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Foto: Frank Lammers |
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Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014
wurde mit der Einstellung des Eurocity „Wawel“,
dem letzten Fernzug zwischen Berlin
und Wrocław (Breslau), ein Tiefpunkt im Eisenbahnverkehr
zwischen Deutschland und
Polen erreicht. Die Einstellung war nicht nur
ein herber Rückschlag für die Zusammenarbeit
der benachbarten Metropolen Berlin
und Breslau, sondern auch für das Zusammenwachsen
der europäischen Grenzregionen
(„Oder-Partnerschaft“) zu einem einheitlichen
Arbeitsmarkt und Wirtschaftsraum.
Neuanfang mit dem „Kulturzug“
Es ist der Initiative von Berlins Senator Andreas
Geisel und Brandenburgs Ministerpräsident
Dietmar Woidke zu verdanken, dass seit
April 2016 an Wochenenden ein „Kulturzug“
in die Europäische Kulturhauptstadt Breslau
fährt. Dieser Zug wird von den Ländern Berlin
und Brandenburg finanziert. Eingesetzt
werden ältere „polonisierte“ Triebzüge der
Baureihe 628, indem von DB Regio neben
dem deutschen Zugsicherungssystem INDUSI
auch das polnische Zugsicherungssystem
SHP eingebaut wurde.
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Startklar in Berlin-Lichtenberg für die Rekordfahrt : Ein Zug der neuen Baureihe 623 benötigte am 16. Juli 2016 für die Fahrt nach Breslau nur 3:52 Stunden, zurück sogar nur 3:34 Stunden. Foto: Heike Stock |
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Das Zugangebot ist bis zum 8. Januar 2017
gesichert. Leider sind die Fahrzeiten gegenüber
dem Fernbus unattraktiv. Das Land
Brandenburg hatte seine Unterstützung
davon abhängig gemacht, dass der Kulturzug
aus „regionalpolitischen“ Gründen über
Forst verkehrt. Die eingleisige polnische
Strecke von Forst bis Miłkowice (bei Liegnitz)
lässt nur Geschwindigkeiten von 50 bis
70 km/h zu. Berlin favorisierte den schnelleren
Weg unter Nutzung der zweigleisigen
Strecke Węgliniec (Kohlfurt)—Wrocław
(Breslau), die als polnische „Musterstrecke“
zweigleisig auf 160 km/h ausgebaut ist.
Leider ist diese Strecke derzeit eine „Investitionsruine“,
denn es verkehren nur einige
Regionalbahnen. Der Dresden-Breslau-Express
verfügt nur über Fahrzeuge, die für
120 km/h zugelassen sind und auf polnischer
Seite sehr oft halten.
Damit die Fahrzeit durch die zahlreichen
Baustellen im Bereich Köpenick sich nicht
weiter verlängern, hatten sich die Besteller
für einen Laufweg von Berlin Lichtenberg
mit Halt im neuen Regionalbahnhof Ostkreuz
entschieden.
Trotz der Fahrzeiten von über 4½ Stunden
war die Nachfrage nach dem Kulturzug
überwältigend, wozu auch das Kulturprogramm
während der Fahrt beigetragen hat.
An einzelnen Tagen waren die Züge überfüllt
und DB Regio musste parallel Busse
einsetzen. Da es kaum Schienenfahrzeuge
mit polnischer Zugsicherung gibt, konnten
maximal drei gekoppelte Triebzugeinheiten
mit maximal 420 Sitzplätzen verkehren –
und manchmal fiel eine Einheit aus.
Rekordfahrt, um ein Zeichen zu setzen
Der Berliner SPD-Fachausschuss Mobilität
in Kooperation mit dem Abgeordneten
Frank Jahnke konnte auf einer Demonstrationsfahrt
am 16. Juli 2016 beweisen, dass es
schon heute möglich ist, Züge nach Breslau
mit erheblich kürzeren Fahrzeiten anzubieten.
Eingeladen zu dieser Schnellfahrt waren
auch Eisenbahn-Experten, Fahrgastverbände
sowie Senator Geisel.
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Im Breslauer Hauptbahnhof bereiten polnische Politiker, (im Bild links der Sejmik-Abgeordnete Marek Dyduch), Journalisten und Bürger den Berliner Teilnehmern der Rekordfahrt einen großen Empfang. Foto: Heike Stock |
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Es gelang, einen fabrikneuen Triebzug der
Baureihe 623 (bestimmt für die
RE-Linie Stettin—Lübeck) zu chartern. Das Fahrzeug ist für
140 km/h zugelassen. Bei der Bestellung der
Trassen stellte sich heraus, dass dieser Triebzug
in Polen nur 130 km/h fahren darf. Voraussetzung
in Polen für höhere Geschwindigkeiten
ist ein Sitz für einen zweiten Lokführer;
ein Klappsitz wird nicht akzeptiert!
