Ergänzt wurde der Gesetzentwurf um
einen Verordnungsentwurf. Mit der Verordnung
sollen verschiedene Details
geregelt werden, zum Beispiel zur Ausgestaltung
eines Grundangebots für den
Tagesreisezugverkehr und zum Nachtreisezugverkehr.
Beide Entwürfe wurden zwischenzeitlich
sowohl den zuständigen Ministern der Bundesländer
als auch dem Bundesminister für
Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
zugeschickt.
Kurz und knapp: Nein, ich will nicht!
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Regionalzug auf der Moselbrücke bei Bullay. Obwohl Trier 115 000 Einwohner hat, gibt es auf der Moselstrecke mittlerweile keine Fernverkehrsangebote mehr. Die Kundenoffensive der Deutschen Bahn sieht erst ab Dezember 2030 (!) wieder eine Anbindung der Großstadt Trier an das InterCity-Netz vor. Foto: Christian Schultz |
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Während es positive Rückäußerungen
seitens der Länderverkehrsminister gab,
beispielsweise aus Bayern und Thüringen,
erhielt der DBV von Bundesminister Alexander
Dobrindt (CSU) eine negative Antwort
(s. Kasten Seite 25). Die Argumentation des
BMVI zeigt ein kaum zu übertreffendes Desinteresse
an diesem Thema; eine ernsthafte
Beschäftigung mit den Entwürfen hat offenkundig
nicht stattgefunden.
So wird von Herrn Dobrindt argumentiert,
dass die Gewährleistung bestimmter Verkehrsangebote
im Fernverkehr einer starren
Festlegung vorhandener Rahmenbedingungen
gleich käme. Es würde verhindert,
dass sich der Schienenpersonenfernverkehr
parallel zu den tatsächlichen Bedürfnissen
der Bevölkerung entwickelt.
Diese Aussage ist jedoch falsch, denn
im Entwurf des Schienenpersonenfernverkehrsgesetzes
ist die Erstellung bzw. Fortschreibung
eines Schienenpersonenfernverkehrsplans
(SPFV-Plan) vorgesehen. So heißt
es in § 2 Absatz 1 bzw. 2:
- Die erforderliche Entwicklung des SPFV,
mindestens jedoch das sicherzustellende
Grundangebot nach §1, stellt der Bund in
einem SPFV-Plan dar, welcher der Zustimmung
des Bundesrates bedarf. Die Aufstellung
erfolgt erstmals bis spätestens
sechs Monate nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes. Er wird spätestens alle drei Jahre
fortgeschrieben und veröffentlicht. […]
- Der SPFV-Plan stellt mindestens die pflichtig
durch Züge des Fernverkehrs anzubindenden
Orte, die Verknüpfungspunkte,
die zu befahrenden Linien, die Taktfolge
und die tägliche Bedienungszeit auf den
einzelnen Linien dar. Insbesondere sind
alle Oberzentren anzubinden. […]
Und: Siedlungsstrukturen und Verkehrsbedürfnisse
verändern sich nicht so rasch, dass
dem durch Angebotsvorgaben nicht gefolgt
werden kann.
Die üblichen Argumente
Auch weitere in der Diskussion um ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz
häufig vorgebrachte
Argumente des Bundes sind nicht
haltbar, zum Beispiel:
Der Schienenpersonenfernverkehr
(SPFV) sei ein eigenwirtschaftliches Angebot
der Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Es gibt jedoch gar keine gesetzliche Vorgabe,
die eine Eigenwirtschaftlichkeit des
SPFV vorschreibt.
-
Die Verantwortung des Bundes für den
SPFV werde durch die Bereitstellung
von Investitionsmitteln für die Schienenwege
in ausreichender Weise wahrgenommen.
Auch dieses Argument ist falsch. Der Artikel
87e Absatz 4 des Grundgesetzes ist
eindeutig und weist dem Bund die Verantwortung
für den SPFV bzw. für die
Gewährleistung von Verkehrsangeboten
auf dem Schienennetz zu. Eine Beschränkung
auf die Infrastrukturförderung hat in
der Vergangenheit nicht zu Mehrverkehr
auf der Schiene geführt bzw. kann auch
gar nicht sicherstellen, dass anschließend
auch entsprechende Verkehrsangebote
im SPFV erbracht werden.
Ein SPFV-Gesetz wäre eine Einladung zu
unwirtschaftlichem Handeln.
