Nahverkehr

Potsdam: Erster Serien-Combino in der Landeshauptstadt

22. Oktober 1998 in Potsdam: Nachdem im Sommer 1997 der Combino-Prototyp für mehrere Wochen seine Vorstellung auf Potsdamer Strecken gegeben hatte, traf nun das erste von 48 bestellten Serienfahrzeugen ein. Damit beginnt auch in Potsdam bei der Straßenbahn das Niederflur-Zeitalter. Feierlich erhielt der Wagen vor dem Nauener Tor den Namen „Stadt Potsdam“.

Insgesamt scheint der Siemens Verkehrstechnik mit diesem Fahrzeug ein gelungener Entwurf geglückt zu sein. Alle, die das Berliner Niederflurfahrzeug GT6N kennen, werden die Vorteile ausreichenden Fußraumes zu schätzen wissen: keine Drehgestellkästen oder Podeste engen diesen im Combino ein. Die Fahrwerke befinden sich in den als Durchgängen konzipierten Gelenkmodulen. Interessant ist, daß auch ADTranz bei seiner neuesten Straßenbahn-Baureihe Incentro (Nantes) von der mißlungenen Anordnung der Fahrwerke und Antriebe abgegangen ist und den Einsatz von Gelenk-Zwischenteilen vorsieht. Neben dem Vorteil der von Einbauten freien Fahrgasträume hat dies einen weiteren positiven Effekt - nur so erhält man eine definierbare und außerdem schmale Hüllkurve des Fahrzeugs bei Bogenfahrten. Combino und Incentro "schlängeln" sich nicht mit wilden Heckausschlägen durch die Stadt, wie das der GT6N tut. Sie haben damit einen klaren Vorteil, da nicht im gesamten Netz die Gleismittenabstände vergrößert werden müssen, um ihren Einsatz zu ermöglichen.

Eine weitere Möglichkeit bietet der Combino aufgrund seiner besseren Platzverhältnisse: es können Fahrräder mitgenommen werden - ein Vorhaben, das im Berliner Fahrzeug schlicht unmöglich ist. Auch kann die Anordnung der Türen beim Combino als gelungen bezeichnet werden: Sie sind auf der gesamten Fahrzeuglänge im wesentlichen gleichmäßig verteilt.

Die Fairness gebietet es natürlich, darauf hinzuweisen, daß Combino (und demnächst Incentro) eine neue Generation der 100%-Niederflurzüge repräsentieren. Zum Zeitpunkt der Berliner Bestellung waren die GTx-Typen die erste Generation einsatzfähiger Niederflur-Fahrzeuge, ausgereift waren nur die 70%-Züge. Hier bleibt für die Berliner nur die Hoffnung auf die Zukunft. Ewig werden die modernisierten Tatras nicht fahren, andererseits ist bei einer Veränderung der politischen Landschaft mit einer Wiederaufnahme des Straßenbahn-Neubauprogramms zu rechnen. Somit ist die Chance für Ersatz- und Neubeschaffungen durchaus gegeben.

Combino
Der Combino für Potsdam auf einer Testfahrt im Siemens-Prüfzentrum in Wildenrath. Foto: Siemens-Pressebild

Aber selbst bei diesem insgesamt gelungenen Fahreug fallen Kritikpunkte auf: so ist das Warnsignal vor dem Türschließen ein nervtötendes Pfeifen - hier ist aber schon Änderung in Aussicht. Ungelöst bleibt dagegen das Problem der Haltestellen-Anzeigen, deren eigentlich ausreichend breites Darstellungsfeld durch außerordentlich unglücklich montierte Haltegriffe nur zur Hälfte nutzbar ist. Das zwingt zu teilweise abenteuerlichen Abkürzungen der Haltestellennamen ("PI. d. Einh."). Hier würde eine Versetzung oder Abwinkelung der Haltebügel das Sichtfeld wesentlich erweitern. Auch hat die sehr große lichte Höhe des Fahrgastraumes negative Nebeneffekte: die Anbringungshöhe der Klappfenster ist dadurch problematisch - ihre Betätigung erfordert selbst von normal großen Fahrgästen Dehnübungen.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 10/1998 (Dezember 1998), Seite 12

 

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