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Wachstumsmarkt –
Immer mehr Carsharing
Das eigene Auto hat nicht mehr die Bedeutung
von früher. Die Möglichkeit, sich eines
zu leihen, wurde – spätestens seitdem große
Konzerne wie Mercedes oder BMW ins Carsharing-Geschäft
eingesteigen sind – aus
der Ökoecke herausgeholt. Das Besondere
an den neuen Leihmodellen: Die Wagen
stehen nicht mehr an bestimmten Stationen,
sondern in einem bestimmten Geschäftsgebiet
im öffentlichen Straßenland, auch „freefloating“
(„frei fließend“) genannt. Möglich
machte dies vor allem der Umstand, dass
heute viele Kunden über ein Smartphone
verfügen, so dass sich der nächste Wagen
zielgerecht orten und aufsuchen lässt.
Berlin gilt als Carsharing-Hauptstadt Europas.
Von den Freefloatern gibt es hier gleich
drei große Anbieter: Car2go (1200 Fahrzeuge),
DriveNow (1040 Fahrzeuge) und Multicity
(350 Elektroautos). Die Geschäftsgebiete
beschränken sich im Wesentlichen auf die
innerstädtischen Bezirke mit hoher Einwohnerdichte.
Das größte Geschäftsgebiet weist
derzeit Car2go auf. Es hat derzeit Ausläufer
nach Spandau und Steglitz sowie Inseln an
den Hochschulstandorten in Adlershof und
Oberschöneweide.
Mit der Schrumpfung des Geschäftsgebietes
auf ohnehin gut mit dem Nahverkehr
erschlossene Gebiete ist die Frage, ob flexibles
Carsharing eine Ergänzung zum ÖPNV
ist, einmal mehr zu verneinen. Dort, wo dichter
Nahverkehr besteht, zieht Car2go seine
Fahrzeuge nun zu einem noch dichteren
Angebot zusammen. Hier findet ein Wettbewerb
nur um das Fieltstück der Verkehrsnachfrage
statt. Ergänzung zum ÖPNV sieht
anders aus.
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Zum 17. August 2015 hat Car2go sein Verleihgebiet verkleinert. Einige Außengebiete in Lichtenberg, Spandau und Zehlendorf sind weggefallen. Car2go |
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Zwar kann die Verfügbarkeit von Leihfahrzeugen
dazu führen, dass Autobesitzer ihr
Auto abschaffen und nun – statt ausschließlich
auf das eigene Auto – auf einen Mix aus
Leihauto und ÖPNV zurückgreifen, jedoch
führt die hohe Verfügbarkeit der Leihautos
an nahezu jeder Straßenecke und damit
oft näher als die nächste ÖPNV-Haltestelle,
dazu, dass bisherige ÖPNV-Stammkunden
nun eine Alternative entdecken, bei der sie –
wie beim ÖPNV – nicht die hohe Anfangsinvestition
für ein eigenes Auto stemmen
müssen.
Wachstum auch zu Lasten des ÖPNV
Laut einer Studie von „Berylls Strategy
Advisors“ geht das Wachstum des Carsharing-Marktes
insgesamt stärker zu Lasten
der ÖPNV-Unternehmen (22 Prozent) als
zu Lasten der Fahrten mit dem eigenen
Auto (9 Prozent). Das widerspricht jedoch
den Zielen, gerade in der Innenstadt einen
möglichst hohen Modal Split zugunsten
des Umweltverbundes zu erreichen (ÖPNV,
Fuß, Rad).
Eine Handlungsoption für Städte wie Berlin
könnte es sein, den Carsharing-Anbietern
Auflagen zu machen, um eine Konzession zu
erhalten. Zum Beispiel könnte jeder Anbieter
verpflichtet werden, das gesamte Stadtgebiet
als Ausleih- und Rückgabegebiet
anzubieten. Die Verleiher müssten ihre Tarifstruktur
ändern, um das weniger profitablere
Außengebiet durch das umsatzstärkere
Innenstadtgebiet zu stützen. Ebenso wie das
Taxigewerbe einem Tarif unterliegt, gehört
auch der Carsharing-Markt, der ebenfalls in
ein Zuschussgeschäft der Daseinsvorsorge
(öffentlicher Nahverkehr) eingreift und für
seine Existenz öffentliches Straßenland benötigt,
reguliert.
