Stadtverkehr

Stadion Alte Försterei
Neue Spielzeit mit den alten Fahrgastproblemen

Seit über 10 Jahren haben wir im SIGNAL mehrmals über die Verkehrsprobleme bei Veranstaltungen im Stadion an der Alten Försterei berichtet, zuletzt im Heft 3/2013. Wie stellt sich die Lage heute dar? Neben kleinen Verbesserungen gibt es leider auch Verschlechterungen. Hauptproblem sind die erfreulich gestiegenen Besucherzahlen, denen aber kein adäquates Verkehrsangebot gegenüber steht. Und das betrifft nicht mehr nur Fußballspiele, denn inzwischen finden in dem Köpenicker Stadion auch andere Großveranstaltungen wie Konzerte oder das traditionelle Weihnachtssingen des 1. FC Union statt. Mehr als 20 000 Besucher sind inzwischen Normalität – vor 10 Jahren noch undenkbar. Deshalb müssen Lösungen her, zumal das Stadion noch erweitert werden könnte.

Haltestelle
Viel Andrang bei Veranstaltungen in der Alten Försterei. Foto: Jens Ullrich

Da hatte doch die Marketing-Abteilung der BVG eine ganz besondere Idee: Direkt nach dem Bundesliga-Abstieg des VfB Stuttgart gab es im Internet einen interessanten Liniennetzplan der Straßenbahn zu bewundern. Dort war eine Route von Prenzlauer Berg, bekanntlich Wohnort vieler zugezogener Schwaben und damit sicherlich auch vieler VfB-Fans, zum Stadion an der Alten Försterei eingezeichnet, wo der VfB in der kommenden Zweitliga-Saison ein Auswärtsspiel beim 1. FC Union bestreiten muss. Aber das Einzeichnen einer Route ist das eine, ein bedarfsgerechtes Angebot das andere. Das zeigte sich ausgerechnet beim letzten Saisonspiel der abgelaufenen Saison. Zu Gast war der SC Freiburg. Und obwohl dieses Spiel bereits über eine Woche vor Spielbeginn ausverkauft war, gab es leider kein angemessenes Verkehrsangebot.

Von diesem Spiel abgesehen fanden in letzter Zeit allerdings häufiger Straßenbahn-Sonderfahrten zu Union-Spielen statt. Im SIGNAL hatten wir schon 2002 darauf hingewiesen, dass bei mehr als 8000 Besuchern ein solcher Mehrbedarf besteht. Bei inzwischen regelmäßig über 20 000 Besuchern ist dieser Bedarf nicht mehr wegzudiskutieren. Trotzdem gibt es dieses Zusatzangebot nur unregelmäßig. Bezahlt werden die Fahrten vom 1. FC Union. Nach Aussage des Vereins verlangt die BVG dafür „recht viel Geld“.

Im Oktober und November 2015 gab es zu mehreren Sonnabend-Spielen Sonderzüge im 20-Minuten-Takt. Diese fuhren als Linie 63 zwischen S-Bf Schöneweide und S-Bf Köpenick. Aber genau genommen war das kein Zusatzangebot, sondern eigentlich nur ein Ersatz für die aufgrund von Personalmangel an Sonnabenden eingestellte Linie 67.

Ebenfalls eine Verbesserung gegenüber früheren Jahren ist die Tatsache, dass es kaum noch größere Sperrungen bei der Straßenbahn entlang der Straße „An der Wuhlheide“ gibt. Bei nur noch wenigen Spielen kommt es zu Verzögerungen von vielleicht 15-20 Minuten, wenn Gästefans in großer Gruppe an den Gästeeingang gebracht werden.

Bei der S-Bahn ist aufgrund der Bauarbeiten rund um das Ostkreuz derzeit nicht mehr möglich als der angebotene 10-Minuten-Takt. Positiv ist, dass die Züge der S 3 an den Spieltagen immer mit Vollzügen unterwegs sind. Probleme gab es aber, als die Fahrgäste ausgerechnet an einem Spieltag aufgrund von Bauarbeiten zwischen Köpenick und Karlshorst bzw. Ostkreuz einen SEV nutzen mussten.

Warum da anhalten, wo alle hinwollen?

