Wer nur die vier Beschlusspunkte des vorher
stehenden Artikels der SPD liest, wird das
Papier vermutlich als übliche Ansammlung
von wohl formulierten Allgemeinplätzen
werten. Wer aber die Begründung liest,
kann erkennen, dass die SPD im Land Brandenburg
bereit ist, jahrelange verfestigte
Positionen zumindest zu überprüfen.
Ein unantastbarer Grundsatz war das Gießkannenprinzip.
Der Schienenverkehr im Berlin-fernen und Berlin-nahen Brandenburg
wurde nahezu gleichrangig behandelt. Eine
Abwägung zwischen dem Verzicht auf fast
leere Züge in dünn besiedelten Gebieten
und Zusatzangeboten zur Entlastung überfüllter
Züge rund um Berlin und Potsdam
war nicht gewünscht. Getragen wurde diese
Haltung im Wesentlichen nicht von Strategien
zur Stärkung des ländlichen Raumes
durch Erhalt von Schienenverkehr,
sondern
vor allem von der Sorge, durch Abbestellungen
im Berlin-fernen Raum Wählerstimmen
zu verlieren. Interessanterweise gab es beim
Straßenausbau keine vergleichbare Gewichtung
zu Lasten des Berliner Umlands.
Ein Garant für diese Politik war der SPD-Verkehrspolitiker
Jörg Vogelsänger in seinen
unterschiedlichen Funktionen, zuletzt
als Verkehrsminister der Landesregierung.
Besonders deutlich wurde seine Haltung in
der strikten Ablehnung von S-Bahn-Verlängerungen
im Land Brandenburg.
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Viel Entwicklungspotenzial am südöstlichen Stadtrand. - S-Bahn Lichterfelde Süd—Teltow Stadt
- S-Bahn nach Teltow, eingestellt 1961
- Anhalter Bahn, Fern- und Regionalbahn
- Trasse für S-Bahn freigehalten
- S-Bahn „Friedhofsbahn“, eingestellt 1961
- Berlin—Potsdamer Bahn (Stammbahn)
, perspektivischer Wiederaufbau Grafik: Mathias Hiller |
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Dokumentiert wurde das unter anderem
im brandenburgischen „Landesnahverkehrsplan
2013–2017“. Darin heißt es: „Erweitert
wird das S-Bahn-Netz mit der Einbindung
des Flughafens BER zum Zeitpunkt
seiner Eröffnung. Darüber hinausgehende
Netzerweiterungen sind aus Sicht des Landes
Brandenburg weder verkehrlich erforderlich
noch unter den gegebenen Finanzperspektiven
möglich.“
Da im Land Brandenburg über S-Bahn-Verlängerungen
also nicht einmal mehr
nachgedacht wurde, war die Nachfolgerin
von Jörg Vogelsänger, Ministerin Kathrin
Schneider, überfordert, als sie gefragt wurde:
„Wenn Geld genug da wäre, wo würden
Sie als erstes die S-Bahn verlängern?“ Ihre
Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten.“
– nachzulesen in der Berliner Zeitung
vom 23. März 2015. Und um jegliche
S-Bahn-Begehrlichkeiten bereits im Ansatz
zu ersticken, sagt die Ministerin am Ende
des Interviews: „Und wir sind im Berliner
Umland schon vergleichsweise hervorragend
strukturiert. An unseren Nahverkehr
kommt keine andere Region in Deutschland
heran.“
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Der Bahnhof Velten kann seine S-Bahn-Vergangenheit nicht verleugnen. Von 1927 bis 1983 fuhr hier die elektrische S-Bahn. Ein Wiederaufbau der S-Bahn von Hennigsdorf bis Velten wurde bisher von der Brandenburgischen Regierungspartei SPD vehement abgelehnt. Jetzt will die SPD doch noch einmal darüber nachdenken – auch über den (Wieder-)Aufbau bzw. eine Trassenfreihaltung weiterer S-Bahn-Strecken in Brandenburg. Die IGEB begrüßt den Sinneswandel. Foto: Tom Gerlich, 2011 |
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Vor dem Hintergrund solcher Fehleinschätzungen
ist es bemerkenswert und erfreulich,
dass der SPD-Landesvorstand nun
beide fundamentalistischen Positionen zur
Überprüfung freigibt und damit anerkennt:
Erstens gibt es beim Schienenverkehr im
Berliner Umland, anders als von Verkehrsministerin
Schneider behauptet, durchaus
erhebliche Defizite und nicht ausgeschöpfte
Verbesserungspotenziale. Zweitens darf
nun auch in Brandenburg wieder über die
Verlängerung von S-Bahn-Strecken nachgedacht
werden.
Dieser Beschluss ist auch ein gutes Vorzeichen
für den nächsten Landesnahverkehrsplan
ab 2018, denn nun besteht Hoffnung,
dass es eine so fundamentale Absage an
S-Bahn-Verlängerungen im Land Brandenburg,
wie im aktuellen Landesnahverkehrsplan,
der selbst Trassenfreihaltungen ausschließt,
in der Nach-Vogelsänger-Ära nicht
mehr geben wird.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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