Stagnation beim Bikesharing
Im Geschäft mit den Leihrädern sind die
Zeiten des im Autoverleih sich immer weiter
verbreitenden Free Floatings dagegen seit
2011 vorbei. Bis 2011 war es beim Anbieter
Call a Bike (DB Rent) möglich, das Fahrrad
an jeder Straßenkreuzung innerhalb des
S-Bahn Ringes abzugeben, danach nur noch
an ausgewählten grauen Betonwürfeln,
also speziellen Stationen. In Berlin gibt es
derzeit zwei große Anbieter, die über eine
wahrnehmbare Anzahl an Ausleihstationen
verfügen: Neben Call a Bike der Deutschen
Bahn mit 153 Stationen ist es Next Bike mit
38 Stationen.
Beide Systeme unterscheiden sich in ihrer
Geschäftsstrategie: Bei Call a Bike erhält
der Kunde technisch hochgerüstete gefederte
Fahrräder, die mit komplexer Technik
zur Sicherstellung des Ausleihprozesses
ausgestattet sind. Die Nextbike-Räder sind,
abgesehen von der Beleuchtung, rein mechanisch.
Sie werden mittels eines einfachen
Zahlenschlosses, wie es jeder im Laden kaufen
kann, gesichert.
Während Call a Bike also sehr teure Räder
mit allerlei Diebstahls- und Missbrauchsschutz
ausgestattet hat, handelt es sich bei
Nextbike um Räder von der Stange, die einen
geringen Wiederbeschaffunsgaufwand
haben. Welche Strategie diejenige mit den
geringeren Kosten ist, ist von außen leider
schwer einsehbar. Fakt ist, dass das Geschäft
kaum profitabel ist. Call a Bike erhielt vom
Land Berlin für das Jahr 2014 einen Betriebskostenzuschuss
von 1 Mio Euro, Nextbike
finanziert sich zusätzlich zu den Mieteinnahmen
über Werbung, die an den Fahrrädern
angebracht ist.
Das Land Berlin führt seit Ende 2014 eine
Ausschreibung durch, um einen Betreiber zu
finden, der einen Zuschuss erhält, aber dafür
bestimmte Mindestanforderungen erfüllen
muss. Der Zuschlag soll im 3. Quartal 2015
erfolgen. Soweit aus Pressemeldungen ersichtlich,
soll es bei den Anforderungen der
Ausschreibung um 1750 Fahrräder gehen,
die an mindestens 175 Stationen bereitgestellt
werden müssen. Bisher nicht eindeutig
ist, ob Berliner dann, wie zum Beispiel in
Stuttgart oder Hamburg üblich, die ersten
30 Minuten einer Fahrt das Rad kostenlos
mieten können. Dies ist in Berlin bislang nur
gegen Zahlung einer Jahresgebühr von 48
Euro bei Call a Bike möglich.
Handlungsbedarf für das Land Berlin
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Während hier, in der Wissenschaftsstadt Adlershof, zwei Car2go- und Drivenow-Autos auf Kundschaft warten, hat sich Car2go auf der anderen Seite der S-Bahngleise gerade zurückgezogen. Foto: IGEB |
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Die Carsharing-Anbieter wachsen hauptsächlich
zu Lasten des ÖPNV. Den Carsharing-Anbietern
sollte es zur Auflage gemacht werden,
das Geschäft in der ganzen Stadt zu betreiben
statt nur im profitablen Innenstadtbereich. Der
Tarif sollte durch das Land Berlin genehmigt
werden und an Tarifbedingungen geknüpft
sein, die zu einer möglichst guten Ergänzung
des ÖPNV führen, das heißt eine möglichst
geringe Kannibalisierung zum landeseigenen
Zuschussgeschäft ÖPNV darstellen.
Beim Bikesharing sollte Berlin dem Beispiel
anderer Städte folgen und in der Ausschreibung
durchsetzen, dass die erste halbe
Stunde gratis ist. Parallel ist ein umfassender
Ausbau der Verleihstationen notwendig.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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