Nahverkehr

Ein erfolgreicher Nahverkehr braucht eine solide finanzielle Grundlage

Die Regionalisierung des Nahverkehrs auf der Schiene hat als einer der erfolgreichsten Teile der Bahnreform durch ein deutlich verbessertes Angebot insgesamt zu mehr Fahrgästen im öffentlichen Nahverkehr geführt. Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg stiegen die Fahrgastzahlen in den Jahren 2000 bis 2012 um fast 22 Prozent auf jährlich 1,3 Milliarden Fahrgäste. Allein im Eisenbahn-Regionalverkehr stieg die Nachfrage seit 2006 um stolze 36 Prozent. Diese starke, positive Entwicklung in der Metropolregion Berlin-Brandenburg setzt sich auch weiterhin fort.

Dieser Erfolg ist allerdings in Gefahr, denn derzeit ist unklar, in welcher Höhe der Bund den Ländern künftig finanzielle Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz für die Bestellung des Nahverkehrs auf der Schiene zur Verfügung stellt.

Anstelle einer langfristigen Perspektive zur Sicherung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf beschlossen, der ausschließlich für das Jahr 2015 gilt und nur die bisherige Höhe der Regionalisierungsmittel in Höhe von 7,3 Milliarden um ein weiteres Jahr mit 1,5 Prozent dynamisiert und festschreibt. Mit welcher Mittelausstattung die Länder durch den Bund ab 2016 rechnen können, ist im März 2015 – mehrere Monate nach dem vom Bund selbst festgelegten sogenannten Revisionstermin – völlig offen.

Regionalisierungsmittel müssen steigen

Dass die Länder mehr Regionalisierungsmittel brauchen, ist unbestritten. Zwei Gutachten – eines von den Ländern, eines vom Bund beauftragt – kommen einstimmig zu dem Schluss, dass ein höherer Finanzierungsbedarf notwendig ist. Wichtig dabei sind auch die Dynamisierungsraten, also der Prozentsatz, um den die Regionalisierungsmittel jedes Jahr erhöht werden, damit steigende Kosten (z. B. Trassen- und Stationsgebühren, Investitionen in die Infrastruktur) ausgeglichen werden können.

Um langfristig einen attraktiven und nachhaltigen öffentlichen Nahverkehr gewährleisten zu können, fordern die Bundesländer vom Bund eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel auf jährlich 8,5 Milliarden Euro und eine jährliche Dynamisierung von 2 Prozent. Hierzu haben die Bundesländer einen Gesetzesentwurf zur Novellierung des Regionalisierungsgesetzes eingebracht.

Planungssicherheit gewährleisten

Grafik
Entwicklung der Regionalisierungsmittel-Kaufkraft 2002 bis 2012. Es wird deutlich, dass durch die stark steigenden Trassen- und Stationsentgelte von den Bundesländern ein immer geringerer Anteil der Regionalisierungsmittel für die Bestellung von Verkehrsleistungen eingesetzt werden kann. Quelle: mofair e. V. und Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e. V. (Hg.): Wettbewerber-Report Eisenbahn 2013/2014, Seite 44.

Der öffentliche Personennahverkehr lebt von einem vorausschauenden Handeln. Verkehrsverträge zwischen den Bestellern und Verkehrsunternehmen werden mindestens auf 10 Jahre abgeschlossen. Die Bestellung des Fahrplans 2016 für die S-Bahn und den Eisenbahnregionalverkehr in Berlin und Brandenburg muss bis Anfang April 2015 abgeschlossen sein. Die unklare Finanzierungssituation bringt nicht nur die Fachplaner in eine schwierige Lage, denn ohne eine auf lange Frist ausreichende finanzielle Ausstattung, können die Länder und Aufgabenträger keine nachhaltigen Planungen und Konzepte zur Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen im Schienennahverkehr sichern. Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, längst fällige Planungen für z. B. Infrastrukturinvestitionen vornehmen zu können, um das Angebotsniveau an die sich verändernden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen anzupassen und weiter auszubauen. Neben den Anforderungen an die Verbesserungen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste, stehen auch weiter Zukunftssicherungen z. B. in dynamische und digitale Fahrgastinformationsanlagen, Lösungen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Strecken und Stationen, aber auch klassische Ausstattungsverbesserungen an Bahnhöfen mit auf der Agenda.

Die unklare Finanzierungssituation bringt uns in eine schwierige Situation, denn ohne eine auf lange Frist ausreichende finanzielle Ausstattung können die Länder und Aufgabenträger keine nachhaltigen Planungen und Konzepte zur Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen im Schienennahverkehr sichern. Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, längst fällige Investitionen vornehmen zu können, um das Angebotsniveau an die sich verändernden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen anzupassen und weiter auszubauen.

Erfolgsgeschichte fortsetzen

Der Bus- und Bahnverkehr ist für viele Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil der alltäglichen Mobilität und hat durch seine in den vergangenen Jahren hinzu gewonnene Attraktivität immer mehr Menschen zum Umsteigen bewegt. Er stärkt die heimische Wirtschaft, hilft die Lebensqualität in den Städten zu steigern und ist für das Fortbestehen eines lebendigen ländlichen Raumes unverzichtbar.

Durch immer höhere Infrastrukturkosten für Strom, Trassen- und Stationsnutzung stecken wir schon jetzt in einer finanziellen Schieflage, die bisher vor allem durch Effizienzgewinne in den wettbewerblichen Verfahren der letzten Jahre ausgeglichen werden konnte. Damit ist jetzt aber Schluss, es sind keine Reserven mehr im System.

Verschärft sich die Situation, kann es mittelfristig zu Angebotsverschlechterungen kommen – dabei brauchen wir doch angesichts der wachsenden Nachfrage eher mehr Verkehrsleistung! Die Sicherung der finanziellen Mittel für die Länder Berlin und Brandenburg ist deshalb der Schlüssel für eine Zukunft in unserer Wachstumsregion, die auf den öffentlichen Verkehr als wichtigen und weiterhin zuverlässigen Standortvorteil setzt.

Susanne Henckel, Geschäftsführerin VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH

aus SIGNAL 2/2015 (April/Mai 2015), Seite 21

 

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