Nahverkehr

Lieber Klaus Böger!

Immer freue ich mich, wenn Sie auf dem Bildschirm oder in der Zeitung erscheinen, weil es dann meistens etwas zu lachen gibt. So auch neulich wieder, als Sie mit tollen Vorschlägen zur Verkehrspolitik aufwarteten. Nicht nur, daß das bißchen Wettbewerb, das es momentan zwischen S-Bahn und BVG gibt, durch Bildung eines Kombinats - pardon: eine Fusion - gleich wieder beseitigt werden sollte. Auch wollen Sie dabei mal eben ein paar hundert Millionen einsparen.

Die BVG hat mal ausgemalt, wie das wäre: Die doofe Straßenbahn größtenteils stillgelegt, der Bus fährt nur bis zur nächsten Schnellbahnstation und dort, wo U- oder S-Bahn in etwa einem Kilometer Entfernung fahren, gar nicht mehr. „Wesentliche Leistungseinschränkungen" dürfe es freilich nicht geben, haben Sie erklärt und mich gleich wieder zum Schmunzeln gebracht: „wesentlich" ist schließlich Auslegungssache. Damit man aber doch eine Vorstellung bekommt, worauf Sie hinaus wollen, gaben Sie die Parole aus: „Kein Parallelverkehr mehr!" Dabei sind Sie uns nicht gleich wieder mit Pankow gekommen, nein, Sie haben uns die Steglitzer Schloßstraße als Beispiel genannt, „auf der mehrere Buslinien verkehren, obwohl darunter die U-Bahn fährt und die S-Bahn bequem zu Fuß zu erreichen sei", wie Sie zitiert werden.

Schließlich sind Sie, lieber Klaus Böger, nicht nur Steglitzer Abgeordneter und Steglitzer Kreisvorsitzender Ihrer Partei, nein, Sie wohnen seit Jahrzehnten in Steglitz! Deshalb wissen Sie genau, welche Riesensauerei in Sachen ÖPNV auf der Schloßstraße abläuft und wie schön alles sein könnte: Der 148 fährt von Tiergarten aus nur bis zum Walther-Schreiber-Platz, da steigen dann alle Kunden des öffentlich-rechtlichen Kombinats Berliner Verkehrsbetriebe in die U-Bahn um, fahren zwei Stationen bis Rathaus Steglitz und klettern da wieder in den Bus zurück. Das bringt auch eine bessere Auslastung der Tunnelstrecke, verlassen doch die meisten Fahrgäste die Züge aus Richtung Zoo schon am Schreiber-Platz. Genaugenommen stellt allerdings auch die U-Bahn einen Parallelverkehr dar. Also, zeigen Sie Ihren bewährten Mut: Die Strecke unter der Schloßstraße wird stillgelegt, denn schon nach einem kurzen, Ihrer Aussage nach „bequemen" Fußmarsch von nicht einmal vierhundert Metern können die Beförderungsfälle an der Feuerbachstraße mit der im attraktiven Zehn-Minuten-Takt verkehrenden S-Bahn zum Busanschluß am Rathaus Steglitz weiterfahren. Und das mit vollen Einkaufstüten und womöglich zwei Kindern im Schlepptau.

Ihr Spezi Landowsky ist davon ganz begeistert. Denn das macht natürlich kein Mensch, der ein Auto hat und noch ganz bei Trost ist. Weiter sinkende Fahrgastzahlen wären dann ein Argument für noch weniger Leistung und noch höhere Preise, bis dann jeder mit dem Pkw fährt. Mit der Aufhebung des „Parallelverkehrs" würde der Senat ja nicht nur prima Geld sparen, es wäre auch endlich mehr Platz auf den Straßen. Zwar nicht viel mehr, zumal es dann mehr Autos gibt. Hoffentlich merkt Ihre Partei nicht zu früh, was Sie da eigentlich treiben, und krönt Sie noch zum Spitzenkandidaten bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl.

Darauf freut sich
Ihr Jan Gympel

Jan Gympel

aus SIGNAL 3/1998 (Mai 1998), Seite 8

 

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