Doch nun
bläst die DB zum Angriff auf die – ohnehin
zu viel zahlenden – Flexpreis-Kunden. Zunächst
einmal testweise im August und September
2016.
Ein Fahrgast, der mehrmals im Jahr die
schnelle ICE-Verbindung zwischen Köln und
Frankfurt (Main) nutzt, machte uns darauf
aufmerksam, dass er für seine Hinfahrt ab
Köln einen günstigeren und auf der Rückfahrt
nach Köln einen höheren Fahrpreis
als den sonst üblichen Flexpreis mit seiner
BahnCard50 gezahlt habe. In einer Pressemitteilung
der DB AG vom 5. Juni 2016 fanden
wir – versteckt im letzten
Absatz – eine Erklärung für
diese Preis-Diskrepanz.
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Besorgniserregend: Mit dem „Differenzierten Flexpreis“ wird die Fahrpreisgestaltung beim DB-Fernverkehr für die Reisenden noch unübersichtlicher. Fotos und Montage: BfVst |
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Darin heißt es: Neben […]
testet die Bahn ab August […]
zeitlich befristete Veränderungen
bei den Flexpreisen auf den
Strecken München—Nürnberg
und Frankfurt—Köln.
Bohle: „Markttests sind bei uns
mittlerweile zum Standard
geworden. In diesem Pilotprojekt
untersuchen wir, ob durch
unterschiedliche Preishöhen
im Flexpreis mehr Nachfrage
und Umsatz generiert werden
kann.“ Für ausgewählte Reisetage
auf diesen zwei Strecken
senkt die Bahn daher zwischen
1. August und 30. September
2016 die Preise um ca. fünf
Prozent. Gleichzeitig werden
die Preise an einzelnen Tagen
in der Woche um den gleichen
Wert angehoben.
Mehr Nachfrage daraus zu generieren,
halten wir für fragwürdig, zumal die Fahrgastzahlen
– nach DB-Darstellung – ohnehin
steigend sind. Mehr Umsatz daraus zu
ziehen, wird der eigentliche Beweggrund
sein. Denn welcher Fahrgast wird noch den
Überblick behalten, wann günstige Tage
sind und wann teure? Und wie viele Tage
günstiger sind und wie viele teurer? Im
Testzeitraum haben wir dieses Verteilungsschema
auf Basis mühseliger Preisabfragen
herausfinden können:
Sollte dieses Tarifierungsprinzip flächendeckend
eingeführt werden, sind
schleichenden Preiserhöhungen Tür und
Tor geöffnet. Die Anzahl der teuren Tage
wird gemächlich steigen, bis diese Preise
als normal empfunden werden. Dann
wird der Preis wieder ein bisschen erhöht.
Später werden mehr Abstufungen folgen,
wie heute schon beim Sparpreis, und die
Fahrpreise werden Zickzacklinien laufen,
wie die Aktienkurse in der Konjunktur. Allerdings
mehr auf als ab!
Schleichende Einschränkung
von Tarifbestimmungen
Im Gespräch mit Bahnmitarbeitern im Reise-Zentrum
und im Zug erfuhren wir von einer
besonderen „Kulanz“ im Zusammenhang
mit der Nutzbarkeit der Fahrkarte: Die Gültigkeit
des differenzierten Flexpreises ist analog
des Flexpreises 2 Tage. Der Fahrtantritt
muss am ersten Geltungstag erfolgen. Wenn
der Kunde jedoch aus Unwissenheit am 2. Tag
antritt, wird dies aus Kulanz anerkannt.
