviceeinrichtungen,
die Informationen und Dienstleistungen
rund um die umweltfreundliche
Mobilität anbieten und verkehrsmittelübergreifend
bündeln. Ziel ist es, notwendige
Verhaltensänderungen der Menschen
sowohl in Großstädten als auch in ländlichen
Regionen zu unterstützen. Sie finden
in Deutschland zunehmende Verbreitung,
wobei Trägerschaft, Leistungspalette und
Bezeichnung sehr unterschiedlich sind. Im
Bundesgebiet gibt es inzwischen über 50
solcher Einrichtungen – meist in Trägerschaft
von Verkehrsunternehmen.
Einige von ihnen bieten inzwischen eine
Kombination mit Verleihstationen (z. B.
Fahrrad) oder Tourismusangeboten an. Oft
gingen die Initiativen von engagierten Bürgern
aus. Erwähnt werden sollen hier der
ehemalige „Förderkreis für Mobilitätszentralen
und Mobilitätsmanagement“ (MzM)
bzw. die Agenda-21-Aktivitäten. Über das
Aktionsprogramm für Mobilitätsmanagement
„effizient mobil“ wurden u. a. Projekte
für betriebliches bzw. kommunales
Mobilitätsmanagement initiiert und durchgeführt.
Eine Vorreiterrolle hat hier Nordrhein-
Westfalen übernommen, welches als
einziges Bundesland eine Transferstelle
Mobilitätsmanagement besitzt (ebenso
eine Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und
fahrradfreundlicher Städte Gemeinden und
Kreise in NRW e. V. – AGFS). Dort werden die
Bemühungen landesweit koordiniert und
umgesetzt. Bundesweit entstand daraus
auch eine Plattform zur Anregung weiterer
Aktivitäten: DEPOMM.
Umsetzung
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Mit dem Rad zum Bahnhof und weiter mit dem Zug. Wo das Fahrrad gut verwahrt wird und gegen Vandalismus und Diebstahl geschützt ist, wird dieses Konzept gern angenommen – so wie hier beim „Umsteiger“ in Kiel. Quelle: Landeshauptstadt Kiel, Foto: Christoph Edelhoff |
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Sowohl beim Mobilitätsmanagement als
auch bei der Mobilitätsberatung ist qualifiziertes
Personal notwendig: Mobilitätsmanager
bzw. -berater. Diese informieren
und klären auf, sie zeigen Möglichkeiten
der alternativen Fortbewegung auf und
beraten unterschiedliche Zielgruppen verkehrsmittelübergreifend
und umfassend
über die örtlichen Angebote – von ÖPNV-Tarifen
über Car-Sharing bis zum Fahrradverleih.
Das Leistungsspektrum kann je
nach örtlicher Situation und Zielstellung
stark variieren, besteht aber im Wesentlichen
gemäß „Praxisleitfaden
Kommunaler
Klimaschutz“ des Deutschen Instituts für
Urbanistik (Difu) aus den folgenden Dienstleistungstypen:
-
Information und Beratung (Fundament
des Mobilitätsmanagements),
- Verkauf und Reservierung (z. B. nicht nur
Verkauf von Fahrkarten, sondern auch
von Tickets zu anderen Dienstleistungen,
in Kombination mit Reservierungsmöglichkeiten
für Car-Sharing-Angebote oder
Fahrradverleih),
- Koordination und Organisation (z. B. bessere
Vernetzung der Vielzahl unterschiedlicher
Angebote, bessere Koordination an
den Schnittstellen, beispielsweise zwischen
einzelnen Anbietern des öffentlichen
Verkehrs sowie zwischen öffentlichem
Verkehr und Fahrrad, Car-Sharing
und Pkw, die Schaffung neuer Angebote
durch Organisation wie beispielsweise
Fahrgemeinschaftsvermittlung, Bringdienste,
Car-Sharing, Anruf-Sammel-Taxen,
Shuttlebusse oder City-Logistik),
- Öffentlichkeitsarbeit und Bildung (z. B.
Aktionen und Kampagnen sowie soziales
Marketing, Mobilitätsbildung und -erziehung
zur frühzeitigen Vermittlung von
Wissen und praktischer Kompetenz),
- Consulting (umfassendere Beratung, insbesondere
Dienstleistungen für Kommunen
und Betriebe, aber auch in Haushalten,
um das Umsteigen auf umweltfreundliche
Verkehrsmittel voranzutreiben).
Der 2011 erstellte Praxisleitfaden ist ein
strategisch wichtiges Dokument für eine
klimagerechte Stadtentwicklung. Dieser
fordert neben einer integrierten Stadt- und
Verkehrsplanung auch ressortübergreifendes
Handeln (Stadt der kurzen Wege), aber
auch die Anwendung des Instruments „Mobilitätsmanagement“.
Darüber hinaus ist es notwendig, die erforderlichen
Mobilitätsmanager/Mobilitätsberater
umfangreich auszubilden, um sie
mit dem komplexen Wissen auszustatten.
Finanzierungsmöglichkeiten
Die Umsetzung der Förderung umweltfreundlicher
Mobilität ist bereits jetzt
finanzierbar: Bei investiven Maßnahmen
besteht die Möglichkeit, zeitlich befristete
Projekte zur Einrichtung von Mobilitätszentralen
über die Klimaschutz-Kommunalrichtlinie
des Bundesministeriums
für Umweltschutz zu finanzieren, die u. a.
die Einrichtung verkehrsmittelübergreifender
Mobilitätsstationen vorsieht, um
Fuß-, Radverkehr, Car-Sharing und ÖPNV
zu vernetzen und so ein klimaverträglicheres
Mobilitätsverhalten anzuregen.
Im Bereich der nichtinvestiven Maßnahmen
fördert das Bundesministerium für
Verkehr und Infrastruktur Projekte zur
Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplanes,
u. a. zur Sicherung „nachhaltiger
Mobilität wie die effektive Verknüpfung
des Fahrrads mit anderen Verkehrsmitteln,
insbesondere dem ÖPNV.“
Mit ein wenig gutem Willen wären auch
die möglicherweise noch offenen finanziellen
Lücken durch das Land zu schließen.
Ausblick
Klimawandel, endliche Ressourcen sowie
der demografische Wandel erfordern es, Erkenntnisse
aus Wissenschaft und Forschung
umzusetzen sowie neue gesellschaftliche
und politische Weichenstellungen anzuregen.
Gerade für Berlin ist es wichtig, den
Abstand zu den anderen Bundesländern auf
dem Gebiet des Mobilitätsmanagements
aufzuholen.
Bereits jetzt hinkt Berlin den Entwicklungen
und Bedürfnissen seiner Bewohner
hinsichtlich ihres Mobilitätsverhaltens weit
hinterher. Hier hat die gewünschte Verhaltensänderung
ohne Zutun der Politik zum
Teil bereits eingesetzt. Beleg dafür sind
die stetig wachsende Zunahme des Radverkehrs,
die steigenden Fahrgastzahlen
im ÖPNV und die Nutzung von Carsharing-Modellen.
Das Mobilitätsverhalten sollte in den Klimaschutzkonzepten
des Landes Berlin endlich
den entsprechenden Raum einnehmen,
um das große Potenzial für den Klimaschutz
nutzen.
Die Bürgerinitiative Berliner Luft engagiert
sich seit langem für umwelt- und gesundheitsfreundliche
Mobilität. Seit 1998 verfolgt
sie das Ziel, eine Mobilitätszentrale für den
Stadtteil Berlin-Hohenschönhausen einzurichten.
Bürgerinitiative Berliner Luft
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