Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wollte von Frankfurt
am Main nach Zagreb fahren. Die Fahrkarte
kaufte er in einem Reisezentrum bereits drei
Monate vor Fahrtantritt. Für diese Reise wurden
dem Beschwerdeführer zwei Tickets verkauft:
eine Fahrkarte von Frankfurt am Main
nach München (Kosten: 36,75 Euro) sowie
eine Fahrkarte nebst Reservierung von München
nach Zagreb (Kosten: 118 Euro). Der Kauf
einer einzelnen durchgehenden Fahrkarte
von Frankfurt nach Zagreb sei nicht möglich
gewesen.
Der Beschwerdeführer schildert, dass er in
Zagreb aufgrund einer Verspätung des EN
499 nicht wie geplant um 8.37 Uhr angekommen
ist, sondern erst um 11.50 Uhr. Nach der
Fahrt machte der Beschwerdeführer eine Verspätungsentschädigung
beim Servicecenter
Fahrgastrechte geltend.
Antwort der Beschwerdegegnerin
Das Servicecenter prüfte für jede Fahrkarte
separat eine Verspätung und stellte für die
Fahrt von Frankfurt am Main nach München
eine Verspätung von drei Minuten fest. Für
die Fahrt von München nach Zagreb kam
es zu einer Verspätung von 193 Minuten, so
dass eine Verspätungsentschädigung i.H.v.
59 Euro (50 Prozent des Fahrkartenwertes
der Fahrkarte München—Zagreb) gezahlt
wurde.
Der Beschwerdeführer legte gegen diese
Entscheidung Widerspruch ein, da die Fahrkarte
von Frankfurt nach München nicht
berücksichtigt worden sei. Er habe einen einheitlichen
Beförderungsvertrag abgeschlossen,
so dass auch die andere Fahrkarte zu berücksichtigen
sei. Das Servicecenter wies den
Widerspruch zurück. Jede Fahrkarte stelle einen
eigenständigen Beförderungsvertrag dar,
so dass die Verspätungsentschädigung auch
für jede Fahrkarte separat zu ermitteln sei.
Der Beschwerdeführer war damit nicht
zufrieden und wandte sich an die söp. Er
wünschte eine Entschädigung unter Berücksichtigung
auch der Fahrkarte von Frankfurt
nach München.
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers
und kam zu dem Ergebnis, dass dem
Beschwerdeführer ein weiterer Anspruch auf
Verspätungsentschädigung zustehen dürfte.
Zwar könnten aufgrund des Kaufs von
mehreren Fahrkarten nach den Beförderungsbedingungen
des Verkehrsunternehmens
bezüglich der Fahrt Frankfurt—München
und der Anschlussfahrt München—Zagreb
zwei rechtlich zu unterscheidende und
voneinander unabhängige Beförderungsverträge
vorliegen mit der Konsequenz, dass die
Verspätungsentschädigung separat für jede
Fahrkarte und damit für jeden Beförderungsvertrag
einzeln ermittelt werden muss.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass
meist aus systemtechnischen Gründen mehrere
Tickets verkauft werden, obwohl die
Strecken alle unmittelbar hintereinander befahren
werden. Die söp hat insbesondere auf
folgende Punkte hingewiesen: Gemäß Art.
3 Nr. 8 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (VO)
wird unter „Beförderungsvertrag“ ein Vertrag
über die entgeltliche oder unentgeltliche
Beförderung zwischen einem Eisenbahnunternehmen
oder einem Fahrkartenverkäufer
und dem Fahrgast über die Durchführung einer
oder mehrerer Beförderungsleistungen
verstanden. Insoweit könnte hier – trotz der
Ausstellung mehrerer Fahrkarten – nur ein
Beförderungsvertrag vorliegen.
Nach den allgemein geltenden Bestimmungen
zum Vertragsschluss kommt es für
den Inhalt eines Vertrages grundsätzlich auf
den publizierten Empfängerhorizont an. Danach
dürfte vorliegend wohl nur ein Beförderungsvertrag
für die Gesamtstrecke geschlossen
worden sein. Soweit das Verkehrsunternehmen
sich hiervon abweichend auf das
Vorliegen mehrerer Beförderungsverträge
berufen möchte, wäre es hierfür im Streitfall
darlegungs- und beweisbelastet. Inwieweit
dieser Beweis gelingt, ist zweifelhaft.
Der Beschwerdeführer wurde wohl nicht
über die Nachteile aufgeklärt, die die Ausstellung
von Einzeltickets mit sich bringt (ggf.
Abschluss einzelner Verträge). Nach seinem
Empfängerhorizont wollte er ein Angebot auf
Abschluss nur eines Beförderungsvertrages
für die Strecke Frankfurt am Main—Zagreb
annehmen. In welcher Form sich dieser Vertrag
verkörperte (in mehreren Einzeltickets
oder einem Gesamtticket), war für ihn ohne
Bedeutung. Im Übrigen dient der Beförderungsausweis
nach Art. 6 Abs. 3 CIV lediglich
als Nachweis für den Abschluss und den Inhalt
des Beförderungsvertrages, was ebenfalls
dafür spricht, dass bei einem Ticketkauf
wie hier mehrere Fahrkarten einen einheitlichen
Beförderungsvertrag darstellen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht
sachgerecht, wenn das Verkehrsunternehmen
die in den Fahrgastrechten vorgesehene
Regelung zur Entschädigungszahlung „leer
laufen“ lassen kann, indem die Gesamtverbindung
in verschiedene Tickets aufgeteilt
und dann auf Einzelverträge abgestellt wird.
Läge ein einheitlicher Beförderungsvertrag
für die gesamte Strecke vor, hätte der Beschwerdeführer
Anspruch auf eine Entschädigung
i.H.v. 77,40 Euro (50 Prozent von 154,75
Euro).
Deshalb schlug die söp unter Berücksichtigung
der bereits erfolgen Zahlung i.H.v. 59
Euro eine Restzahlung i.H.v. 18,40 Euro vor.
Sowohl das Verkehrsunternehmen als auch
der Beschwerdeführer zeigten sich mit dem
Vorschlag einverstanden, so dass das Schlichtungsverfahren
einvernehmlich beendet
werden konnte. (Dr. Katja Schmidt)
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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