Das Nachtreisezugangebot befindet sich
derzeit in einer existenzgefährdenden Abwärtsspirale.
So verkehrten die Nachtzug-
Verbindungen Kopenhagen—Amsterdam/Basel/Prag in der Nacht vom 2. auf den
3. November 2014 das letzte Mal. Vorausgegangen
war der Beschluss Dänemarks, die
Bezuschussung für dieses Angebot Ende
2014 einzustellen.
Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember
2014 ereilte auch die Nachtzug-Verbindungen
Hamburg/Berlin/München—Paris dieses
Schicksal. Begründung: Die Gesamtkosten
pro Zugkilometer für den Betrieb liegen
in Frankreich um 70 Prozent über dem Niveau
in Deutschland.
Des Weiteren erfolgte ebenfalls im Rahmen
des letzten Fahrplanwechsels eine
Verkürzung des Laufwegs der Nachtzug
Verbindung Warschau/Prag—Amsterdam;
diese beginnt bzw. endet nunmehr in Oberhausen.
Als Grund wurden seitens der Deutschen
Bahn zusätzliche Kosten für den Einsatz
einer ETCS-fähigen Lok angeführt.
Alle diese Maßnahmen stehen in krassem
Gegensatz zur Zielsetzung eines zusammenwachsenden
Europas. Der Abbau der
Bahnverbindungen bewirkt vielmehr eine
Spaltung.
Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember
2014 werden seitens der Deutschen Bahn
nur noch folgende Verbindungen angeboten:
- Amsterdam—München/Innsbruck
- Amsterdam—Zürich
- Binz/Berlin—Zürich
- Hamburg—Zürich
- Oberhausen—Köln—Warschau
- Oberhausen—Köln—Prag
- München—Berlin
- München—Hamburg
- München—Mailand
- München—Rom
- München—Venedig
- Prag—Zürich
Veralteter Fahrzeugpark
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Auslaufmodell DB-Nachtreisezug. Die Fahrzeugflotte ist überaltert, durch fehlende Investitionen gibt es Qualitätsdefizite und steigende Instandhaltungskosten. Zu Beginn des Jahres wurden insgesamt 34 Doppelstockschlafwagen abgestellt, nachdem die Deutsche Bahn mehrere Nachtreiseangebote gestrichen hatte. Foto: Christian Schult |
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Die aus den anfangs genannten Angebotsreduzierungen
frei gewordenen Wagen
ersetzen insgesamt 34 seit 1. Januar 2015
abgestellte Doppelstockschlafwagen bzw.
erhöhen (vorerst) die Fahrzeugverfügbarkeit
auf dem verbliebenen Rumpfnetz. Die
Sanierung bzw. Modernisierung der Doppelstockschlafwagen
wurde somit zwar eingespart;
dies zeigt jedoch bereits eines der
Hauptprobleme des Nachtreisezugverkehrs:
Die Fahrzeugflotte ist überaltert mit der Folge
von Qualitätsdefiziten und steigenden
Instandhaltungskosten.
Bereits für das Jahr 2017 ist die nächste
Stilllegungswelle absehbar, wenn aus Altersgründen
insgesamt 20 Wagen mit Schlafsesseln
abgestellt werden müssen. Somit
machen fehlende Investitionen in moderne,
zeitgemäße Fahrzeuge den Nachtzugverkehr
zum Auslaufbetrieb, sollte es keine Korrekturen
geben! Bereits seit Jahren führten
die Sparmaßnahmen im Nachtzugsegment
auch zu einem empfindlichen Serviceabbau,
so z. B. durch das Streichen der Speisewagen.
Massive Wettbewerbsverzerrungen
gefährden auch die Nachtzüge
Die Wettbewerbsintensität hat in den letzten
Jahren durch Billigflüge und den auch
auf Nachtverbindungen expandierenden
Fernbusverkehr erheblich zugenommen.
Massiv begünstigt wird diese Entwicklung
u. a. durch die seitens der Politik unverständliche
Duldung der unterschiedlichen
steuerlichen Belastung der einzelnen Verkehrsträger.
