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Berlin besitzt einige Bahnhöfe, die überregionale
Berühmtheit genießen: Zoo, Friedrichstraße
oder Anhalter Bahnhof. Es gibt an der
Spree sogar prominente Stationen, deren
Namen – zumindest von Einheimischen und
Eingeweihten – in einer speziellen Weise
ausgesprochen werden: Den Hochbahnhof
Gleisdreieck unterscheidet eben von einem
x-beliebigen Gleisdreieck nicht nur, dass es
hier ein solches gar nicht mehr gibt, sondern
auch, dass die Berliner an Stelle des „Gleis“
das „dreieck“ im Namen betonen, was dann
wie „Gleis Dreieck“ klingt. Ähnlich verhält
es sich bei der U-Bahn-Station Stadtmitte:
„Stadt Mitte“.
Alle diese prominenten Bezeichnungen
beziehen sich jedoch auf etwas, das schon
vor der Errichtung des jeweiligen Bahnhofs
vorhanden war und diesem seinen Namen
gab.
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Historische Erinnerungsstücke auf dem neuen Bahnsteig D: Rekonstruiertes Aufsichtshaus und wiederverwendete Dachstützen. Im Hintergrund der Rest der Nordringkurve. Foto: Jan Gympel |
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Ein wenig anders liegt die Sache bei Ostkreuz.
Natürlich ist auch diese Benennung
nicht völlig aus der Luft gegriffen, sondern
die Kreuzung der in die Stadtbahn mündenden
Strecken mit der Ringbahn stand dafür
Pate. Aber es war keineswegs unausweichlich,
in dieser Begegnung von Bahntrassen
ein Ostkreuz zu erkennen. Bezeichnenderweise
dauerte es nach der Einrichtung des
ersten Teils dieses Bahnhofs anno 1882 mehr
als fünfzig Jahre, bis die Station ihren heute
so berühmten Namen erhielt.
Man mag einwenden, dass sich dort zunächst
auch kaum etwas kreuzte, da die
Nahverkehrszüge gemeinhin nur den Nord- oder
den Südring befuhren, jeweils verbunden
mit der Stadtbahn. Doch auch nach der
Eröffnung der Perrons am Übergang von
Stadtbahn und Vorortstrecken sowie des
über diesen thronenden, Nord- und Südring
miteinander verbindenden Bahnsteigs
sollten noch ziemlich genau drei Dekaden
vergehen, bis die Bezeichnung Ostkreuz im
Frühjahr des unseligen Jahres 1933 eingeführt
wurde.
Westkreuz ist älter – zumindest vom
Namen her
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Wie eine riesige, klobige Truhe, die jeden Moment auf die unter ihr liegende Stadtbahntrasse zu plumpsen droht: Die neue Ringbahnhalle im Eröffnungsjahr 2012. Foto: Jan Gympel |
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Wenig bekannt ist, dass der Name Westkreuz
über ein Jahr älter ist. Allerdings trug
auch das Pendant zum Ostkreuz, obwohl
diese Station erst 1928 eröffnet worden ist,
ihn nicht von Anfang an, sondern hieß zunächst
Ausstellung.
Den Kreuzungen von Stadt- und Ringbahn
griffige Bezeichnungen zu geben, erscheint
als typisches Produkt des Modernitäts- und
Beschleunigungsrausches der Weimarer
Zeit, ähnlich den damals entstandenen
Kürzeln U-Bahn und S-Bahn. Miteinander
gemein haben Westkreuz, Ostkreuz und
die neue Station Südkreuz, die an Stelle des
Bahnhofs Papestraße entstand und ihren
Namen 2006 erhielt, dass ihre Bedeutung
für den Umsteigeverkehr ungleich größer ist
als für den Zu- und Abgang von Fahrgästen.
Schließlich liegen alle drei Bahnhöfe in Gegenden,
die – vorsichtig formuliert – nicht
besonders aufregend sind.
