Titelthema S-Bahn-Verlängerung

Express-S-Bahn nach Falkensee und Nauen

Die seit einem Jahrzehnt festgefahrene Diskussion um das beste Schienenverkehrskonzept für die Erschließung des Havellands westlich vom Bahnhof Berlin-Spandau hat einen neuen Impuls erhalten, der versöhnlich wirken könnte: die Express-S-Bahn. Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert die Länder Berlin und Brandenburg auf, diese Idee sorgfältig zu prüfen.

Sowohl für die S-Bahn-Verlängerung als auch für die Regionalbahnstärkung gibt es verkehrsplanerische Argumente dafür und dagegen. Eine Verständigung beider Lager auf ein gemeinsames Konzept schien bisher aussichtslos. Aber nun ist die S-Bahn Berlin GmbH mit einem Kompromiss-Lösungsvorschlag an die Öffentlichkeit gegangen, für den sich S-Bahn-Chef Peter Buchner persönlich engagiert.

Das Konzept

Karten mit Bahnhöfen mit zahl der ein und aussteiger
Ein- und Aussteiger pro Tag 2012 (S 5, RB 10/14, RE 2 und RE 6) Daten: S-Bahn Berlin GmbH Kartengrundlage: OSM

Das Konzept geht von einem größtenteils eingleisigen, teilweise aber auch zweigleisigen S-Bahn-Neubau mit herkömmlicher Stromschiene nördlich der vorhandenen Fern-/Regionalbahngleise von Spandau bis Nauen aus. Dadurch können die Regionalzüge der Linien RB 10/14 größtenteils durch S-Bahnen ersetzt werden. Als Fahrzeuge kommen auf der Express-S-Bahn herkömmliche 100 km/h schnelle S-Bahn-Züge ohne spezielle Express-Ausrüstung zum Einsatz.

Das von der S-Bahn vorgeschlagene Fahrplankonzept:

  • Von der Stadtbahn fährt die S 5 wie bisher alle 10 Minuten bis Spandau, mit Halt auf allen Unterwegsbahnhöfen.
  • Eine der beiden Zuggruppen wird von Spandau nach Albrechtshof verlängert (20-Min-Takt, mit Halt auf den Unterwegsbahnhöfen Nauener Straße und Hackbuschstraße).
  • Zusätzlich fährt von der Stadtbahn kommend ein „Express-Zug“ als dritte Zuggruppe (S 5 X) im 20-Min-Takt ohne Halt zwischen Westkreuz und Spandau, weiter ohne Halt bis Albrechtshof (der letzten Station in Berlin) und dann im Land Brandenburg mit Halt auf allen Bahnhöfen bis Nauen.
  • Die Betriebszeit der S 5 bleibt wie bisher ca. 4 Uhr bis 1 Uhr im 20-Min-Grundtakt, die der Express-S-Bahn 5 bis 21 Uhr, davor und danach mit Halt auf allen Bahnhöfen bis Nauen im 30-Min-Takt.

Im Detail ist das sicherlich noch zu überprüfen, weil damit zum Beispiel die S-Bahnhöfe westlich vom Bahnhof Spandau bereits ab 21 Uhr im 30- statt 20-Min-Takt angefahren würden. Wünschenswert wäre innerhalb Berlins – also bis Albrechtshof – in der HVZ perspektivisch ein 10-Minuten-Takt (gem. Vorgabe im Nahverkehrsplan).

Das Fahrgastpotenzial ist da

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Warum Falkensee 25 Jahre nach dem Mauerfall noch immer keinen S-Bahn-Anschluss hat


Die bisherige Diskussion um besseren Schienenverkehr in das Havelland ist seit Jahren festgefahren und hat Grabenkampf-ähnliche Strukturen, wobei die Frontlinie nicht zwischen Institutionen, sondern zwischen Personen und deren persönlichen Vorlieben verläuft.

  • Das „S-Bahn-Lager“ befürwortet eine klassische Verlängerung der S-Bahn vom Bahnhof Spandau bis nach Falkensee (oder weiter) auf eigenem Gleis mit Stromschiene. Von 1951 bis 1961 fuhr die S-Bahn schon mal bis Falkensee.
  • Das „Regionalbahn-Lager“ sieht in der Verdichtung des Regionalverkehrs bis Nauen nach vorherigem Bau eines dritten Gleises mit Oberleitung zwischen Berliner Außenring und Bahnhof Spandau die Lösung des Problems.
  • Das Land Brandenburg wusste bisher vor allem, was es nicht will: eine S-Bahn-Verlängerung. Allerdings scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben, so dass S-Bahn-Lösungen wenigstens in Erwägung gezogen werden (s. Seite 11).
  • Das Land Berlin will eine S-Bahn-Verlängerung, weiß aber auch, dass diese nur im Einvernehmen mit Brandenburg möglich ist.
  • Der Bund verhält sich passiv und freut sich, dass durch die Uneinigkeit der Akteure gar nichts passiert und damit auch kein Geld für Investitionen benötigt wird. Er sieht keinen Handlungsbedarf, solange sich die beiden Länder nicht geeinigt haben.

