|
Das Bangen begann Ende 2014, als im Entwurf
für den Bundeshaushalt 2015 zu lesen
war, dass die Regionalisierungsmittel nicht,
wie in den Vorjahren, steigen würden, sondern
unverändert bei 7,3 Milliarden Euro
liegen werden. Wie kam es? Das Gesetz
zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs
(Regionalisierungsgesetz
– RegG) stand Ende 2014 zur Revision
an. Obwohl die Thematik lange bekannt war,
konnten sich die Länder lange Zeit nicht auf
eine gemeinsame Verhandlungsposition
mit dem Bund einigen, da sich die bevölkerungsreichen
Bundesländer wie Nordrhein-
Westfalen und Baden-Württemberg bei der
Aufteilung der Mittel benachteiligt sahen
und alle gemeinsam höhere Steigerungsraten
als die bisherigen jährlichen 1,5 Prozent
forderten. Mit dem Einfrieren der Regionalisierungsmittel
wollte der Bund den Druck
zur Einigung zwischen Bund und Ländern
erhöhen.
Der Kuchen wird größer, aber nicht
groß genug!
Dabei war der Unmut der Länder über den
Bund gut nachvollziehbar. Die stark gestiegenen
Infrastrukturkosten (DB-Trassen- und
Stationsentgelte) und die Belastungen
durch die Energiekosten (z.B. EEG-Umlage)
verringern seit Jahren die Gestaltungsmöglichkeiten
der Bundesländer bei der Bestellung
der Regionalzugverkehre. Deshalb
hatten die Länder sich auf der Verkehrsministerkonferenz
im Oktober 2014, gestützt
auf Gutachten, auf eine Gesamtforderung
in Höhe von 8,5 Milliarden Euro für das Jahr
2015 geeinigt. So viel müsse der Bund den
Ländern zahlen, damit diese einen angemessenen
Regionalzugverkehr überall in
Deutschland anbieten können. Und damit
das auch künftig so bleibt, forderten die
Verkehrsminister der Länder eine jährliche
Steigerung der Regionalisierungsmittel um
2,8 statt der 1,5 Prozent.
Am 24. September 2015 fand eine Besprechung
der Bundeskanzlerin mit den
Regierungschefs der Länder zur Asyl- und
Flüchtlingspolitik statt. Ganz nebenbei
verständigte man sich überraschend auch
zu den Regionalisierungsmitteln. Im Protokoll
wurde festgehalten: „Die Regionalisierungsmittel
werden in 2016 auf acht Milliarden
Euro erhöht und in den Folgejahren
jährlich mit einer Rate von 1,8 Prozent dynamisiert.
[…] Die Regionalisierungsmittel
werden entsprechend des Vorschlages der
Länder zeitlich verlängert und nach ihrem
Vorschlag (Kieler Schlüssel) auf die Länder
verteilt. Bund und Länder werden die Dynamik
des Anstiegs der Trassenpreise begrenzen.“
Im Klartext heißt das: Bund und Länder
haben sich endlich über die Erhöhung der
Regionalisierungsmittel als Basis der Finanzierung
der Regionalzugverkehre geeinigt.
Aber klar ist auch, dass den Ländern 500 Millionen
Euro weniger zugestanden werden,
als benötigt und gefordert. Damit war der
Verständigung der Bundesländer auf eine
Neuaufteilung zwischen den Ländern, vereinbart
im „Kieler Schlüssel“, die Grundlage
entzogen. Denn diese Einigung basierte darauf,
dass die bevölkerungsreichen Länder
zwar einen höheren Anteil der Regionalisierungsmittel
bekommen, aber durch die Aufstockung
auf 8,5 Milliarden keines der Bundesländer
reale Mittelkürzungen erleidet.
Verschärft wurde das Problem dadurch, dass
die Dynamisierung mit 1,8 Prozent deutlich
unter den von den Ländern geforderten 2,8
Prozent liegt. Das ist gravierend, da die Zusicherung,
den Anstieg der Trassenpreise zu
begrenzen, eine unverbindliche Aussage ist,
die sich in den nächsten Jahre als wertlos
erweisen wird.
