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Wir hätten uns gern geirrt und unbeschwert gefeiert, aber am
ersten Tag nach Wiederinbetriebnahme der Stadtbahn für den
Eisenbahn- Fern- und Regionalverkehr trat das ein, was der Berliner
Fahrgastverband befürchtet hatte: Die Bahn hat sich mit dem neuen
Fahrplan, der ab dem ersten Betriebstag eine extreme Zugdichte vorsah,
hoffnungslos übernommen. Schon kleinste Störungen reichen aus, um durch
den Dominoeffekt den gesamten Fern- und Regionalverkehr von und nach
Berlin zum Zusammenbrechen zu bringen. Betroffen waren am ersten Tag
alle Verbindungen, auch diejenigen, die gar nicht über die Stadtbahn
führen. Zehntausende Reisende wurden durch verspätete Züge, verpaßte
Anschlüsse, kurzfristige ersatzlose Zugstreichungen, schlechte,
falsche und unterlassene Informationen verärgert.
Was ist zu tun?
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Vier Tage vor dem Fahrplanwechsel schien die Welt noch in Ordnung. Eröffnungszug für geladene Gäste und die Presse am 20. Mai 1998 im Bahnhof Zoologischer Garten. Foto: Marc Heller |
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- Die Bahn muß sich bei allen Reisenden nicht nur pauschal entschuldigen,
sondern sie auf dem Kulanzweg ohne Einzelfallprüfung entschädigen. Unser
Vorschlag: Alle, die einen
Fahrausweis von oder nach Berlin mit Datum 24. Mai 1998 abgeben,
bekommen die Hälfte des Fahrpreises erstattet.
- Die Bahn muß sofort ihren Fahrplan überarbeiten. Der Berliner
Fahrgastverband IGEB hatte frühzeitig vor zu vielen Zügen auf der
Stadtbahn gewarnt und den Eindruck gewonnen, daß mit der Vielzahl von
Regionalzügen auf der Berliner Stadtbahn von dem unverantwortlichen
Regionalverkehrs-Abbestellungen und -Stillegungen im Land Brandenburg
abgelenkt werden soll. Dieses Konzept ist nun gescheitert. So
schmerzlich es für einzelne Reisende ist, so unvermeidlich ist es,
daß die Bahn einige Regionalverkehrsangebote von der Stadtbahn
streicht. Einige Fahrgäste müssen dann auf die S-Bahn umsteigen,
damit die Mehrheit wieder pünktlich Bahn fahren kann.
- Die Bahn muß ihr Krisenmanagement verbessern. Es gibt keine Entschuldigung
dafür, daß derartig hilflos und chaotisch auf eine grundsätzlich
einzukalkulierende Ausnahmesituation reagiert wird, wie geschehen.
IGEB-Anmerkung:
Der Pressedienst, der hier wiedergegeben ist, stammt vom
24. Mai 1998. Inzwischen hat die DB AG den Forderungen
1 und 2 teilweise entsprochen.
"Normaler" geworden ist die Situation auf der Stadtbahn allerdings in
der ersten Woche nach dem Fahrplanwechsel nicht. Zugverspätungen unter
5 Minuten kommen sehr selten vor... meist sind es 30 und mehr.
"Pünktlich wie die Eisenbahn" kann im Moment an nie kaum noch
überboten werden: jede Eisenbahnfahrt, ob im Nah- oder Fernverkehr,
wird derzeit zu einem risikoreichen Unterfangen.
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Fernbahnhalle Bahnhof Zoologischer Garten am 24. Mai 1998. Foto: Thomas Billik |
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Besonders ärgerlich ist das Chaos, weil es absehbar war. In der DB AG
gab es kompetente Stimmen, die vor diesem ehrgeizigen Betriebsprogramm
warnten. Auf sie wurde nicht gehört. Der maßlose Ehrgeiz Einzelner
und sicherlich auch der politische Druck waren größer als Vernunft
und Verstand.
Die DB AG hat versprochen, allen, denen durch Zuverspätungen
und -ausfälle Mehrkosten für Taxi und ggf. Hotelübernachtungen
entstanden sind, diese kulant zu ersetzen. Das ist eine
Selbstverständlichkeit! Wichtiger ist es, in Zukunft durch eine
realistische Fahrplangestaltung solche peinlichen und vermeidbaren
Tage, ja Wochen, auszuschließen. IGEB
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