Ganz anders verhält es sich offenkundig
mit dem Treiben auf der Station Ostkreuz
und mit deren Image. Schon 1953 erschien
Erich Wildbergers Berlin-Roman „Ring
über Ostkreuz“. 1990 gründete sich die
Photoagentur Ostkreuz, 2004 die Rockband
Ostkreutz (ja, mit T). 2006 entstand
mit „18.15 Uhr ab Ostkreuz“ eine trashige
Parodie auf die Miss-Marple-Filme der
1960er Jahre. In Michael Kliers Spielfilm
„Ostkreuz“, der 1991 schilderte, wie eine
entwurzelte Halbwüchsige sich kurz nach
der Wiedervereinigung in ihrem Leben
und in Berlin zurechtzufinden versucht,
tauchte der namensgebende Bahnhof gar
nicht auf – der Filmtitel war eher metaphorisch
zu verstehen. Ob die Station auch
so berühmt geworden wäre, wenn sie die
Bezeichnung Stralau-Rummelsburg behalten
hätte?
Schon zu DDR-Zeiten war Ostkreuz etwas
Besonderes, und das, obwohl der Osten
doch offiziell nie Osten sein wollte, Ost-Berlin
erst „demokratischer Sektor“, dann
„Hauptstadt der DDR“ genannt werden sollte,
und zur 750-Jahr-Feier Berlins auch noch
der Ostbahnhof umetikettiert wurde zum
Hauptbahnhof (der er nie war). Eine Umbenennung
von Ostkreuz in Hauptkreuz stand
dagegen wohl nie zur Debatte.
Dabei trafen hier nach dem Mauerbau alle
Ost-Berliner S-Bahn-Linien aufeinander (der
„nicht-elektrische S-Bahn-Verkehr“ natürlich
nicht mitgerechnet), lag die Station auch
geographisch im Zentrum des östlichen
Rumpfnetzes und bot mit ihren bis 1966
sechs, danach immerhin noch vier Bahnsteigen
ein so lebendiges Bild von Geschiebe,
Gedränge und regem Zugverkehr, wie man
es in diesem Umfang nur an wenigen Orten
der Halbstadt erleben konnte. Nicht von ungefähr
wurde Ostkreuz immer wieder gern
mit Film-, Fernseh- und Photokameras aufgesucht,
wenn es galt, quirliges Großstadttreiben
einzufangen oder ins Bild zu setzen.
Unmögliches und Seltsames
Wie der Bahnhof angelegt war und in welchem
Zustand er sich darbot, war zudem
reizvoll – auch wenn Nutzer darauf wohl
eher gereizt reagierten. Wobei das Spiel
„Auf welchem Bahnsteig kommt denn jetzt
der nächste Zug Richtung Warschauer Straße?“
noch das geringste Übel gewesen sein
dürfte. (Seit über die Ostbahn auch Züge
von Ahrensfelde und Wartenberg verkehrten,
versprach es ohnehin mehr Erfolg, auf
den Bahnsteig D zu setzen.)
In vieler Hinsicht war die Anlage ein Unding:
Die – in der unteren Hälfte zudem nur
einläufigen – Treppen zur Ringbahn waren
für das Fahrgastaufkommen zu schmal, und
erst recht war es der Ringbahnsteig, der lediglich
durch ein Dach geschützt die Station
bekrönte, so dass die Reisenden Wind und
Wetter nahezu schutzlos ausgesetzt waren.
(Immerhin ein wenig besser ergeht es heute
den Nutzern des neben der ebenfalls neuen
Ringbahnhalle gelegenen Regionalbahnsteigs,
dessen ursprünglich geplante Halle
eingespart wurde.) Völlig offen lag ein Teil
jener Fußgängerbrücke, die die Verbindung
zwischen den Zugängen an der Sonntagstraße
und am Markgrafendamm sowie den
beiden Stadtbahnsteigen herstellte.
Wie diese Konstruktion zusammengeflickt
worden war, stellte wohl den sichtbarsten
der nur notdürftig beseitigten Kriegsschäden
dar. Immer wieder wurde am Ostkreuz
bloß das Nötigste repariert – nicht zuletzt,
weil immer wieder die gründliche Sanierung,
der ganz große Umbau kommen sollte. Der
dann ebenso regelmäßig aufgeschoben
wurde. Welch finanzieller, technischer und
organisatorischer Kraftakt er ist, sieht man
seit Jahren: Die seit 2006, offiziell seit 2007
laufenden Arbeiten werden am Ende mehr
als eine Dekade in Anspruch genommen
haben.
