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Mit einem Festakt präsentierte die DB ihren neuen ICE der vierten Generation am 14. September 2016 im Berliner Hauptbahnhof. Die Spuren des Konfetti-Regens sind noch auf dem Zug zu sehen. Foto: Marc Heller |
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Seitens
der Deutschen Bahn wurden bislang
130 ICE4 fest bestellt. Dies entspricht einem
Investitionsvolumen von rund 5,3 Milliarden
Euro. Der entsprechende Rahmenvertrag
vom Mai 2011 sieht sogar die Beschaffung
von bis zu 300 Triebzügen vor. Der ICE4 wird
somit künftig das Rückgrat des Fernverkehrsangebotes
bilden. Neben Angebotsausweitungen
werden die neuen Fahrzeuge
in einigen Jahren nach und nach auch die
ICE1- und ICE2-Flotten ersetzen.
Der 12-teilige ICE4 ist für eine Höchstgeschwindigkeit
von 250 km/h zugelassen.
Die im Gegensatz zu ICE3 und ICE Velaro D
verringerte Höchstgeschwindigkeit ist angesichts
des Anstiegs der Belastungen an
Fahrzeug und Infrastruktur richtig. Auch der
deutliche Anstieg des Energieverbrauchs in
hohen Geschwindigkeitsbereichen für lediglich
wenige Minuten Fahrzeitverkürzung
rechtfertigt diese Begrenzung – nicht zuletzt
als Beitrag der Bahn zum Klimaschutz.
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Foto: Christian Schultz |
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Die Länge des Zugverbandes beträgt 346
m. Im Gegensatz beispielsweise zum ICE1
wurde mit 27,9 m eine größere Länge für die
Mittelwagen gewählt, die Länge der Endwagen
beträgt sogar 28,6 m. Dies geht jedoch
zu Lasten der Wagenkastenbreite, die beim
ICE4 2.852 mm beträgt gegenüber 3020 mm
beim ICE1. Die 12-teilige Grundvariante bietet
830 Fahrgästen Platz, davon 205 in der 1.
Klasse und 625 in der 2. Klasse. Das Bordrestaurant
verfügt über 22 Plätze.
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Die in den Wagen des ICE 4 verteilten Gepäckregale bieten viel Stauraum. Positiv außerdem: Das Gepäck befindet sich auf diese Weise in Blicknähe der Reisenden. Foto: Christian Schultz |
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Mit dem neuen Fahrzeug wurden auch etliche
technische Innovationen realisiert.
Flexibilität bei der Zugbildung durch
das Powercar-Konzept
Die angetriebenen Wagen (Powercars) verfügen
jeweils über komplette bzw. identische
Traktionsanlagen. Die Komponenten
der Antriebsanlage (im Wesentlichen Transformator,
Traktionsstromrichter, Traktionskühlanlage
und vier Fahrmotoren) sind in
Unterflurcontainern untergebracht. Die
12-teilige Grundeinheit verfügt dabei über
insgesamt sechs Powercars. Damit wird
einerseits eine relativ flexible Zugbildung
gewährleistet, andererseits stellt die Redundanz
von technischen Systemen auch eine
hohe Verfügbarkeit sicher. Damit besteht
ein wesentlicher Unterschied beispielsweise
zu den ICE1 und 2, bei denen die Antriebstechnik
in den beiden Triebköpfen konzentriert ist oder zum
ICE3, bei dem die entsprechenden
Komponenten auf mehrere Wagen
verteilt sind.
Energieeffizienz deutlich verbessert
Im Vergleich zu den älteren ICE-Bauarten
wurde die Energieeffizienz beim ICE4 durch
verschiedene Maßnahmen deutlich verbessert.
