Berlin

S-Bahn Berlin GmbH erhält Zuschlag für Teilnetz Ring

DB bestellt neue Fahrzeuge bei Siemens/Stadler Pankow

Visualisierung
So soll die neue S-Bahn-Baureihe für Berlin von Siemens/Stadler Pankow aussehen. Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin

Kurz vor Weihnachten war es soweit: Nachdem die DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH einziger verbliebener Bewerber um die Vergabe der Ringbahn und der südöstlichen Zulaufstrecken war, wurde die am 8. Dezember 2015 angekündigte Vergabeentscheidung der Länder Berlin und Brandenburg zwei Wochen später rechtskräftig. Damit endete ein langwieriges und zähes Verfahren mit der erwarteten Entscheidung. Der Auftrag gilt ab 2021 bis zum Ende des Jahres 2035.

Vor 7 Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, dass die S-Bahn Berlin GmbH der Deutschen Bahn das erste Vergabeverfahren für sich entscheiden kann, denn 2009 war die Berliner S-Bahn weitgehend selbstverschuldet in die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt.

Der Berliner Senat war so zum Handeln gezwungen, und die damalige Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer kündigte am 7. Januar 2010 an: „Aus zeitlichen Gründen, aber auch als Ergebnis der Erfahrungen, die mit dem Fahrzeugdesaster der S-Bahn Berlin gesammelt wurden, intensivieren und konkretisieren wir jetzt unsere Planungen für die Zeit nach 2017.“ Und weiter: „Die Vergabe der Leistungen wird etwa 1 ½ Jahre dauern, da den Unternehmen ausreichend Zeit gegeben werden muss, ein Angebot für derartig komplexe Leistungen zu kalkulieren. Zudem rechnen wir damit, dass die Fahrzeugindustrie etwa 5 ½ Jahre benötigt, um 190 Neufahrzeuge für die S-Bahn zu entwickeln, zu erproben und zu bauen. Wir müssen daher bis spätestens Januar 2011 entscheiden, ob und wie wir das mit Neufahrzeugen zu bedienende Teilnetz vergeben wollen.“

Wären den Ankündigungen Taten gefolgt, gäbe es also nach dem Auslaufen des derzeitigen Verkehrsvertrages im Dezember 2017 rechtzeitig und in ausreichender Zahl neue Fahrzeuge. Doch unter dem damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit wurde der Klärungsprozess massiv verschleppt. Auch der Versuch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, durch eine getrennte Ausschreibung von Fahrzeugen und Betrieb Zeit zu sparen, wurde von Klaus Wowereit abgelehnt.

Diese getrennte Ausschreibung hätte nicht nur Zeit gespart, sondern auch anderen Bewerbern um den S-Bahn-Betrieb bessere Chancen geboten. Denn schon damals befürchteten viele Fachleute, dass am Ende die Deutsche Bahn der einzige Bewerber um den Weiterbetrieb der S-Bahn sein würde – und so kam es dann ja auch.

Während die S-Bahn Berlin GmbH mit dem Desaster von 2009 scheinbar alle Chancen für eine Vertragsverlängerung verspielt hatte, nutzte S-Bahn-Chef Peter Buchner mit „seinen“ S-Bahnern die Jahre der vom Senat verschleppten Ausschreibung bestmöglich, um das Vertrauen der Fahrgäste und der Politik zurückzugewinnen.

Natürlich gibt es auch jetzt noch zu viele Störungen im S-Bahn-Betrieb. Nahezu täglich beeinträchtigen Weichen-, Signal- und Fahrzeugstörungen die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Hinzu kommen die immer noch zahlreichen eingleisigen Abschnitte als Folge von Kriegszerstörungen und Reparationsleistungen nach dem Krieg. Es ist absolut unverständlich, dass die Bundesregierung und DB Netz nicht in der Lage sind, mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und mehr als 25 Jahre nach der Überwindung der deutschen Teilung diese historischen „Altlasten“ zu beseitigen.

Diese gravierenden Defizite bei Ausbau und Unterhaltung des Netzes würden übrigens auch jeden anderen S-Bahn-Betreiber schwer beeinträchtigen – zum Beispiel die von der Berliner SPD immer wieder ins Spiel gebrachte BVG.

Neue S-Bahn-Fahrzeuge

Blick aus den Steuerteil
Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin

Ein wesentlicher Bestandteil des neuen Auftrages an die S-Bahn Berlin GmbH ist die Beschaffung neuer S-Bahn-Züge. Ein entsprechender Vertrag der S-Bahn mit dem Herstellerkonsortium Siemens/Stadler Pankow wurde am 22. Dezember 2015 unterzeichnet. Von 2020 bis 2023 sollen 382 Wagen mit einem Investitionsvolumen von rund 900 Mio. Euro geliefert werden. Für die Übergangszeit ab Ende 2017, wenn der alte Verkehrsvertrag ausläuft, bis 2023 sollen ertüchtigte Bestandsfahrzeuge der Baureihen 480 und 485 eingesetzt werden.