Am „Rostkreuz“, wie es nicht zu Unrecht
genannt wurde, gab es aber noch manch Eigentümliches
und Bemerkenswertes mehr:
Etwa den Bahnsteig D, der sich nach Westen
hin seltsam verbreiterte – so sehr, dass sich
sogar das Dach in zwei Hälften aufspaltete,
die an den Bahnsteigkanten entlangliefen,
derweil das Aufsichtshäuschen buchstäblich
im Regen stand. Nur Ortskenner wussten,
dass diese Anordnung der Gleise notwendig
war, um den Bahnsteigen A und B
und vor allem westlich der Station der Rampe
zwischen Ring- und Stadtbahn Platz zu
bieten.
Für den unbedarften Benutzer dieser Station
konnte dies auch deshalb im Dunkeln
bleiben, weil der Bahnsteig A, bereits auf
Ringbahnhöhe, etwas im Abseits lag: Ein
eigenartiges, als „Keilbahnsteig“ zumindest
im Berliner Raum wohl auch einzigartiges
Gebilde, nach Westen hin gerade, nach Osten
hin auseinanderstrebend, an dem die
von Treptower Park kommenden und nach
Frankfurter Allee fahrenden Züge teilweise
in der Kurve hielten („Beachten Sie die Lücke
zwischen Zug und Bahnsteig!“).
Praktischerweise verkehrten die S-Bahnen
von und nach Erkner am mit E bezeichneten
(und ziemlich schmalen) Perron. Der Ringbahnsteig
trug den Buchstaben F. Und wo
waren B und C? Noch so eine Schrulle: Die
so gekennzeichneten Seitenbahnsteige waren
1966 geschlossen und später abgerissen
worden. Beiderseits des Perrons A gelegen,
sollen sie – eine weitere Umständlichkeit –
nur von ihm aus zu erreichen gewesen sein.
Historische Erinnerungsstücke
Wie gesagt: Die Anlage war ein Unding. Und
im Laufe der Jahrzehnte kamen nicht nur
Rost und andere Zeichen des Verfalls hinzu,
sondern auch Schmutzecken (allen voran an
den Treppen zur Ringbahn), und vielerorts
wucherte das Unkraut, besonders üppig auf
dem meist verwaisten Bahnsteig A, der zwar
Ankommende sah, auf den sich aber kaum
Abfahrwillige verirrten. Oder trügt da die
Erinnerung?
Von all den Unmöglich- und Seltsamkeiten,
der morbiden Schönheit des Niedergangs
und den zahlreichen Geschichtsspuren
ist ja praktisch nichts geblieben. (Ebenfalls
verschwinden werden die derzeit noch
vorhandenen Reste der Nordringkurve.)
Als historisches Erinnerungsstück, das
allerdings beim Abreißen, Um- und Neubauen
auch nicht weiter im Weg stand: der
2015 von der DB AG verkaufte Wasserturm.
(Wenn Sie jemals die Behauptung illustrieren
möchten, Türme wären Phallussymbole,
zeigen Sie diesen.)
Ferner auf dem bereits fertiggestellten
Bahnsteig D (oder wie immer er künftig
heißen mag), welcher dem stadteinwärts
führenden Verkehr dienen wird, ein rekonstruiertes
Aufsichtshaus.
Außerdem wurden dort Teile der alten
Dachkonstruktion wiederverwendet. Gleiches
soll beim Bahnsteig E geschehen, der
mit seinen anders gestalteten Stützen – aus
Gußeisen statt aus Walzstahl – erkennen
ließ, dass er ein klein wenig älter war. Nachgebaut
werden soll auch die Fußgängerbrücke
im Westen. Und auf Druck der Denkmalpflege
wird die DB AG das seit längerem
eingerüstete Beamtenwohnhaus sanieren.
