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Läßt der Berliner Senat die U-Bahn verkommen?

Laut einer Mitteilung der Presseagentur dpa erwägt der Berliner Senat schon 1999 mit dem Bau der U5-Verlängerung zwischen Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof zu beginnen, und zwar im Abschnitt zwischen Alexanderplatz und Berliner Rathaus. In diesem Bereich sind laut Senator Jürgen Klemann die Gleise schon vorhanden. Man müsse nur den neuen U-Bf Berliner Rathaus bauen. Auch seien Gelder für die Verlängerung vorhanden.

Wenn mit dem Bau des U-Bahnhofs Berliner Rathaus, der aufgrund seiner Nähe zum bestehenden Bahnhof Alexanderplatz nur einen geringen Verkehrswert hat, begonnen wird, würden sich die verhängnisvollen Fehlentscheidungen in der Berliner Verkehrspolitik fortsetzen. Es ist darüber hinaus ein Trugschluß anzunehmen, daß nur ein einfacher U-Bahnhof am Berliner Rathaus gebaut werden muß.

Der U-Bahnhof Berliner Rathaus ist als sogenannter Turmbahnhof mit zwei Bahnsteigebenen, vergleichbar dem jetzigen U-Bahnhof Schloßstraße in Steglitz, geplant. Am U-Bf Berliner Rathaus müssen laut Flächennutzungsplan zwei (!) U-Bahnlinien berücksichtigt werden. Neben der U5 ist auch die geplante U3 (Adenauerplatz - Weißensee) in diesem U-Bahnhof zu berücksichtigen. Der projektierte U-Bahnhof ist damit von seiner baulichen Anlage sehr aufwendig und damit sehr teuer. Darüber hinaus muß massiv baulich in den vorhandenen Tunnel zwischen U-Bahnhof Alexanderplatz und dem Berliner Rathaus eingegriffen werden.

H-Zug auf der Strecke.
Schicke Züge - schlechte Strecken? Foto: M. Heller, März 1998

Damit würde sich auch dieser U-Bahnhof in die unselige Tradition von Geldvernichtung in dieser Stadt einreihen. Schon jetzt sind eine Vielzahl von Bauvorleistungen für die U-Bahn ungenutzt seit Jahrzehnten im märkischen Sand vergraben. Teilweise sind diese Bauvorleistungen inzwischen durch veränderte Planungen überflüssig geworden. Auf diese Weise ist auch der bereits erwähnte U-Bahnhof Schloßstraße entstanden. Auch dort sollte eine zweite U-Bahnlinie berücksichtigt werden. Diese U-Bahnlinie ist inzwischen endgültig aus dem Flächennutzungsplan gestrichen worden.

Statt weiterhin Geld in die unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten wenig sinnvolle U5 zu stecken, sollten die knappen Gelder vielmehr in den dringend erforderlichen Ausbau des Straßenbahnnetzes investiert werden. Gleichzeitig mit dem verbohrten Festhalten des Senats an der U5-Planung verfällt das verhandene Berliner U-Bahnnetz. Für die Instandhaltung der U-Bahn bekommt die BVG pro Jahr 150 Mio. DM vom Land. Diese Mittel reichen bei weitem nicht aus. Die BVG schätzt den Sanierungsbedarf für das vorhandene Netz auf über 2 Mrd. DM.

Im Berliner Interesse liegt daher eine Modifizierung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG). Fördergelder müssen zur Sanierung bestehender Infrastruktur verwendet werden, und nicht nur für Neubauvorhaben. Diese Regelung galt bisher im Beitrittsgebiet. Der Berliner Senat muß daher sein U-Bahn-Engagement durch das Einbringen einer entsprechenden Bundesratsinitiative unter Beweis stellen. Wenn hier nicht kurzfristig eine grundlegende Änderung der Finanzierungsmöglichkeiten erfolgt, droht, daß ganze Strecken wegen fortschreitendem Verfall gesperrt werden müßten.

IGEB

aus SIGNAL 7/1998 (September 1998), Seite 4

 

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