"Da hätte ich ja die S-Bahn nehmen können", lautete die vielgehörte
Erkenntnis verärgerter Fahrgäste. Hat man aber nicht, denn weder im
Ostbahnhof noch am Alexanderplatz oder am Zoo gab es Hinweise,
daß eine Fahrt über die Stadtbahn mit Regional- oder Fernzügen
deutlich länger dauert als mit der S-Bahn.
Nicht nur die Kundeninformation fiel komplett aus, sondern auch die
bahninterne. Die Mitarbeiter in den Zügen und auf den Bahnhöfen wurden
alleingelassen und wußten meist nur, was sie selbst sehen konnten. Das
war nicht viel, denn die Richtungsanzeiger auf den Bahnsteigen
funktionierten nicht. Eine Anzeige des Fahrtzieles an den Zügen war
die Ausnahme. Es gab offensichtlich niemanden, der den Überblick
hatte! Bei Fahrgästen und Mitarbeitern herrschte Rat- und Hilflosigkeit,
die auch in Zorn und Wut mündete.
Das Bahnmanagement hat sich vor dem Fahrplanwechsel strahlend in den Medien
präsentiert und hohe Erwartungen geweckt. Doch erst am 26. Mai (zwei Tage
nach Fahrplanwechsel) konnten diese ansatzweise erfüllt werden. Am 24.
und 25. Mai zeigte sich, daß sich die Bahn AG überschätzt und mit
der Vorbereitung verkalkuliert hatte.
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Abfahrtstafel in der Fernbahnhalle Zoologischer Garten am 25. Mai 1998. Foto: Marc Heller |
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Anzeichen dafür, daß der Fahrplanwechsel nicht gutgehen konnte, gab es
schon Tage vorher, sie wurden jedoch ganz offensichtlich von den
Verantwortlichen ignoriert. In der Woche vor dem Fahrplanwechsel sind
beim Testbetrieb mit wenigen Zügen Schwierigkeiten bei der Signalsteuerung
aufgetreten. Es war absehbar, daß viele Züge nicht zu beherrschen sind.
Die Zugzielanzeiger auf den Bahnsteigen waren zum Beispiel am Bahnhof
Zoo ganz ausgebaut worden, so daß eine Fahrgastinformation auf diesem
Weg gar nicht möglich war. Zuglaufschilder für die neuen Zugverbindungen
gab es fast nicht, an den neuen RE160-Wagen blieben die elektronischen
Anzeigen meist dunkel. Bei den vielen Zügen mit planmäßig kurzen
Aufenthaltszeiten und der bekannt schlechten Akustik für
Lautsprecherdurchsagen in den Bahnhofshallen gehörte nicht viel dazu,
um vorherzusehen, daß es drunter und drüberzugehen wird.
Zudem war bei der Wiederinbetriebnahme erkennbar, daß es auch große Defizite
bei der Vorbereitung des Personals gegeben hat. Von Koordination keine
Spur. Es reicht eben nicht, wenn jeder einzelne für sich geschult wird.
Der Betrieb funktioniert nur, wenn alle Zusammenarbeiten. Das muß bei
einem störungsanfälligen Betriebsprogramm wie zwischen Charlottenburg und
Rummelsburg sorgfältiger vorbereitet werden. Sogar auf selbstverständliche
Dinge, wie die Ausstattung eines jeden Zugbegleiters mit einem Kursbuch,
hatte die Bahnführung verzichtet.
Es ist bemerkenswert, daß sich der DB-Konzernbeauftragtefür Brandenburg
bei den Fahrgästen entschuldigte, nachdem er das Ausmaß des von ihm
mitzuverantwortenden Chaos erkannt hat; doch es fehlen nach wie vor
schlüssige Erklärungen für die ungenügende Vorbereitung aller Beteiligten.
Und anzulasten bleibt dem neuen Vorstandsmitglied der DB AG und bis vor
wenigen Tagen Konzernbeauftragten für Berlin, Axel Nawrocki, daß er
sich nach der Eröffnungsfeier am Ostbahnhof ins Unerreichbare verdrückte.
Es bleibt zu wünschen, daß sich der Betrieb auf der Stadtbahn in den
kommenden Wochen einspielt und stabilisiert. Für die Fahrgäste ist es
ein wichtiges Angebot, mit Regional- und Fernzügen direkt durch Berlin
fahren zu können und mehrere Möglichkeiten zum Ein- und Aussteigen zu
haben. Eine Reduzierung des Angebotes aus betrieblichen Gründen wäre
nur zu akzeptieren, wenn sich die dichte Gleisbelegung als ständiges
Risiko erweist. Aber das sollte dann mit Augenmaß erfolgen. Anbieten
würde sich da erstmals nur der RE 1-Verstärker, der auf die
Strecke Fürstenwalde - Ostbahnhof zurückgezogen werden könnte.
Außerdem darf davon ausgegangen werden, daß die DB gelernt hat, wie
anfällig der Verkehr auf der Stadtbahn ist. Eine Wiederholung dieses
Fiaskos wird durch Vorbereitung mit einem koordinierten Vorgehen bei
einer erneuten Panne hoffentlich vermieden.
Deutscher Bahnkunden-Verband Landesverband Brandenburg
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