So beinhaltet in Deutschland der Preis
für ein internationales Nachtzugticket den
vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent
und belegt damit einen der Spitzenplätze
in Europa. Ein Flugreisender beispielsweise
in der Relation Berlin—Paris zahlt dagegen
keinerlei Mehrwertsteuer für sein Ticket. Die
Fluggesellschaften zahlen für den Treibstoff
zudem auch keine Kerosinsteuer.
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Nachtzug nach London in Fort William, Schottland. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es aus Großbritannien positive Signale zum Nachtreisezugverkehr. Bei dem „Caledonian Sleeper“ handelt es sich um von Schottland bestellte Züge, die verschiedene Städte Schottlands mit London verbinden. Foto: Christian Schultz |
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Für den Schienenverkehr wurde dagegen
z. B. die EEG-Umlage zum 1. Januar
2015 noch deutlich angehoben. Die Mautbefreiung
für Fernbusse sorgt ebenfalls für
erhebliche Wettbewerbsnachteile zu Lasten
der Schiene und ist damit ein zweifelhaftes
„Förderprogramm“ für die straßenorientierte
Verkehrspolitik der CDU-/CSU-/SPD-Koalition. Zum Vergleich: Eine einzige
Nachtzugfahrt von Kopenhagen nach Basel
verursacht rund 4500 Euro Trassenentgelt,
zu zahlen vom Verkehrsunternehmen.
Nicht zuletzt benachteiligen nicht harmonisierte
Fahrgastrechte den Verkehrsträger
Schiene.
Der Nachtzugverkehr ergänzt ICE- und
TGV-Verkehre
Teilweise wird das Potenzial der Nachtreisezüge
inzwischen sicherlich durch den Hochgeschwindigkeitsverkehr,
beispielsweise in
Form von ICE-Tagesrandverbindungen, abgedeckt.
Dies gilt u. a. auch für internationale
Relationen ab/bis Paris oder Amsterdam.
Dennoch wird damit den Bedürfnissen der
Reisenden nur teilweise entsprochen, wie
folgendes Beispiel für die derzeit früheste
Tagesverbindung Berlin—Paris zeigt:
Berlin Hbf ab 04.32 Uhr
Mannheim Hbf an 09.27 Uhr
Mannheim Hbf ab 09.47 Uhr
Paris Est an 12.50 Uhr
Die Nachteile einer derartigen Verbindung:
Eine trotz Nutzung von ICE und TGV
lange Fahrzeit mit später Ankunft am Zielort,
verbunden mit Umsteigezwang, einem
unsicheren Anschluss in Mannheim und
frühem Aufstehen – u. a. für Familien eine
kaum akzeptable Verbindung!
Auf Relationen von rund 1000 km schließt
der Nachtzug damit eine wichtige Angebotslücke
im Schienenverkehr, da im Gegensatz
zu den Wettbewerbern der besondere
Vorteil besteht, bei hohem Komfort die
Reisezeit als Schlafenszeit zu nutzen bzw.
gleichzeitig teure Hotelkosten zu sparen.
Für eine Nachtzugverbindung Berlin—Paris
gibt es also trotz Hochgeschwindigkeitszügen
unverändert Bedarf!
Wie Ulrich Homburg, DB-Vorstand Personenverkehr,
im Rahmen der Sitzung des
Verkehrsausschusses im Bundestag am
14. Januar 2015 auch zugegeben hat, ist die
Nachfrage bei den Nachtzügen stabil bzw.
sind diese Züge gut gebucht.
Wenig überraschend ist in diesem Zusammenhang
auch das Ergebnis einer DB-Umfrage
vom April 2014 unter Nachtzugfahrgästen:
Nur 25 Prozent der Nachtzugreisenden
würden den Hochgeschwindigkeitsverkehr
zum Beispiel in Form einer ICE-Tagesrandverbindung
als Alternative nutzen, allein
rund 33 Prozent aber das Flugzeug, weitere
Kunden Fernbus und Pkw. Bahnkunden werden
bei Einstellung des Nachtzugverkehrs
somit in großem Stil vertrieben, und zwar
direkt in die Arme der Konkurrenz!