Näheres zu den neuen Fahrzeugen erfuhr die Öffentlichkeit dann am 27. Januar 2016. In einer Pressemitteilung schrieb die DB:

„Mit 21 Zwei-Wagen-Triebzügen (Baureihe 483) und 85 Vier-Wagen-Triebzügen (Baureihe 484) werden die Zuverlässigkeit und Qualität der Verkehrsleistung auf der Ringbahn und den südöstlichen Zulaufstrecken deutlich erhöht. Die Hersteller garantieren eine über 30 Jahre währende hohe Einsatzqualität. Die Fahrzeuge zeichnen sich durch eine deutlich gesenkte Geräuschentwicklung aus. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h.

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Viertelzug BR 483 und Halbzug BR 484, mit unterschiedlichen Farbvarianten. Von den Triebzügen mit zwei Wagen hat die DB 21 und von den mit vier Wagen 85 bestellt, insgesamt also 382 Wagen. Diese sollen 2020 bis 2023 ausgeliefert werden und nach und nach die Züge der Baureihen 480 und 485 ersetzen. Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin

Mit einem markanten Design wird das neue Gesicht in der S-Bahn-Flotte entsprechend den Wünschen der Berliner auch weiterhin in der traditionellen rot-gelben Lackierung auf Strecke gehen.

Die Auslieferung erster Vorserienfahrzeuge ist für Ende 2020 vorgesehen. Diese kommen zur intensiven Erprobung auf der Linie S 47 zwischen Hermannstraße und Spindlersfeld zum Einsatz. Mit Lieferung der Serie folgt die sukzessive Umstellung des Fahrzeugeinsatzes auf der S 46, S 8 sowie den Ringbahnlinien S 41/S 42. […]

Innenraum
Wagenübergang mit Fahrradabteil und Klappsitzen. Mit der anschließenden Schiebetür kann ein Zugteil abgeriegelt werden, z. B. bei Verschmutzung eines Halbzuges. Der Wagenübergang beim 481er ist mit glatter Fläche besser gelöst als der Faltenbalg hier. Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin
Innenraum
Das Mehrzweckabteil ist deutlich als solches gekennzeichnet, kann aber nur von einem Türraum mit breitem Durchgang betreten werden. Bei einer Türstörung oder großem Fahrrad- und Gepäckaufkommen kann das zur „Falle“ werden. Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin
innenraum
Die Sitzabteile sind der Einrichtung in den bisherigen S-Bahn-Zügen sehr ähnlich. Allerdings ist die Gesamtzahl der Sitzplätze geringer. Zu kritisieren ist auch, dass es nur zwei Klappfenster pro Wagenseite geben soll – sehr wenig bei Ausfall der Klimaanlage. Zeichnung: Stadler Pankow GmbH / design: büro+staubach berlin

Große Fensterflächen und gläserne Trennwände sorgen für Transparenz. Alle Wagen sind mit einem Videoüberwachungssystem ausgestattet.

Die Innenraumaufteilung folgt bewährten Konzepten. Neben der klassischen Vierer- Sitzgruppe stehen Mehrzweckbereiche mit seitlichen Sitzgelegenheiten zur Verfügung, in denen ausreichend Platz für Gepäck, Kinderwagen und Fahrräder vorgesehen ist. Rollstuhlplätze in unmittelbarer Nähe des Führerstandes und die dortige spaltfreie Ein- und Ausstiegsmöglichkeit machen die barrierefreie Nutzung der neuen Fahrzeuggeneration möglich.

Für erhöhtes Wohlbefinden sorgt eine Klimatisierung der Fahrgasträume, die erstmals bei einer Baureihe der Berliner S-Bahn realisiert wird. Die automatische Türschließung nach dem Fahrgastwechsel verringert bei extremen Außentemperaturen das Auskühlen oder Aufheizen der Innenräume.

Ein dynamisches Fahrgastinformationssystem erleichtert S-Bahn-Kunden die Orientierung. Ergänzend zur Linien- und Zielanzeige bieten im Fahrgastraum seitliche LED-Monitore auf Basis von Echtzeitdaten künftig Informationen zum Fahrtverlauf und zu Anschlüssen. Außen werden Linie und Ziel nicht nur vorn und hinten am Zug, sondern auch zu den Bahnsteigseiten hin angezeigt.“

Soweit die Ankündigungen. Eine qualifizierte Beurteilung der neuen Fahrzeuge ist jetzt noch nicht möglich. Aber der Berliner Fahrgastverband IGEB wird die Entwicklung der S-Bahn-Züge begleiten, um frühzeitig Anregungen aus Fahrgastsicht einbringen zu können.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2016 (März 2016), Seite 4-5

 

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