Ansonsten ist alles neu oder wird gerade
neu gemacht. „Grunderneuert“ heißt das in
Beamten- und Reklamesprech, also alles abreißen
und neu bauen. Von der Stadtbahn
zur Ringbahn hinauf führen nun gleich zwei
nebeneinander liegende Rolltreppen – so
etwas ist in Berlin eine Seltenheit und unterstreicht
die besondere Bedeutung, die
dieser Station beigemessen wird. Erfreulicherweise
wurde auch eine abwärts führende
Rolltreppe eingebaut – derlei erscheint ja
manch einem Verkehrsbetrieb mittlerweile
als unanständiger Luxus für verweichlichte
Kunden, die sich lieber mal ordentlich bewegen
sollten.
Vollgerümpelt und schlecht
proportioniert
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Vollgerümpelt statt übersichtlich: Das Innere der neuen Ringbahnhalle. Auf diesem Bild befinden sich mehrere Abgänge. Versuchen Sie mal, sie zu finden! Foto: Jan Gympel |
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Elegant schwingt sich die zweiteilige neue
Südringkurve, welche die am Ostkreuz einzige
verbleibende S-Bahn-Verbindung zwischen
Stadtbahn und Ringbahn herstellen
wird, am Wasserturm vorbei über die Hauptstraße.
An die Stelle einer engen, düsteren
Durchfahrt ist eine weite, lichte Unterquerung
getreten.
Leider alles andere als elegant wirkt die
2012 eröffnete Ringbahnhalle, die doch sicher
als architektonischer Höhepunkt des
totalen Ostkreuz-Neubaus gedacht war: Aus
der Distanz mutet sie an wie eine riesige, klobige
Truhe, die jeden Moment auf die Gleise
und die Bahnsteige der Stadtbahn unter ihr
zu plumpsen droht.
Innen ist das Desaster noch viel größer –
auch angesichts der Tatsache, dass sehr viel
mehr Menschen die Halle von dort aus zu sehen
bekommen dürften als von außen. Aber
was sieht man eigentlich? Der Raum ist vollgerümpelt
mit Kiosken und Reklametafeln,
und wenn es ganz dicke kommt, hängt Werbung
auch noch von der Decke. Die Abgänge
zu den Bahnsteigen und den Ausgängen gehen
dazwischen fast unter, ihre viel zu kleine,
viel zu spärliche Ausschilderung ist auch nicht
durch die noch andauernden Bauarbeiten zu
entschuldigen. Im Gegenteil: Gerade wenn
immer wieder neue „Bauzustände“ eintreten,
müssen die Wegweiser unübersehbar sein.
Bezeichnenderweise erlebt man auf dem
Ringbahnsteig immer wieder Fahrgäste, die
zunächst etwas ratlos herumlaufen. Auch
muss der Ortsfremde ja erst einmal das hier
umgesetzte Grundprinzip verstehen, dass
die Treppen und Rolltreppen auf einen Weg
in der Längsachse des Bahnsteigs münden –
zwischen den Sichtbarrikaden aus Kiosken
und natürlich konsumorientiert an deren
Verkaufstheken vorbei. Eine Ausnahme von
dieser Regel bildet – warum eigentlich? –
der Ausgang zur Hauptstraße: Er liegt quer
in der Mittelachse.
Vergleicht man das Bild, das sich am Ostkreuz
bietet, mit jenem in der Ringbahnhalle
am Südkreuz, wird deutlich: Am Ostkreuz
stimmen die Proportionen nicht. Das gilt für
die dortige Halle an sich und erst recht hinsichtlich
der „Gestaltung“ des Innenraums.
So groß die Halle ist: Sie ist eben nicht so
groß wie ihr Pendant am Südkreuz und zu
klein für das am Ostkreuz eindrucksvoll vorgeführte
Streben der DB AG, soviel Gewerbefläche
wie möglich herauszuquetschen.
Die Kioske sind zu zahlreich, und sie wirken
zu düster. So entsteht nicht nur kein Raumeindruck
(zumindest kein positiver), man
kann auch kaum von der einen Bahnsteigseite
bis auf die andere blicken, die ganze
Anlage ist unübersichtlich.