Haltestelle
Immer viel los vor und nach den Spielen an der Haltestelle Alte Försterei. In der letzten Saison noch ohne den zweiten Abgang. Foto: Jens Ullrich
Haltestelle
… aber im Sommer 2016 wurde die Haltestelle endlich umgebaut und erhielt den von der IGEB schon lange geforderten Abgang auf der östlichen Seite zum Stadion. Foto: Jens Ullrich

Am 18. Oktober 2014 war vor und nach dem Spiel Union/Sandhausen zu erleben, bis wohin man das Chaos bei der An- und Abfahrt treiben kann. Leider fanden an diesem Wochenende auch lange angekündigte Bauarbeiten auf der S 3 mit SEV statt. Sowohl die S-Bahn als auch Union hatten im Vorfeld vergeblich versucht, das Spiel auf den Freitagabend vorzuziehen – also noch vor Beginn der Bauarbeiten. Leider spielte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nicht mit. Das zwang die Mehrheit der mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisenden Besucher, sich andere Wege zu suchen oder den SEV zu nutzen.

Zwar wurde dieser SEV während der An- und Abreise zum Spiel mit zusätzlichen Bussen verstärkt, aber die Besucher des Spiels, die über den SEV anreisten, mussten an der Haltestelle am FEZ aussteigen und von dort laufen! Zur Verdeutlichung: Die SEV-Busse, die am Stadion unmittelbar vorbei fuhren, hielten dort planmäßig nicht an. Unzählige Fans mussten also die 2 km von der Haltestelle FEZ zum Stadion laufen. Eine SEV-Haltestelle vor dem Stadion soll von den zuständigen Behörden nicht genehmigt worden sein. Allerdings standen die SEV-Busse natürlich trotzdem vor dem Stadion, denn schließlich gibt es rund um so ein Spiel ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen (Parksuchverkehr u.ä.). Immerhin haben einige Busfahrer die Fans dann im Stadionumfeld aus ihrem im Stau stehenden Bus aussteigen lassen – vernünftig, aber eigentlich nicht zulässig. So ein Irrsinn darf sich nicht wiederholen!

Kein Kombiticket in Aussicht

Grafik
Ein adaptierter Netzplan der Straßenbahn für die Fans des VfB Stuttgart, die in der „Schwaben-Hochburg“ Prenzlauer Berg wohnen. Der VfB hat in der kommenden Saison ein Auswärtsspiel in der Alten Försterei. Grafik: BVG

Zum Kombiticket gibt es leider keine Fortschritte. War Union vor rund 10 Jahren noch skeptisch bezüglich eines solchen Angebots, da der Kartenvorverkauf zu den Spielen eher gering war und eine genaue Prognose eher schwierig, sieht die Situation heute ganz anders aus. Ende Juli hatte der Verein über 10 000 Dauerkarten für die neue Saison abgesetzt – ein neuer Rekord. Für viele Spiele wird schon lange im Voraus klar sein, dass sie ausverkauft sind. Damit gibt es ausreichend Planungssicherheit und Planungszeit für ein angemessenes ÖPNV-Angebot.

2015 wurden die Stadionbesucher befragt, wie sie ins Stadion kommen. Das Ergebnis: Rund 50 Prozent kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Von denen benutzt rund die Hälfte eine Monatskarte o.ä.

Union tut sich nun schwer damit, zusätzliche Kosten auf den Eintrittspreis aufzuschlagen, weil man es nicht als fair ansieht, den 15 000 Besuchern, die nicht mit dem ÖPNV ins Stadion kommen oder die bereits eine Fahrkarte haben, zusätzliche Ticket-Kosten aufzubürden. Aus Union-Sicht mag die Argumentation vielleicht noch nachvollziehbar sein, allerdings würde sich das Verkehrschaos rund um die Spiele sicherlich deutlich verringern, wenn nicht so viele Besucher versuchen würden, so nah wie möglich mit dem Auto heranzufahren. Und gerade für den Fan einer Auswärtsmannschaft ist es immer äußerst hilfreich, sich in einer fremden Stadt nicht auch noch mit der Frage nach dem richtigen Ticket zum Stadion beschäftigen zu müssen.