Betrachtet man die mit 8 Milliarden Euro
niedrigere Ausgangsbasis und die niedrigere
Dynamisierung, so werden den Ländern
im Zeitraum 2016 bis 2030 insgesamt etwa
19,4 Milliarden Euro für die Bestellung von
Regionalzugfahrten fehlen! Wer wird diese
Finanzierungslücke schließen? Die Länder
aus ihren Haushaltsmitteln? Wohl kaum,
wurde in der Vergangenheit doch gern der
eine oder andere Euro abgezweigt. Das wird
sich in Zukunft rächen, denn neben der Bevölkerungszahl
zählen bei der Mittelverteilung
die bestellten Regionalzugleistungen.
Die Stücke werden kleiner – auch für
Berlin und Brandenburg
Da nun die Gesamtforderung von 8,5 Milliarden
Euro nicht realisiert werden konnte,
wurde auch die im Kieler Schlüssel erzielte
Einigung über die Aufteilung der Mittel von
den bevölkerungsarmen Bundesländern
aufgekündigt.
Für Berlin und Brandenburg hätte der
Kieler Schlüssel bedeutet, dass sie von der
steigenden Gesamtsumme der Mittel anteilig
weniger bekommen werden. Demzufolge
hätten 2016 von den 8 Mrd. Euro
Berlin 5,3559 Prozent (428,472 Mio. Euro)
und Brandenburg 5,4274 Prozent (434,192
Mio. Euro) erhalten. Im Jahre 2030, wenn die
Übergangs- und Anpassungsphase abgeschlossen
ist, bekäme Berlin dann nur noch
4,9394 Prozent und Brandenburg 4,2970
Prozent. Nur der Dynamisierungsrate wäre
es zu verdanken, dass trotz sinkenden Anteils
die jährlich zur Verfügung stehenden
Mittel rechnerisch nicht weniger werden.
Aber, unter Berücksichtigung der Kostensteigerungen
schrumpfen sie dennoch und
zwingen zu Einsparungen oder Ersatzfinanzierungen.
Der Osten fordert mehr vom Kuchen
Da insbesondere die ostdeutschen Länder
unter der geringeren Mittelverfügbarkeit
leiden werden, haben die betroffenen Minister
auf der Verkehrsministerkonferenz
am 9. Oktober 2015 in Worms interveniert
und die Problematik nochmals diskutiert,
jedoch noch ohne konkretes Ergebnis. Aber
im Vermittlungsausschuss von Bund und
Länder wurde dann am 14. Oktober eine
Beschlussempfehlung zu dem Dritten Gesetz
zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes
(DS 18/6370 Vorabfassung) vereinbart.
In diesem Gesetzentwurf werden die
acht Milliarden Euro ab 2016 sowie die Dynamisierung
von 1,8 Prozent bis einschließlich
2031 akzeptiert und festgeschrieben.
Ferner wird die Bundesregierung ermächtigt,
mit Zustimmung des Bundesrates eine
Rechtsverordnung über die Mittelverteilung
zu erlassen. Berechnungsgrundlage
für die Veränderungen beim Verteilungsschlüssel
soll nicht mehr, wie beim Kieler
Schlüssel, ein bestimmter Zeitpunkt sein,
sondern die Entwicklung der Verkehrsleistung
sowie die Bevölkerungsentwicklung
sollen berücksichtigt werden. Man darf gespannt
sein, wie der neue Kompromiss am
Ende aussehen wird.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßt,
dass mit der grundsätzlichen Einigung
zwischen Bund und Ländern mehr
Planungssicherheit für die kommenden
Jahre geschaffen wurde. Er sieht jedoch mit
Sorge, dass dem steigenden Verkehrsbedarf
in der Region mit den voraussichtlich zur
Verfügung stehenden Geldern nur unzureichend
Rechnung getragen werden kann.
Die Lösung darf aber nicht darin bestehen,
die Finanzierungslücken durch stärkere
Fahrpreiserhöhungen zu schließen. Statt
dessen müssen Berlin und Brandenburg alle
Regionalisierungsmittel vollständig für Regionalzug-
und S-Bahn-Verkehr einsetzen
und die faktische Zweckentfremdung der
Mittel beenden. Beispielsweise muss Brandenburg
die Zuschüsse für den Busverkehr
in den Landkreisen künftig aus dem Landeshaushalt
finanzieren und nicht länger aus
den für den Schienenverkehr bestimmten
Bundesgeldern. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
|