Insgesamt scheint der Siemens Verkehrstechnik mit diesem Fahrzeug ein
gelungener Entwurf geglückt zu sein. Alle, die das Berliner Niederflurfahrzeug
GT6N kennen, werden die Vorteile ausreichenden Fußraumes zu schätzen wissen:
keine Drehgestellkästen oder Podeste engen diesen im Combino ein. Die
Fahrwerke befinden sich in den als Durchgängen konzipierten Gelenkmodulen.
Interessant ist, daß auch ADTranz bei seiner neuesten Straßenbahn-Baureihe
Incentro (Nantes) von der mißlungenen Anordnung der Fahrwerke und Antriebe
abgegangen ist und den Einsatz von Gelenk-Zwischenteilen vorsieht. Neben
dem Vorteil der von Einbauten freien Fahrgasträume hat dies einen weiteren
positiven Effekt - nur so erhält man eine definierbare und außerdem schmale
Hüllkurve des Fahrzeugs bei Bogenfahrten. Combino und Incentro "schlängeln"
sich nicht mit wilden Heckausschlägen durch die Stadt, wie das der GT6N tut.
Sie haben damit einen klaren Vorteil, da nicht im gesamten
Netz die Gleismittenabstände vergrößert werden müssen, um ihren Einsatz zu
ermöglichen.
Eine weitere Möglichkeit bietet der Combino aufgrund seiner besseren
Platzverhältnisse: es können Fahrräder mitgenommen werden - ein Vorhaben, das
im Berliner Fahrzeug schlicht unmöglich ist. Auch kann die Anordnung der
Türen beim Combino als gelungen bezeichnet werden: Sie sind auf der gesamten
Fahrzeuglänge im wesentlichen gleichmäßig verteilt.
Die Fairness gebietet es natürlich, darauf hinzuweisen, daß Combino (und
demnächst Incentro) eine neue Generation der 100%-Niederflurzüge
repräsentieren. Zum Zeitpunkt der Berliner Bestellung waren die GTx-Typen die
erste Generation einsatzfähiger Niederflur-Fahrzeuge, ausgereift waren nur
die 70%-Züge. Hier bleibt für die Berliner nur die Hoffnung auf die Zukunft.
Ewig werden die modernisierten Tatras nicht fahren, andererseits ist bei
einer Veränderung der politischen Landschaft
mit einer Wiederaufnahme des Straßenbahn-Neubauprogramms zu rechnen. Somit
ist die Chance für Ersatz- und Neubeschaffungen durchaus gegeben.
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Der Combino für Potsdam auf einer Testfahrt im Siemens-Prüfzentrum in Wildenrath. Foto: Siemens-Pressebild |
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Aber selbst bei diesem insgesamt gelungenen Fahreug fallen Kritikpunkte auf:
so ist das Warnsignal vor dem Türschließen ein nervtötendes Pfeifen - hier
ist aber schon Änderung in Aussicht. Ungelöst bleibt dagegen das Problem der
Haltestellen-Anzeigen, deren eigentlich ausreichend breites Darstellungsfeld
durch außerordentlich unglücklich montierte Haltegriffe nur zur Hälfte nutzbar
ist. Das zwingt zu teilweise abenteuerlichen Abkürzungen der Haltestellennamen
("PI. d. Einh."). Hier würde eine Versetzung oder Abwinkelung der Haltebügel
das Sichtfeld wesentlich erweitern. Auch hat die sehr große lichte Höhe des
Fahrgastraumes negative Nebeneffekte: die Anbringungshöhe der Klappfenster
ist dadurch problematisch - ihre Betätigung erfordert selbst von normal
großen Fahrgästen Dehnübungen.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
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