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Gar nicht fair: Allen Beteuerungen zum Trotz werden doch Bewegungdaten gespeichert – Dank eines Datenlecks aktuell sichtbar und damit bewiesen. Ohne aktive dauerhafte Beaufsichtigung von unabhängiger Stelle ist dem Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Foto: Holger Mertens |
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Bereits 2012 begann die schrittweise
Einführung der elektronischen Fahrkarte
als Ersatz für den Papierfahrschein –
zunächst für ausgewählt Abo-Kunden
und dann schrittweise für alle Kunden
mit Zeitkarten. Dabei wurde immer beschwichtigt,
wenn Fragen zum Datenschutz
aufkamen. Auch heute noch steht
auf allen Webseiten und in alle Infobroschüren
zu dem Thema:
„[…] Kann mein Verkehrsunternehmen oder
der VBB nun alle meine Fahrten nachverfolgen?
Nein, es ist weder technisch noch organisatorisch
möglich, sogenannte Bewegungsprofile
auf der Karte oder im System zu speichern. [ ]“
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Eine der mit Falschaussagen gespickten „Informations“-Broschüren des VBB. Dass die technische und organisatorische Möglichkeit für Bewegungsprofile besteht, wird hier konsequent bestritten, obwohl explizit Datenfelder dafür vorgesehen sind. |
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sowie:
„[ ] Bei der Kontrolle wird Ihre persönliche
Chipkartennummer nur gegen eine
Sperrliste geprüft, um festzustellen, ob
Ihre Fahrtberechtigung noch gültig ist. Es
werden keine personenbezogenen Daten
gespeichert. [ ]“
Bei den Kontrollen soll also nichts Personenbezogenes
gespeichert werden. Diese
Aussage müssen Kunden und Skeptiker einfach
glauben. Denn die Möglichkeit, dies zu
überprüfen, gibt es nicht – zumindest nicht
ungefiltert. Denn:
„[…] Wie erfahre ich, was auf dem Chip gespeichert
ist?
Sie können die Daten an speziellen Kundenterminals
in allen BVG-Kundenzentren und
BVG-Verkaufsstellen auslesen. Das Auslesen
der fahrCard ist auch in den Kundenzentren
der anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen
möglich. […]”
Eine App macht Unsichtbares sichtbar
Das haben wir ausprobiert. In mehreren
Kundenzentren verschiedener Verkehrsunternehmen
haben wir nachgefragt, was
denn auf der Karte gespeichert sei. „Nur,
was da steht!“ war immer die einheitliche
Antwort. Wir fragten etwas genauer nach:
„Sind vielleicht Standorte gespeichert? Oder
Datum und Uhrzeit, wann ich kontrolliert
wurde oder in einen Bus eingestiegen bin?“
Auch hier immer die eindeutige Antwort:
„Natürlich nicht! Das wäre ja ein Bewegungsprofil.
So etwas machen wir nicht.“
Der Kunde muss dem also Glauben schenken.
Äußerst praktisch für den VBB und
die Verkehrsunternehmen. Doch glücklicherweise
gibt es inzwischen für alles eine
App. „MyTraq“, so der Name eines Handyprogramms,
erlaubt es jedem, mit dem eigenen
Smartphone beliebige elektronische
Fahrkarten auszulesen. Es wurde ursprünglich
für das Kontrollpersonal entwickelt. Was
diese App anzeigt, ist doch überraschend.
Die Kontrolldaten, die alle angeblich nicht
existieren und die niemals gespeichert würden,
kann man ganz deutlich schwarz auf
weiß sehen. Datum und Uhrzeit sowie die
Station, an der die Fahrcard an einem Kontrollgerät
vorbeigeführt wurde, ergeben ein
ganz klares Bewegungsprofil des Benutzers.
Im Screenshot auf Seite 11 ist ein Beispiel
zu sehen:
Erschreckend:
ein genaues Bewegungsprofil
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Wer mit einer App seine Fahrcard überprüft, stellt verdeckte Datenfelder fest, deren Existenz vom VBB bisher immer dementiert wurden. Im Transaktions-Logbuch ist zum Beispiel genau vermerkt, wann der Inhaber wo in den Bus gestiegen ist. Foto: mytraQ/Holger Mertens |
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Hier sehen wir die letzten Transaktionen:
Die mit der Nummer 1 bis 4 sind alle vom
7. Dezember 2015 in zeitlich umgekehrter
Reihenfolge. Los geht´s um 11.53 Uhr.