Noch mehr Veranstaltungen

Neben Fußball finden inzwischen auch andere Großveranstaltungen statt. Die Rockband Linkin Park weihte im September 2015 das größte reine Fußballstadion Berlins als Open Air-Konzert-Spielstätte ein. Zu diesem Konzert strömten rund 25 000 Besucher ins Stadion. Und dieses Mal war sogar ein VBB-Anteil im Ticketpreis enthalten! Allerdings gab es keine Verstärker bei der Straßenbahn. Schon vor dem Konzert mussten viele Fahrgäste an den Haltestellen zurückbleiben. Auch nach Konzertende gegen 23 Uhr gab es nur die üblichen 20-Minuten-Takte der 27 und 63. Selbst 90 Minuten nach dem Ende der Veranstaltung mussten noch Fahrgäste an der Straßenbahn-Haltestelle „Alte Försterei“ zurückbleiben. Viele sind dann einfach gelaufen, zur Edisonstraße oder zum S-Bf Wuhlheide. Ein peinlicher Abend für die BVG.

Eine einheitliche Regelung muss her

Auch das traditionelle Weihnachtssingen des 1. FC Union findet jedes Jahr im Stadion statt. Für diese Veranstaltung hat die BVG interessanterweise in den letzten beiden Jahren zusätzliche Straßenbahnfahrten angeboten. Da stellt sich die Frage, warum es hier eine unterschiedliche Handhabung zu geben scheint? Auf der einen Seite fährt die BVG nur zusätzlich etwas, wenn es der Veranstalter bezahlt. Aber dann gibt es auch Veranstaltungen, zu denen die BVG anscheinend von sich aus zusätzliche Fahrten anbietet.

Hier muss es in Zukunft eine klare Linie geben. Oder handelt es sich um ein Kommunikationsproblem? Die S-Bahn jedenfalls scheint immer gut informiert zu sein, wann Union-Spiele stattfinden, und sorgt für eine maximale Zuglänge auf der S 3. Auch Bauarbeiten werden möglichst auf die Wochenenden gelegt, an denen Union kein Heimspiel hat.

Straße
Vor und nach den Spielen Stau auf den Straßen rund um das Stadion. Die Straßenbahn (im Hintergrund) hat freie Fahrt. Foto: Jens Ullrich

Deshalb sei an dieser Stelle zum wiederholten Mal auf den Verkehrsvertrag zwischen BVG und Land Berlin hingewiesen. Dort steht unter § 6 Absatz 2 „Die BVG gewährleistet im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten einen bedarfsgerechten Einsatz von Verkehrsmitteln bei besonderen Anlässen (z. B. bei Sportgroßveranstaltungen, Volksfesten, Konzerten, Messen). Die erforderlichen Angebote sind bei ausreichender Planungssicherheit im regulären Fahrplan (§ 5) zu berücksichtigen, andernfalls durch einen Sonderfahrplan (§ 7) zu regeln.“

Daraus lässt sich schlussfolgern: Wenn man der BVG rechtzeitig Bescheid gibt, ist sie dazu verpflichtet, ein angemessenes Angebot für die Spiele an der Alten Försterei bereitzustellen.

Ähnlich funktioniert es wohl auch bei Hertha BSC, wo ab einer bestimmten zu erwartenden Besucherzahl im Olympiastadion eine U-Bahn-Reserve für die Rückfahrt der Fans bereit steht. Das muss auch bei Union funktionieren! Aufgrund der relativ stabilen Zuschauerzahl von rund 20 000 bei Punktspielen kann in der Regel schon Wochen im Voraus der genaue Bedarf ermittelt und dann am Spieltag zur Verfügung gestellt werden.

Standort wächst, Infrastruktur muss mitwachsen

Ein weiterer Ausbau des Stadions ist bei den Verantwortlichen aktuell in der Überlegung. Zahlen jenseits der 30.000 wurden schon genannt. Das scheint auch nachvollziehbar, denn immer häufiger ist das Stadion ausverkauft. Dem ÖPNV dürfte da eine besondere Rolle zukommen, denn für zusätzlichen Autoverkehr gibt es keinerlei Kapazitäten. Auch eine Nutzung weiter entfernter großer Parkflächen hätte einen zusätzlichen Bedarf an öffentlichen Verkehrsmitteln zur Folge.

Verträgt der Standort eine erneute Erweiterung? Bezüglich des ÖPNV sollte es grundsätzlich keine Probleme geben. Es gibt allerdings Verbesserungsbedarf.

Der derzeitige 10-Minuten-Takt der S-Bahn scheint gerade noch ausreichend. Eng wird es allerdings im Rückreiseverkehr bei Spielen am späten Abend. Anders als noch vor einigen Jahren nutzen inzwischen deutlich mehr Stadionbesucher die S-Bahn, da sie von weiter entfernten Stadtteilen anreisen.