Die im Jahr 1996 umgesetzte Regionalisierung,
d.h. die Übertragung der Aufgabenund
Ausgabenverantwortung für den
Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auf
die Bundesländer hat keinesfalls zu Unwirtschaftlichkeit
geführt – im Gegenteil:
Wettbewerb ist durch Ausschreibungen
erst entstanden. Die Sorge ist daher unbegründet.
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Dessau Hbf. Mit einem Schienenpersonenfernverkehrsgesetz würden verbindliche Rahmenbedingungen für die Anbindung auch dieser 83 000-Einwohner-Stadt an den Fernverkehr der Bahn geschaffen. Foto: Christian Schultz |
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Demgegenüber scheinen den Bund keine
Zweifel am wirtschaftlichen Umgang mit
Steuergeldern zu plagen, wenn er so fragwürdige
Großprojekte wie beispielweise
„Stuttgart 21“ verfolgt. Auch bei den vielfältigen
finanziellen Förderungen von Elektroautos,
deren Kauf zum Beispiel mit 600
Millionen Euro Steuergeldern bezuschusst
wird (hinzu kommt ein Eigenanteil von weiteren
600 Millionen Euro seitens der Automobilindustrie),
kann von einem sparsamen
Umgang mit Steuergeldern keine Rede sein.
Zusätzlich will der Bund auch noch die erforderliche
Ladeinfrastruktur mit 300 Millionen
Euro fördern. Hier steht offensichtlich nicht
das Allgemeinwohl, sondern das Wohl der
Automobilindustrie im Vordergrund!
Neue Belastungen drohen durch das
Eisenbahnregulierungsgesetz
Schon heute ist der Fernverkehr auf der
Schiene durch die Fernbusse, die keine Streckenmaut
zahlen müssen, wirtschaftlich
unter Druck.
Für zusätzliche Probleme des Schienenpersonenfernverkehrs
– und auch des Schienengüterverkehrs
– dürfte das neue Eisenbahnregulierungsgesetz
sorgen. Es sieht
vor, den Trassenpreisanstieg für Züge des
Regionalverkehrs auf 1,8 Prozent pro Jahr zu
begrenzen. Was positiv für die Kunden des
Regionalverkehrs ist, wird sich nachteilig auf
den Fern- und Güterverkehr auswirken.
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Für den Regionalverkehr wird mit dem Eisenbahnregulierungsgesetz der jährliche Trassenpreisanstieg begrenzt, aber dadurch besteht die Gefahr überdurchschnittlicher Trassenpreiserhöhungen für den Fern- und Güterverkehr. Gefährdet wird dadurch nicht zuletzt die Umsetzung der Fernverkehrsoffensive der Deutschen Bahn. Foto: Christian Schultz (Pündericher Hangviadukt auf der Strecke Koblenz—Trier) |
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Kalkuliert wird mit einer jährlichen Steigerung
der Kosten des Schienennetzes in
einer Höhe von 2,4 Prozent. Da es sich auf
dem Schienennetz überwiegend um Züge
des Regionalverkehrs handelt, ist ein umso
stärkerer Anstieg der Trassenpreise für den
Fern- und Güterverkehr zu befürchten.
Die Problematik wird anhand nachfolgender
Zahlen deutlich: So verkehrten im Jahr
2015 allein bezogen auf die Geschäftsbereiche
der Deutschen Bahn insgesamt 22 809
Züge des Regionalverkehrs pro Tag, dagegen
nur 1304 Züge des Fernverkehrs und
4520 Güterzüge.
Nicht zuletzt dürfte mit den neuen Kostenregelungen
die Umsetzung des Zielnetzes
IC-NEU entsprechend der Kundenoffensive
der Deutschen Bahn gefährdet
sein. Deshalb ist für die Umsetzung der DBFernverkehrsoffensive
eine staatliche Flankierung
notwendig!
Fazit
Die Regelung der in Artikel 87e Grundgesetz
geforderten Gemeinwohlaufgaben sind
sachlich berechtigt. Das Grundgesetz muss
vom Bund beachtet und daher das bislang
fehlende Bundesgesetz zum Schienenpersonenfernverkehr
auf den Weg gebracht
bzw. beschlossen werden. Da Bundesminister
Alexander Dobrindt sich dem verweigert,
muss es ein Thema der neuen Bundesregierung
nach den Wahlen 2017 werden.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und
IGEB Fernverkehr
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