Die Diskussion zwischen den beiden Lagern wurde in der Vergangenheit zuweilen mit absurden Behauptungen oder sogar als Beschimpfung des Gegners durchgeführt – die Atmosphäre war vergiftet.

Verkehrsplanerisch und verkehrstechnisch ist die Express-S-Bahn nicht unbedingt die optimale Erschließungsvariante, kann aber verkehrspolitisch als Kompromiss dienen und damit realisierbar sein – und sich damit von allen anderen verkehrstechnisch „besseren“ Konzepten abheben. Deshalb wäre es ein großer Gewinn für die Fahrgäste, wenn die Idee der Express-S-Bahn endlich einen Konsens für EINE Lösung schafft.

Potenzial für eine S-Bahn ins Havelland besteht zweifellos. Bisher pendeln 25 000 Personen werktags auf der Achse Havelland—Spandau – d ie meisten mit dem Auto. Die Regionalzüge sind an der Grenze der Leistungsfähigkeit, ebenso wie die Kapazität der Schienenstrecken, die durch Fern- und Güterverkehr belegt sind. Eine Taktverdichtung des Regionalverkehrs ist also nicht ohne Infrastrukturausbau möglich.

Hinzu kommt der unterdimensioniert gebaute Bahnhof Spandau, der mit seinen vier Fern-/Regional-Bahnsteiggleisen einen Engpass für die aus beiden Richtungen einmündenden je zwei doppelgleisigen Strecken darstellt (von Nauen und Wustermark sowie von Jungfernheide und Charlottenburg).

RE 2 und RE 6 fahren weiterhin

Zusätzlich zu der Express-S-Bahn sollen die Regionalexpresszüge RE 2 und RE 6 wie bisher verkehren, wobei der RE 6 unabhängig von der Falkensee-Planung perspektivisch auf der Kremmener Bahn über Tegel nach Gesundbrunnen geführt werden soll, somit also für Falkensee ohnehin nicht mehr zur Verfügung steht. Um so wichtiger ist ein verlässliches und vertaktetes Angebot Richtung Nauen.

Auch darin unterscheidet sich das Express-S-Bahn-Konzept von den vorangegangenen: Bisherige Planungen sahen den S-Bahn-Endpunkt in Falkensee oder Finkenkrug vor, mit dem Problem, dass so die Regionalzüge zur Bedienung von Nauen und Brieselang nicht eingespart werden konnten und ein Umsteigezwang in Falkensee oder Spandau entsteht. Mit der Führung der Express-S-Bahn bis Nauen wird dieser Substitutionseffekt möglich und der Umsteigezwang zur Stadtbahn entfällt. Dennoch erhöht sich der Zug-Kilometer-Aufwand für die Express-S-Bahn im 20-Min-Takt gegenüber den Regionalbahnen RB 10/RB 14 im 30-Min-Takt auf Brandenburger Gebiet um die Hälfte. Gemessen an dem heutigen völlig unzureichenden Regionalzug-Angebot ist das aber eine notwendige und sinnvolle Mehrausgabe.

Auf Berliner Gebiet bleiben die Zug-Kilometer für die Express-S-Bahn etwa konstant.

Hinzu kommt natürlich das Mehrangebot der neuen Bedienung von Spandau bis Albrechtshof durch die Lokalzüge.

Grafik
Bedienkonzept heute (oben) und mit Express-S-Bahn (unten). * Haltekonzeption zwischen Spandau und Albrechtshof ist noch zu klären Grafiken: S-Bahn Berlin GmbH

Die S-Bahn bietet damit hinsichtlich Sitzplatzanzahl, Betriebszeit, Taktfahrplan (s. Tabelle Seite 7) und Pünktlichkeit ein deutlich besseres Angebot. Störungen im S-Bahn- System rühren so nur aus diesem selbst her, und nicht wie bisher im Regional-/Fernverkehr auf der Strecke aus den störanfälligen Knoten Berlin und Hamburg (!). Aufenthalte der Regionalzüge wegen planmäßiger oder verspäteter Überholungen durch den Fernverkehr sind so nicht mehr nötig.