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Die Fastfoodfiliale am Nordende des neuen Ringbahnsteigs steht zuweilen im Regen. Foto: Jan Gympel |
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Wer den Mittelgang hinunter nach Norden
schaut, erblickt dort übrigens McDonald´s.
Wer geglaubt hatte, die seltsame Freifläche,
mit welcher der Ringbahnsteig dort
aus der neuen Halle herausragte, wäre der
grassierenden Sicherheitshysterie geschuldet
gewesen (Was tun, wenn´s brennt?), sah
sich getäuscht: Auch dort wurde noch eine
Verkaufseinrichtung gebaut. Immerhin: Auf
diese Weise kann der Wind hier nicht ganz
ungehindert in die Halle pfeifen – anders
als an deren Südende, wo der Bahnsteig nur
durch ein Geländer, nicht durch eine Wand
abgeschlossen wird.
Mit der Ansiedlung der Fastfoodfiliale hat
die Bahn aber auch noch ein anderes Problem
gelöst: Der Druck, am Ostkreuz eine
öffentliche Toilette anzubieten, hat deutlich
nachgelassen.
Geblieben ist nur der Mythos
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Blick über den neuen Bahnsteig D auf die Ringbahnhalle. Auf der noch freien Fläche im Vordergrund soll das Treppenhaus zur nachgebauten Fußgängerbrücke errichtet werden. Foto: Jan Gympel |
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Selten in Berlin: ein aufwärts führendes Rolltreppenpaar auf Bahnsteig D. Foto: Marc Heller |
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Eleganter Schwung über einer lichten, weiten Unterführung: Der Wasserturm und die im Bau befindliche neue Südringkurve über der Hauptstraße. Foto: Jan Gympel |
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Vielleicht werden dies die neuen Unmöglich-
und Seltsamkeiten des Ostkreuzes
werden, die man in den kommenden Jahrzehnten
liebgewinnt. Der Ruhm dieser Station
ist noch ganz Gegenwart – anders als
etwa beim Bahnhof Zoo, der im kollektiven
Bewusstsein fest mit dem West-Berlin der
Mauerjahre verbunden ist und mit der Drogen-
und Stricherszene, die sich damals dort
angesiedelt hatte. Und erst recht anders als
beim Anhalter Bahnhof, der nur noch eine
Erinnerung an eine bedeutende Vergangenheit
ist und womöglich bei Nicht-Bahnfans
auch schon weitgehend in Vergessenheit
geraten wäre, würde die S-Bahn nicht den
Namen weiternutzen.
Dabei gibt es am Ostkreuz, das einmal als
größter S-Bahnhof Deutschlands gehandelt
wurde, eben nur noch sehr spärliche Geschichtsreste
und eigentlich gar nichts mehr
zu sehen. Natürlich ein bisschen Bauschmutz,
aber keine Patina mehr, keinen Charme des
Verfalls. Vor zehn Jahren noch wirkte die Station
etwas ungeordnet, war voller Gebrauchsspuren,
auch ein wenig veraltet, schmuddelig
und verwahrlost. In Kürze schon wird sie völlig
aufgeräumt, sauber, ordentlich, funktional,
aber auch langweilig sein. Eben ein neuer
Bahnhof der größeren Sorte, aber eigentlich
nichts Besonderes mehr. Ein Mythos, der sich
aus Vergangenem und Verschwundenem
speist. Sehr treffend nennt sich ein Photoblog
mit vielen historischen Bildern der Station
„lostkreuz.de“.
Mit diesem Wandel zur ziemlich austauschbaren
Station mit großem Namen
spiegeln sich in Ostkreuz aber weiterhin
hervorragend die Entwicklung und der
Zustand der ganzen Stadt wider: Auch im
heutigen Berlin wird ja alles zunehmend
aufgeräumt, blank, effizient, auch sehr
profitorientiert. Überall in der Stadt beseitigt
man das Berühmte und schwärmt
anschließend ungerührt weiter davon.
Und nicht zuletzt Touristen und Zugereiste
suchen und bestaunen etwas, das gar
nicht mehr da ist.
Jan Gympel
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