Mit einem zeitgemäßen, modernen Angebot
und Nutzung auch der Schnellfahrstrecken
ließe sich der Radius des Nachtzugverkehrs
sogar auf Relationen von rund
2000 km bei attraktiven Fahrzeiten deutlich
erweitern. Dringend wird daher ein europäisches
Nachtzug-Konzept benötigt, das
eine Vorwärtsstrategie beinhaltet und dabei
auch anstehende Finanzierungsfragen
der Fahrzeuge berücksichtigt. So fehlen für
Bahnkunden derzeit, abgesehen von den
anfangs genannten Verbindungen, weitere
verkehrlich wichtige Relationen wie z. B. Berlin—London,
Berlin—Rom, Stockholm—Hamburg—Köln, Oslo—Hamburg—Köln
oder Amsterdam—Rom.
Ein zukunftsfähiges Nachtzugkonzept
ab 2016?
Seitens der Deutschen Bahn wurde angekündigt,
ab 2016 ein „zukunftsfähiges
Nachtzug-Konzept“ auf verkleinerter Umsatz-
und Kostenbasis zu etablieren. Angesichts
einer solchen Ankündigung muss
schon jetzt bezweifelt werden, dass diese
Chance genutzt wird, in attraktiver Weise
notwendige grenzüberschreitende europäische
Verbindungen (zum Teil erst einmal
wieder) herzustellen. Der konzeptionelle
Ansatz des Gesundschrumpfens dürfte vielmehr
weiter in die Sackgasse führen.
Zweifel an der Ernsthaftigkeit werden
nicht zuletzt dadurch genährt, dass der
Nachtreisezugverkehr bewusst schlecht
gerechnet wurde. Nach offiziellen Angaben
nutzten 2013 insgesamt 1,4 Mio. Fahrgäste
das Nachtzugangebot. Unterschlagen wurden
dabei 1,2 Mio. Fahrgäste, die die Sitzwagen
dieser Züge als Pendler in Teilabschnitten
nutzten.
Leere Schlaf- und Liegewagenplätze
trotz Nachfrage
Auch die Vertriebswege der europäischen
Bahnen müssen für den internationalen
Verkehr verbessert werden. So konnten in
der Vergangenheit oft keine Plätze in Nachtzügen
mehr gebucht werden, obwohl diese
verfügbar waren.
Dieser Missstand hat seine Ursache letztlich
in der mangelhaften Zusammenarbeit
der Bahnunternehmen. So stellt die Deutsche
Bahn bei grenzüberschreitenden Verbindungen
den Partnerbahnen bestimmte
Kontingente zur Verfügung, die dann bei der
DB zur Buchung gesperrt sind. In der Praxis
wurden nicht verkaufte Kontingente aber
entweder zu spät,
schlimmstenfalls gar
nicht zurückgegeben.
Die Folge: In Schlaf- und
Liegewagen
bleiben Plätze ungenutzt
– trotz vorhandener
Nachfrage! Ein
Skandal, wenn man
bedenkt, dass vom
Bahnmanagement
andererseits die Unwirtschaftlichkeit
der
Nachtreisezüge und
„geringe, stagnierende
Einnahmen“ beklagt
werden.
Eine Zukunft des Nachtzug-Verkehrs
gibt es nur mit veränderten politischen
Rahmenbedingungen
Auch wenn der Schienenpersonenfernverkehr
in Deutschland auf eigenwirtschaftlicher
Basis betrieben werden muss, ist es
Pflicht der Politik, verkehrsträgerübergreifend
einheitliche und faire Wettbewerbsbedingungen
herzustellen. Wenn die politischen
Rahmenbedingungen für den Nachtzugverkehr
nicht geändert werden, dürfte
sich der scheibchenweise Rückzug bis hin
zur kompletten Einstellung letztlich unaufhaltsam
fortsetzen.