Die „OrtNr“ verrät, dass man am Berliner
Alexanderplatz in den Bus gestiegen ist,
und zwar an der Bus-Haltestelle in der
Karl-Liebknecht-Straße. Etwa 50 Minuten
später dann der nächste Einstieg in einen
Bus am U-Bahnhof Turmstraße, genauer
an der Haltestelle in Alt-Moabit, wo die Linien
245, TXL (nur Richtung Alex) und die
dort endende 187 verkehren. Der Besitzer
der Fahrcard ist also am Alex in den TXL
gestiegen und dann am U-Bahnhof Turmstraße
nach einigen Minuten Aufenthalt in
den 245er Richtung Zoo umgestiegen, da
der nächste Kontrollpunkt am U-Bahnhof
Ernst-Reuter-Platz um 14.16 Uhr ist – also
etwa eine Stunde Aufenthalt am Standort
der Technischen Universität. Weitere 20 Minuten
später ist die Person dann am Zoo in
einen weiteren Bus umgestiegen. Da dies
der letzte Kontrollpunkt an diesem Tag war,
höchst wahrscheinlich in Richtung des Ausgangspunktes
Alexanderplatz.
Vielfältiger Missbrauch möglich
Wenn das nach Definition des VBB kein Bewegungsprofil
sein soll, was dann? Besonders
erschreckend: Jeder, der diese Kontrollapp auf seinem Smartphone oder Tablet
installiert hat, kann diese Daten auslesen –
berührungslos, wie auch die Kontrollgeräte.
Egal, ob nun bei Kollegen auf Arbeit, den
eigenen Kindern, dem Ehepartner oder bei
Wildfremden. Das kurze unauffällige Vorbeiführen
des Handys an der Tasche oder
dem Portemonnaie mit der Fahrcard darin
genügt, und schon sind alle Daten überspielt.
Später lässt sich die Fahrtbewegung
anhand der Kontrolldaten ungestört nachverfolgen.
„[ ] Es ist weder technisch noch organisatorisch
möglich, sogenannte Bewegungsprofile
auf der Karte oder im System zu speichern. [ ]“
Diese noch immer vom VBB verbreitete
Aussage ist damit ganz klar falsch. Es ist
technisch möglich. Und nicht nur das! Es
wird auch entgegen aller Verlautbarungen
aktuell praktiziert.
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Und so funktionierts: Mit einem NFC-fähigen Android-Handy oder Tablet die kostenlose App „mytraQ” aus dem Store installieren, Fahrcard an die Rückseite des Handys halten und in der App das Transaktions-Logbuch aufrufen. Die Haltestellen-Nummer muss mit 9 000 000 addiert werden, um sie entschlüsseln zu können. Das Ergebnist trägt man auf der VBB-Webseite unter „Haltestellen-Info” ein und klickt auf „START”. Auf der Ergebnisseite wird die Station im Klarnamen ausgegeben. mytraQ/VBB/Holger Mertens |
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Bereits 2013, als die IGEB das erste Mal
auf diese technische Möglichkeit aufmerksam
machte, lud der VBB zum persönlichen
Gespräch ein. Alles wurde dementiert, den
IGEB-Vertretern technisches Unwissen vorgeworfen.
Der Projektleiter beim VBB widersprach
allen Kritikpunkten. Es wäre technisch
gar nicht möglich, dass solche Daten
entstünden. Und selbst wenn, dann wären
sie sicher.
Beides stimmt nicht. Auf der Karte ist
nachweislich ein Bewegungsprofil gespeichert.
Was im Hintergrundsystem passiert,
können wir nicht einsehen. Die Infrastruktur,
das Bewegungsprofil von jeder Kontrolle im
Hintergrundsystem zu speichern, auf das
Dritte Zugang besitzen, ist vorhanden. Es ist
davon auszugehen, dass diese auch genutzt
wird.
Der Datenschutz-Beauftragte
ist gefordert
Die Frage ist jetzt: Wusste der VBB dies
und hat die Kunden absichtlich belogen?
Oder wusste er es nicht, wurde selber getäuscht
und hat ein System eingeführt,
das er weder versteht noch beherrscht?
Die Fahrgäste erwarten jetzt jedenfalls
eine Aufklärung. Und eine Reaktion des
VBB, die zeigt, dass man die Panne ernst
nimmt und entsprechende Konsequenzen
zieht. Und wo ist eigentlich der Datenschutz-Beauftragte
des Landes Berlin?
(hm)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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