Fernverkehr

Lärmbelastung an der Anhalter Bahn

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit sollte schon beinahe fertiggestellt sein, aber zuerst waren Planungsschwierigkeiten nicht zu beheben, dann wurde 1997 das 1. Planfeststellungsverfahren wegen angeblicher Neu- und Abbestellungen seitens der Bahn eingestellt.

Mit Sicherheit waren die engagierten Bürger in Lichterfelde Süd, die sich in die schwere Materie eingearbeitet und ihre Einwendungen sachlich begründeten, der Grund für die Vorgehensweise der Bahn. Aber auch die gerichtliche Auseinandersetzung mit den Erben der jüdischen Berliner, denen ein Großteil des Bahngeländes gehörte, gestattete bis zur Klärung durch das Gericht keinen Ausbau!

Die ursprünglich zweigleisige Strecke der Anhalter Bahn wurde nach der Zerstörung im Krieg nur wieder eingleisig aufgebaut. 1950 wurde der Güterverkehr eingestellt und durch die Inbetriebnahme des Außenringes, den die Reichsbahn errichten ließ, auch der Personenverkehr im Jahr 1952.

Die Gleise, Schwellen, Signalanlagen wurden abmontiert, die Brücken abgebaut; in Brandenburg zum Teil der Bahndamm, weil ab 1961 das Gelände für die Grenzanlagen benötigt wurde. Es entstand der breite Grenzstreifen mit den Wachtürmen. Lichterfelde Süd bekam an der Grenze zur DDR asphaltierte Straßen, die vom Zoll und vom Grenzschutz benutzt wurden. Das Gelände der Bahn verwandelte sich in den Jahren, Jahrzehnten zu einem Biotop, das die Anwohner bis 1997 gern aufsuchten. In den sechziger Jahren wurde in Lichterfelde-Süd, unmittelbar am Bahngelände die Neue Heimatsiedlung und östlich die Thermometersiedlung sowie Kindertagesstätten, Seniorenhäuser usw. errichtet.

Der Senat von Berlin, der die Anhalter Bahn wohl inzwischen aufgegeben hatte, ließ bis an die Bahn heranbauen. Die Reichsbahn hat der Planung nicht widersprochen. Ein Teil des Bahngeländes wird seit Jahrzehnten gewerblich genutzt. In Kreuzberg wurde der Kopfbahnhof abgerissen. Damit hatte die Anhalter Bahn insgesamt ihre Funktion verloren.

Jetzt soll die funktionslose Strecke, die zum Teil anderweitig genutzt wurde, von der Deutschen Bahn wieder in Betrieb genommen werden. Die Anwohner, überwiegend bahnfreundlich, unterbreiteten der Bahn gute Vorschläge, damit die Lärmbelastung nicht zu groß würde:

  1. Die Einhausung, mit gewerblicher Nutzung und Begrünung.
  2. Die Anschüttung von Erdwällen, die bepflanzt, den Anwohnern ein Naherholungsgebiet hätten werden können.
  3. Die Geschwindigkeitsreduzierung, d.h. nicht mit mehr als 160 km/h in Lichterfelde-Süd einzufahren, sondern mit 80 km/h, wie die S-Bahn.

Leider wurden die Pläne der Anwohner abgelehnt. Die BVV, das Bezirksamt in Steglitz, das Abgeordnetenhaus in Berlin, der Petitionsausschuß des Bundestages sahen und sehen die Notwendigkeit des Lärmschutzes ein. Technisch gesehen ist der jetzige Ausbau der Anhalter Bahn ein Neubau! Dafür sprechen die Elektrifizierung, die Entwässerung, der Einbau der Steuerungs- und Sicherungssysteme, die Unterführungen und der Bodenaustausch des Bahndamms bis in 2,80 Meter Tiefe. Seit mehr als 20 Jahren versucht die jeweilige Opposition ein Lärmsanierungsgesetz in den Bundestag einzubringen, zuletzt 1996 die SPD. Es gibt zahlreiche Studien, die einwandfrei belegen, daß Schienenverkehrslärm, der 24 Stunden lang und jeden Tag ertragen werden muß, krankmacht!

Die Pläne des 2. Planfeststellungsverfahrens sind erheblich verändert. Das Zugaufkommen wurde drastisch gekürzt, der Güterverkehr gänzlich eingestellt. Beides wohl, um geringere Lärmwerte zu errechnen und sich somit am notwendigen Lärmschutz vorbeizumogeln.

Das Verkehrsprojekt Anhalter Bahn, Europas zukünftige Bahnstrecke(n) überhaupt, müßte seine Lärm- und Erschütterungsprobleme in den Griff bekommen, damit die Anwohner auch in Zukunft dort leben können!

Umweltschutzinitiative Lichterfelde Süd

aus SIGNAL 10/1998 (Dezember 1998), Seite 16

 

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