Nach Abschluss der Bauarbeiten am Ostkreuz sollte ein 5-Minuten-Takt bis S-Bf Köpenick möglich sein. Und er wird nötig sein, weil dann noch mehr Fahrgäste die Möglichkeit nutzen werden, direkt aus der Innenstadt umsteigefrei nach Köpenick zu fahren. Zum Vergleich: Bei Spielen im Olympiastadion fährt die S-Bahn bei doppelten Besucherzahlen etwa alle 2 bis 3 Minuten.

Karte
Das Stadion an der Alten Försterei ist vor allem mit der Straßenbahn gut erreichbar, die selbst bei „Sicherheitsspielen“ inzwischen relativ störungsfrei unterwegs ist, wie man kürzlich beim Spiel gegen Dresden beobachten konnte. Karte: OSM, Eintragungen: IGEB

Äußerst wichtig ist am S-Bahnhof Köpenick eine Verbesserung der baulichen Situation. Der momentan einzige Abgang vom Bahnsteig reicht schon lange nicht mehr aus. Nach Ankunft einer S-Bahn ist der Abgang regelmäßig überfüllt. Hinzu kommt, dass unmittelbar nach Verlassen des Bahnhofs die Bahnhofstraße überquert werden muss und die dortige Ampel für Fußgänger pro Umlauf nur rund 5 Sekunden Grün zeigt. Auch diese Tatsache trägt nicht gerade zu einer Entlastung der Fahrgastströme im Bahnhofsbereich bei.

Ein weiterer Abgang auf der westlichen Seite der Bahnhofstraße würde die Situation deutlich entschärfen. Zudem wäre ein solcher Abgang nicht nur für den Stadionverkehr von Bedeutung, denn auf der westlichen Seite der Straße befinden sich wichtige Ziele vieler hier mit der S-Bahn ankommenden Fahrgäste, beispielsweise das Einkaufszentrum „Forum Köpenick“.

Bei der Straßenbahn gibt es erfreuliche Entwicklungen. Die Haltestelle „Alte Försterei“ hat endlich einen zweiten Abgang erhalten. Diesen forderte der Berliner Fahrgastverband IGEB schon vor Jahren. Schließlich gehen viele Stadionbesucher inzwischen in Richtung neuer Haupttribüne, weshalb der östliche Abgang mehr als überfällig war.

Aber wie sieht es mit der Betriebsabwicklung aus? Hier knirscht es besonders, wenn sonntags gespielt wird. Sonderzüge ersetzen zurzeit bestenfalls die an diesem Tag nicht verkehrende 67. Da die Endstelle am FEZ aufgrund der Entfernung für die Stadionerschließung nicht geeignet ist, sollte eine weitere Endstelle im Bereich des Stadions gebaut werden. Aufgrund der größeren Zahl von Veranstaltungen sollte sich diese Investition rechnen. Das hätte für den Straßenbahnbetrieb zugleich den Vorteil, nur auf dem Abschnitt Zusatzverkehr anzubieten, wo er tatsächlich gebraucht wird: aus Richtung Oberschöneweide. Man spart im Vergleich zum heutigen Sonderverkehr Umläufe, was im Einzelfall die Bereitschaft zur Finanzierung erhöhen sollte.

Fazit

Berlin wächst. Und damit wächst auch der Bedarf an Veranstaltungsorten in der Stadt. Neue entstehen, existierende werden vergrößert. Das ist für den ÖPNV eine große Herausforderung, aber auch die Chance, bei entsprechender Qualität neue Kunden zu gewinnen. Und es ist Aufgabe der Politik, die Verkehrsströme für solche Ereignisse richtig zu lenken: weg vom Auto. Denn zur Erschließung großer Veranstaltungsorte ist das Auto denkbar ungeeignet.

Es wäre doch schön, wenn aus der oben erwähnten Routen-Empfehlung der BVG für Fans des VfB Stuttgart tatsächlich ein entsprechendes Sonderzug-Angebot für das Auswärtsspiel im November in der Alten Försterei resultieren würde: Quasi eine 21E in dichtem Takt und durchgehend von Prenzlauer Berg bis nach Köpenick. Natürlich als Ergänzung zu den zusätzlichen Straßenbahnen für die Unionfans. Denn schon heute ist sicher, dass dieses Spiel ausverkauft sein wird. Eine neue Chance für alle Beteiligten, sich zu beweisen.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 4/2016 (September 2016), Seite 21-23

 

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