DB Netze und PLK konnten unseren
Wunsch nach einer Fahrplantrasse mit nur
geringen Kreuzungsaufenthalten im eingleisigen
Abschnitt zwischen Lübbenau
und Görlitz erfüllen. Mit Zwischenhalten
in Cottbus, Görlitz und Zgorzelec konnten
wir bereits auf der Hinfahrt eine beachtliche
Fahrzeit von 3:52 Stunden bieten – trotz
zweier Zugkreuzungen.
Höhepunkt war die Rückfahrt, die um
21.14 Uhr im Breslauer Hauptbahnhof begann.
Trassenkonflikte mit den zu dieser
Zeit verkehrenden Kohlezügen gab es nicht,
denn die Strecke nach Görlitz ist für einen
Zwei-Gleis-Wechselbetrieb ausgerüstet.
Besonders beeindruckend war eine fliegende
Überholung eines Güterzuges auf dem
Bunzlauer Viadukt, wo unser Zug auch mal
ausnahmsweise eine kurze Zeit bis auf 143
km/h beschleunigte.
Nach 3 Stunden 34 Minuten in Berlin
Aufgrund reduzierter Kreuzungshalte zwischen
Görlitz und Lübbenau zur späten
Stunde konnten wir eine Rekordfahrzeit
Breslau—Ostkreuz von 3:34 Stunden erreichen.
Der vor dem Zweiten Weltkrieg verkehrende
„Fliegende Breslauer“ war eine
Stunde schneller. Aber ein Blick in den Sommerfahrplan
1939 zeigt, dass die Fahrzeiten
aller anderen dampfgeführten Schnellzüge
über vier Stunden betrugen. Es war somit
die zweitschnellste Fahrt!
Mit Unterstützung der Europäischen Union
haben Berlin, Breslau und Niederschlesien
im INTERREG Programm „Via Regia
Plus“ eine Konzeption für den zukünftigen
Bahnverkehr entwickelt. Die Bahnkonzeption
sieht einen neuen Laufweg der Fernzüge
über Horka und Węgliniec (Kohlfurt) vor.
Wichtigste Maßnahmen sind die Schließung
der 72 km langen Elektrifizierungslücke zwischen
Cottbus und Horka und der Wiederaufbau
des zweiten Gleises.
Zukunftspläne für Berlin—Breslau
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Quelle: EU Projekt Via Regia Plus |
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Stufe 1: Fahrzeit Berlin—Breslau nach Elektrifizierung Hoyerswerda—Horka 2018 auf 160 km/h 3:33 h Quelle: EU Projekt Via Regia Plus |
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Stufe 2: Elektrifizierung Cottbus—Görlitz mit Fahrzeit Berlin—Breslau via Horka Vk: 2:55 h; via Görlitz: 3:22 h. In zwei Stufen soll die Fahrzeit mit der Bahn zwischen Berlin und Breslau in den nächsten Jahren auf rund drei Stunden vermindert werden. Quelle: EU Projekt Via Regia Plus |
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Ab Dezember 2018 könnten als erste Zwischenstufe
IC-Züge von Berlin nach Breslau
und Krakau elektrisch ohne Lokwechsel
über den neuen Flughafenbahnhof BER,
Cottbus, Senftenberg, Hoyerswerda und
Horka in 3:33 Stunden nach Breslau verkehren
(Stufe 1). Das entspräche der Rekordfahrt
vom 16. Juli 2016.
Weitere 40 Minuten Fahrzeitverkürzung
würden der Wiederaufbau des 1946 von
der Sowjetunion demontierten zweiten
Gleises und die Elektrifizierung
Cottbus—Horka bringen, die vom Land Brandenburg
im Bundesverkehrswegeplan angemeldet
wurde (Stufe 2). Im bisherigen Referentenentwurf
wurde diese Maßnahme leider nicht
mit einer hohen Priorität eingestuft.
Für den Sommer 2017 plant der Fachausschuss
Mobilität eine weitere Rekordfahrt über
die dann fertiggestellte Verbindungskurve in
Horka. Wir könnten uns dann einer Fahrzeit
von 3 Stunden für Berlin—Breslau nähern. Leider
gibt es keinen für 160 km/h in Deutschland
und Polen zugelassen Dieseltriebzug. Dann
könnten wir vielleicht sogar die drei Stunden
unterbieten. Für diese Fahrt müssen allerdings
noch Spenden gesammelt werden. Allein über
2500 Euro sind für die Nutzung der Trassenpreise
zu entrichten Dieses Problem hat der
Fernbus nach Breslau nicht.
Dr. Jürgen Murach
Stv. Vorsitzender des Fachausschuss Mobilität der SPD Berlin
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