Laut den Beförderungsbedingungen für
Personen durch die Unternehmen der Deutschen
Bahn AG (BB Personenverkehr) vom
13. Dezember 2015 heißt es unter Kapitel
2.5.1. zur Geltungsdauer des Flexpreises:
Die Geltungsdauer einer Fahrkarte ergibt
sich grundsätzlich aus dieser selbst. Fahrkarten
gelten bei einer Entfernung […] über
100 km zur Hinfahrt am ersten Geltungstag
der Fahrkarte und am Folgetag sowie ggf. zur
Rückfahrt innerhalb eines Monats ab dem ersten
Geltungstag an zwei Tagen, und zwar am
Tag des Reiseantritts und am Folgetag. Ist der
erste Geltungstag nicht in der Fahrkarte angegeben,
ist das Datum des Kontrollzeichens
maßgebend. […]
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Preisbeispiele der betroffenen Testrelationen im ICE |
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Verpflichtend ist für den Fahrgast nur,
innerhalb der Geltungsdauer der jeweiligen
Fahrt diese zu beginnen und sein Ziel
zu erreichen. Jedoch steht dort nirgends,
dass dies am ersten Geltungstag erfolgen
muss! Die Anerkennung eines Fahrtantritts
am zweiten Geltungstag ist also keine besondere
Kulanz seitens der DB Fernverkehr,
sondern ein tarifliches Recht des Fahrgastes
bei der Nutzung eines Flexpreises ab
100 Kilometer. Doch was will die DB mit
dieser psychologischen Kriegsführung
bezwecken? Ist das die Vorankündigung,
die Nutzbarkeit des Flexpreises künftig zu
beschränken? Wir warnen ausdrücklich vor
diesem Fehler!
Ebenso fragwürdig ist der Umstand, dass
beim Kauf einer Hin- und Rückfahrt der
Fahrgast nun nicht wie gewohnt eine Fahrkarte
erhält, sondern zwei. Abgesehen von
der Papierverschwendung gereicht es ihm
mehrfach zum Nachteil:
- Der Fahrtantritt der Rückfahrt kann normalerweise
bei einer Fahrkarte (über 100
km) innerhalb der Geltungsdauer von einem
Monat ab dem ersten Geltungstag
frei gewählt werden. Ist die Rückfahrt
aber auf einer eigenständigen Fahrkarte,
hat er nur die angegebenen ZWEI Tage zur
Auswahl.
- Zwei getrennte Fahrkarten heißt auch,
dass der Reisende zwei unabhängige Beförderungsverträge
abschließt. Soll eine
Erstattung der Fahrkarten ab dem ersten
Geltungstag der Rückfahrt erfolgen, so
fällt dann zweimal das Erstattungsentgelt
in Höhe von 17,50 Euro an!
- Muss der Fahrgast wegen massiver Verspätungen
von den gesetzlichen Fahrgastrechten
Gebrauch machen, und seine
Fahrt abbrechen, hieße das, seine Rückfahrt
würde tariflich – ggf. abzüglich 17,50
Euro Entgelt – erstattet werden.
Die zwei Fahrkarten bieten aber auch einen
kleinen Vorteil: Entschließt sich der Reisende
nach erfolgter Hinfahrt und vor dem ersten
Geltungstag der Rückfahrt, diese zu stornieren,
so kann er dies entgeltfrei tun. Regulär
sind bei einer Teilerstattung der Rückfahrt
ab dem ersten Geltungstag der Hinfahrt immer
die 17,50 Euro fällig.
Sorgenvolle Zukunft
Der Berliner Fahrgastverband IGEB sieht die
Entwicklung mit Sorge. Sollte der „Differenzierte
Flexpreis“ flächendeckend eingeführt
werden, ist die Fahrpreisgestaltung und
Zusammensetzung für die Reisenden überhaupt
nicht mehr nachvollziehbar. Im Extremfall
der Weiterentwicklung dieser Idee
könnte eines Tages jede Fahrt unterschiedlich
kosten.
Ferner ist zu fürchten, dass künftig Hin- und
Rückfahrten grundsätzlich nur noch
getrennt ausgestellt werden. Von der
doppelten Berechnung der Entgelte wären
dann auch andere Angebote wie die
Sparpreise betroffen. Eine Abschaffung
des teuren Erstattungsentgeltes würde
zumindest diese Problematik in Luft auflösen.
(BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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