Fahr- und Reisezeiten

Für einige wenige Direktverbindungen ergeben sich erwartungsgemäß mit der Express-S-Bahn Fahrzeitverlängerungen, so beim Extrembeispiel Nauen—Berlin Hbf mit RB 10 über Jungfernheide 35 Minuten, mit Express-S-Bahn 47 Minuten. Dafür besteht die S-Bahn-Verbindung alle 20 Minuten, die RB 10 verkehrt nur stündlich. Zudem ist unklar, wie lange die erst vor wenigen Jahren nach Berlin Hbf und Südkreuz verlängerte RB 10 noch in dieser Form weiterhin bestellt und gefahren wird. Mit dem RE 2 erreicht man den Hbf weiterhin stündlich in 32 Minuten via Zoo.

tabellen

Für alle anderen Relationen sind die Fahrbzw. Reisezeiten der Express-S-Bahn mit denen der Regionalzüge RB 10/RB 14 vergleichbar oder sogar schneller, da der Umsteigezwang zu reinen S-Bahnhöfen entfällt. Durch die Direktverbindungen wird die Fahrt berechenbarer und bequemer, weil das Risiko des Anschlussverlustes entfällt. Deutlich macht sich der Fahrzeitgewinn zu den Zielen auf dem westlichen Südring bemerkbar, da die Express-S-Bahn in Westkreuz direkt den Anschluss zur Ringbahn herstellt, während die RB 14 erst in Charlottenburg hält.

Würde man zusätzlich die Reisezeiten von Haustür zu Haustür vergleichen, so würde das Ergebnis sicherlich für fast alle Fahrgäste eindeutig zugunsten der Express-S-Bahn ausfallen, denn – wie oben erwähnt – fährt die S-Bahn häufiger, was allen Fahrgästen nutzt, ganz besonders aber denen, die von oder zur S-Bahn noch andere Bahnen oder Busse nutzen müssen.

Erschließung Spandaus nur mit S-Bahn möglich

Eine bessere Erschließung Spandaus durch zwei neue Bahnhöfe zwischen Berlin-Spandau und Albrechtshof ist nur durch die S-Bahn möglich. Eine Regionalverkehrslösung mit diesen zusätzlichen Halten an einem „dritten Regionalbahngleis“ zwischen Falkensee und Spandau ist nicht sinnvoll, da es sich hier eindeutig um eine innerstädtische Feinverteilungsaufgabe handelt, für die die S-Bahn und nicht der Regionalverkehr geeignet ist.

Fahrplangrafik
Bildfahrplan der S-Bahn-Strecke Charlottenburg—Nauen (vorläufiger Fahrplanentwurf mit Express-S-Bahn). Der Bildfahrplan ist zu lesen wie ein Weg-Zeit-Diagramm: waagerecht der Weg, senkrecht die Uhrzeit. Jeder farbige Strich in der Grafik ist eine Zugfahrt. Jeder (physische) Zug hat eine eigene Farbe. Da Begegnungen von zwei Zügen nur auf zweigleisigen Abschnitten stattfinden können, sind diese durch zwei Striche unterhalb der Bahnhofsnamen gekennzeichnet. Darunter sind die Streckenkilometer angegeben. Grafik: S-Bahn Berlin GmbH

Außerdem würden weitere Regionalzughalte die Fahrzeit der RB 10/14 für die Nauener und Falkenseer Fahrgäste noch mehr verlängern. Somit verschöbe sich der Fahrzeitvorteil noch weiter Richtung Express-S-Bahn. Dieser Aspekt ist in der Fahrzeitvergleichtabelle (Seite 9) nicht berücksichtigt, da für die RB 10/14 vom heutigen Stand ohne Halte in Nauener Straße und Hackbuschstraße ausgegangen wird.

Die Express-S-Bahn bietet auch in diesem Fall einen Kompromiss zwischen den Interessen der Nauener und Falkenseer (kurze Fahrzeiten) und denen der Spandauer Fahrgäste (S-Bahn-Anschluss auch westlich des Bahnhofs Spandau).

Weitere Untersuchungen

Die IGEB hält die Express-S-Bahn für eine unterstützenswerte Idee, die weiter untersucht werden sollte und die als Kompromissvorschlag taugt. Als nächster Schritt sollte eine Nutzen-Kosten-Untersuchung durchgeführt werden (auch wenn es bereits die dritte oder vierte zum Thema „S-Bahn nach Falkensee“ ist).

Das Produkt „Express-S-Bahn“ würde für die vielen Auto fahrenden Havelländer sicher ein deutlicher Anreiz sein, für Ihre Fahrt nach Berlin auf die Bahn umzusteigen. Sie wäre aber zugleich auch attraktiv für den Verkehr innerhalb des Landkreises Havelland. (fm)

Die S-Bahn Berlin GmbH zum Express-S-Bahn-Konzept:
www.s-bahn-berlin.de/unternehmen/firmenprofil/infrastruktur_umland.htm

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 2/2016 (Mai 2016), Seite 8-10

 

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