Geänderte Rahmenbedingungen sind
aber Voraussetzung, wenn derzeit bestehende
Qualitätsdefizite abgebaut werden
sollen. Die nachfolgend beschriebenen Probleme
sind seit vielen Jahren bekannt, geschehen
ist auf politischer Ebene dagegen
nichts!
1. Besteuerung von Kerosin
Derzeit ist Kerosin in den Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union steuerfrei – außer
in den Niederlanden. Dies stellt jedoch eine
erhebliche Wettbewerbsverzerrung zu Lasten
der Schiene dar und ist angesichts der
negativen ökologischen Auswirkungen in
Form von Lärm-, Treibhausgas- und Schadstoffemissionen
des Luftverkehrs nicht zu
rechtfertigen. Auch vor dem Hintergrund
der ehrgeizigen Klimaschutzziele muss diese
überflüssige Subvention beendet werden.
2. Maut für Fernbusse einführen und
Trassenpreise senken
Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen
für die Nutzung der Schienenwege kontinuierlich
steigende Trassen- und Stationsentgelte
zahlen. Im europäischen Vergleich
erreichen dabei die deutschen und französischen
Trassenpreise für Fernverkehrszüge
das höchste Niveau bzw. liegen mehr als
doppelt so hoch wie im europäischen Mittel.
Der Fernbus kann dagegen die Verkehrswege
zumindest in Deutschland uneingeschränkt
kostenlos nutzen und darauf seine
Leistungen zu Dumpingpreisen anbieten.
Um diesen massiven Wettbewerbsnachteil
zu beheben, muss die Lkw-Maut auf
Fernbusse ausgeweitet werden. Außerdem
müssen die in Deutschland und Frankreich
überdurchschnittlich hohen Trassenpreise für
den Personenzugverkehr gesenkt werden. In
Deutschland bietet hierbei die derzeit laufende
Weiterentwicklung des Trassenpreissystems
(TPS 2017) die Chance, entsprechende
Korrekturen vorzunehmen bzw. wirtschaftlich
tragfähige Trassenpreise u. a. auch für
den Nachtzugverkehr zu entwickeln.
3. Harmonisierung der Umsatzsteuersätze
Der Vergleich der einzelnen EU-Staaten
zeigt: Nach Kroatien ist in Deutschland
der Mehrwertsteuersatz mit 19 Prozent
für grenzüberschreitende Bahnfahrten am
höchsten. Internationale Flüge sind dagegen
komplett von der Umsatzsteuer befreit.
Um den deutlichen Umweltvorteil der Bahn
zu nutzen, sollte es politisches Ziel sein, ihren
Anteil am gesamten Verkehr zu steigern.
Mit der ungleichen Belastung, u. a. auch
bezüglich der Umsatzsteuer, wird jedoch
genau das Gegenteil erreicht! Eine Harmonisierung
der Umsatzsteuersätze ist daher
überfällig.
Selbst für eine Hotelübernachtung (denn
diese wird durch eine Nachtzugfahrt ja ersetzt)
beträgt der Steuersatz lediglich 7 Prozent.
4. Harmonisierung der Fahrgastrechte
Die Regularien entsprechend VO (EG)
1371/2007 sehen im Schienenverkehr eine
Fahrpreis-Erstattung bei einer verspäteten
Ankunft ab 60 Minuten in einer Höhe von
25 Prozent vor, ab 120 Minuten sogar von
50 Prozent. Die Fahrgastrechte gemäß VO
(EU) 181/2011 für den Fernbusverkehr gelten
im Wesentlichen erst bei Reisen ab 250 km.
Erstattungsregularien greifen bei einer verspäteten
Abfahrt von 120 Minuten, dagegen
nicht bei einer Ankunftsverspätung. Damit
treffen die aus der Entschädigungspflicht
resultierenden Kostenbelastungen einseitig
den umweltschonenden Verkehrsträger
Schiene.
Zweierlei Maß bei Entschädigungsregelungen
darf es aber nicht geben! Auch in
diesem Fall besteht somit erheblicher Harmonisierungsbedarf.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr
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