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Foto/Montage: Holger Mertens |
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Der Berliner Hauptbahnhof war einst das
große Prestigeprojekt beim Ausbau der
Bahnanlagen zum „Knoten Berlin“. Bald
10 Jahre nimmt er nun seine Funktion als
zentraler Bahnhof Berlins ein, an dem jeder
Fernzug – unabhängig von seiner Fahrtrichtung
– erreicht werden kann. Die Bedeutung
des Bahnhofs wird mit der Entwicklung des
Umfelds noch steigen. Auch die Erreichbarkeit
wird – mit großer Verspätung – besser.
Seit 2014 fährt eine und seit August 2015
fahren drei Straßenbahnlinien zum Hbf. Die
2009 eröffnete U 55 soll nach derzeitigem
Stand 2020 zur U 5 durchgebunden werden.
Und nach 2020 soll mit der „S 21“ auch ein
S-Bahn-Anschluss in Nord-Süd-Richtung
erfolgen.
Doch mit dem Umfeld muss auch der
Hauptbahnhof selbst weiterentwickelt werden,
um der steigenden Bedeutung gerecht
zu werden. Mit nur vier Weichen ist der obere
Bahnhofsteil der Fernbahn betrieblich
wenig flexibel. Wendende Züge können
erst an der Friedrichstraße oder am Zoo auf
das andere Gleis wechseln, was bei der dichten
Zugfolge auf der Stadtbahn nahezu unmöglich
ist. Doch immerhin besteht bei der
Fernbahn wenigstens die Möglichkeit, Züge
kehren zu lassen.
Schlechter sieht es bei der S-Bahn aus.
Dort ist der Hauptbahnhof betrieblich kein
Bahnhof, sondern nur ein Haltepunkt (Definition
siehe Kasten), was bei Störungen
schwerwiegende Folgen hat. Die S-Bahn-Züge
erreichen den „Haupthaltepunkt“
nicht mehr, sondern enden bereits an einem
zurückliegenden Bahnhof, meistens Zoo,
Friedrichstraße oder Alexanderplatz.
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Bei Störungen oder Bauarbeiten muss die S-Bahn derzeit zwischen Zoo und Friedrichstraße unterbrochen werden. Würde der Hauptbahnhof zum Bahnhofsteil von Friedrichstraße erklärt, könnten dort auch S-Bahnen wenden und die Weichen zwischen Tiergarten und Bellevue bzw. Hbf und Friedrichstraße zum Gleiswechsel nutzen. Um die Flexibilität auf der Stadtbahn dauerhaft zu erhöhen, werden jedoch zusätzliche Weichen benötigt. (Vorschläge der IGEB in rot). Grafik: Stefan Retzlaff |
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Zusätzliche Weichenverbindungen würden
die Flexiblität auf der Stadtbahn erhöhen
und so die Auswirkungen einer Störung
für die Fahrgäste deutlich abmildern (siehe
Seite 16 in SIGNAL 3/2013). Doch Weichen
allein generieren keine Einnahmen. Und
zusätzliche Zugfahrten sind nicht absehbar.
Insofern scheut die Deutsche Bahn entsprechende
Investitionen. Der Ist-Zustand ist
jedoch keine Option für die Zukunft, denn
mit der weiteren Konzentration des Fernverkehrs
auf die Tunnelstrecke steigt auch die
Zahl der Fahrgäste, die über die Stadtbahn
zum Hauptbahnhof anreist und ihn bei einer
Störung nicht oder nur noch auf Umwegen
erreicht.
Eine preiswertere Lösung als der eigentlich
erforderliche Einbau von Weichen bestünde
in einem Trick, der demnächst an
der Frankfurter Allee angewendet wird.
Der heutige Haltepunkt Frankfurter Allee
wird zum Bahnhofsteil von Ostkreuz erklärt,
ohne dass eine einzige neue Weiche verlegt
werden müsste. Einzig Stellwerk und Signale
müssen der neuen Situation angepasst werden.
Auf dem Ring entsteht der Zwang zu
dieser Lösung, weil dort die Brücke über den
Wiesenweg, zwischen Ostkreuz und Frankfurter
Allee gelegen, erneuert werden muss
und so der notwendige S-Bahn-Ersatzverkehr
auf eine Station verkürzt werden kann.
Dieser Trick ließe sich ebenso am Haltepunkt
Hauptbahnhof anwenden, der zum
Bahnhofsteil von Friedrichstraße deklariert
werden könnte. Bei einer Störung westlich
des Hauptbahnhofs könnten die Züge
dann von Osten kommend am Hauptbahnhof
enden und über die Weichen westlich
von Friedrichstraße auf das andere Gleis
wechseln, statt bereits in Friedrichstraße zu
enden. Bei einer Störung an der Friedrichstraße
könnte ein Teil der Züge vom Zoo
aus weiter bis Hauptbahnhof fahren und
zum Gleiswechsel die Weichen östlich vom
Bahnhof Tiergarten nutzen. Auch bei Bauarbeiten,
wie der angedachten Sanierung
der Fahrbahnübergangskonstruktionen am
Hauptbahnhof, bestünde so eine größere
Flexibilität in der Betriebsführung.
Eine günstige Gelegenheit für die notwendige
Umrüstung gibt es bereits im Jahr
2016, wenn die S-Bahn auf der Stadtbahn
von der Fahrsperre auf das neue Zugbeeinflussungssystem
ZBS umgerüstet wird und
dafür auch an Signalen und Stellwerken gearbeitet
wird. Die Kosten werden durch den
deutlichen Vorteil aufgewogen, dass der
Hauptbahnhof dann zumindest aus einer
Richtung immer mit S-Bahnen angefahren
werden kann. (ge)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
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