Erfahrungen mit vierzig Jahren des Versuches, autogerechte Verkehrswege
und Strukturen von Siedlungsräumen zu planen und politisch durchzusetzen
gab es reichlich. In Saarbrücken und Straßburg wurde die Straßenbahn
völlig aus dem Stadtbild verbannt. Irgendwann kam dann jedoch
die Rückbesinnung auf die Vorteile dieses Systems.
Saarbrücken
Der Betrieb in Saarbrücken baute kein gegebenes Netz wieder auf, man
entwickelte einen Standard für zukunftsträchtige Lösungen, erwog und
verwirklichte den Schritt zum Zwei-System-Schienenverkehr und überschritt
die Grenze zum benachbarten Frankreich. Kompromisse wurden geschlossen,
Zugeständnisse gemacht, Ängste abgebaut, das öffentliche Interesse
konsequent in den Vordergrund gestellt. Abgeordnete, Politiker und auch
die Verwaltung zogen im richtigen Moment an einem Strang, ließen sich
überzeugen und halfen Beschlüsse durchzusetzen. Die realen und die
scheinbaren Kosten eines schienengebundenen ÖPNV wurden einer realistischen
und ehrlichen Wertung unterzogen. Die Saarbrückener Stadtbahn führt
über einen Hügel am Hauptbahnhof und läßt den Autoverkehr im Tunnel
unter sich.
Straßburg
Die Grenzstadt am Rhein verfuhr analog, blieb auf eigenen Gleisen und bleibt
auch zukünftig am betriebseigenen Unterwerk. Sie ist nichts destoweniger
dabei, ein regionales Netz aufzubauen. Dem propagierten Tunnelwunder der
sechziger Jahre wurde in den achtziger Jahren ein Konzept gegenüber
gestellt, das Investitionskosten, und verkehriiche Vor- und Nachteile in
einen vernünftigen Zusammenhang bringt. Die im Stadtraum störenden Rampen
wurden zum Gegenargument für eine komplette Tunnelbahn. Die Straßburger
Stadtbahn unterfährt nur die umfangreichen Bahnanlagen des Hauptbahnhofes
und taucht in der Fußgängerzone wieder auf.
Karlsruhe
Bezogen auf Saarbrücken und Straßburg konnte die Region Karlsruhe beim
Bewährten bleiben. Der vorhandene Betrieb wurde erneuert und wird
ständig ausgebaut.
Der Betrieb war schon früh auch Betreiber von Anschlußgleisen, Eigentümer
von Nebenbahnen unterschiedlicher Spurweiten und betrieb die kommunale
Rhein-Hafenbahn. Es gab Eigentümerwechsel und Umspurungen, gemischten Betrieb
und gemeinsame Nutzung von Gleisanlagen. Über Allem standen Optimismus,
Erfindergeist und solides Fachwissen. Der Karlsruher Verkehrsbetrieb und der
heutige Verkehrsverbund leben von und mit den Erfahrungen eines
kontinuierlichen Vertrauens auf Schienenverkehr. Ein eisenbahnkonformes
Radprofil im kurvenreichen
innerstädtischen Rillenschienennetz, Weichen mit Verschluß und ausladende
Herzstücke, das alles konnte mit auf Sachkenntnis gestützter Überzeugung
durchgesetzt werden, und wird als akzeptierbar angenommen. Das beneidenswerte
Verkehrsangebot, die umsteigefreien Regionalverbindungen, hohe
Reisegeschwindigkeit, der Service im „Speisewagen", vermitteln eine
positive öffentliche Resonanz. Sauberkeit und unbeeinträchtigter
Optimalzustand aller für den Fahrgast wichtigen Anlagen und der Fahrzeuge
schaffen Akzeptanz für den Tarif und Optimismus für Ausbau und
Netzerweiterung. Letzteres gilt für alle drei Betriebe; als Hiesiger
fühlt man sich dort wie in einer anderen Welt.
Es gibt sie doch - Kommunen und Regionen, Bürger und Politiker,
für die Betrieb und Neuaufbau von Straßen- und Stadtbahnen keine
Fehlhandlung abwegig nostalgiebesessener Außenseiter ist!
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Der Berliner Fahrgastverband IGEB und der Denkmalpflege-Verein
Nahverkehr Berlin danken den Leitern und Mitarbeitern der Straßenbahnbethebe
in Saarbrücken, Straßburg und Kahsruhe für die überaus freundliche Aufnahme
und die vielen ausfühhichen Erklärungen.
IGEB
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