So ist der 12-teilige ICE4 mit einem Leergewicht
von 670 Tonnen gegenüber dem redesignten
ICE1 mit 12 Mittelwagen um rund
120 Tonnen leichter.
Eine spürbare Gewichtsreduzierung ermöglichte
dabei u. a. die von Bombardier
Transportation (BT) weiterentwickelte Konstruktion
der Laufdrehgestelle. Die nunmehr
realisierte Innenlagerung (d. h. alle Rahmenteile
und Achslager befinden sich innerhalb
der Radscheiben der Radsätze) ermöglichte
eine Gewichtseinsparung von etwa einem
Drittel gegenüber den bislang gebräuchlichen
außengelagerten Drehgestellen. Zudem
können die Laufdrehgestelle wegen
der schmaleren Bauweise verkleidet werden,
was den Luftwiderstand deutlich verringert.
Durch die erstmals im Stahl-Schienenfahrzeugbau
zum Einsatz kommende Laserschweißtechnologie
wurden in Verbindung
mit einer schweißoptimierten Konstruktion
weitere Gewichtseinsparungen möglich.
Auch die größere Wagenlänge sorgt letztlich
dafür, dass der Energieverbrauch pro
Sitzplatz im Vergleich zum redesignten ICE1
um bis zu 22 Prozent niedriger ist.
ICE 4 mit verbesserter
Innenraumgestaltung
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Auch spezieller Service für Familien wurde berücksichtigt: Das Kleinkindabteil im ICE 4. Foto: Christian Schultz |
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Im Vergleich zu den Vorgängern wurde die zweite Klasse mit ergonomisch verbesserten Sitzen ausgestattet. Foto: Christian Schultz |
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Auch im ICE 4: Viel Platz in der ersten Klasse. Foto: Christian Schultz |
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Für ein im Vergleich zu den Vorgänger-Bauarten
verbessertes Raumgefühl sorgen
im ICE4 große Panoramascheiben und ein
neues Lichtkonzept. Ein oberhalb der Sitzreihen
installiertes LED-Lichtband erzeugt
nunmehr eine der Tageszeit angepasste
Beleuchtung. Nachteilig: Trotz der großen
Scheiben stimmt die Sitzteilung auch bei
diesem Fahrzeug leider nicht an allen Stellen
mit der Fensterteilung überein, so dass
der ggf. gebuchte Platz lediglich „Aussicht“
auf die Seitenwand bietet, jedoch nicht nach
draußen.
Der Sitzkomfort wurde durch neu entwickelte
Sitze verbessert. Die Rückenlehnen
kippen beim Verstellen nicht mehr nach
hinten, sondern gleiten im Sitzrahmen. Der
Hintermann wird auf diese Weise nicht mehr
beeinträchtigt. Positiv sind auch die Kopfstützen,
die beispielsweise das Schlafen
möglich machen, ohne dass der Sitznachbar
unfreiwillig als Ersatz-Kopfstütze dienen
muss.
Günstiger als bislang ist die Anzeige der
Sitzplatzreservierung gelöst, die nunmehr
in die Kopfstützen am Mittelgang integriert
ist.
Deutlich verbessert wurde auch die Gepäckaufbewahrung
in den einzelnen Wagen.
Neben den Gepäckablagen über den
Sitzen sind in der 2. Klasse insgesamt vier
Gepäckregale (in der 1. Klasse zwei) abwechselnd
auf beiden Gangseiten installiert.
Damit steht einerseits mehr Stauraum
für Gepäck zur Verfügung, andererseits
befindet sich das Gepäck in Blicknähe der
Fahrgäste. Die zurückgesetzten Gepäckregale
bieten zudem den notwendigen
Ausweichraum für Fahrgäste, die einander
begegnen. Erforderlich wurde das wegen
der erwähnten verringerten Wagenkastenbreite
und den dadurch schmaleren Gängen
in den Wagen.
In Blicknähe der Fahrgäste befinden sich
im Deckenbereich auch Fahrgastinformationssysteme,
die über Ankunftsziele und
-zeiten in Echtzeit informieren.
Auch im ICE4 gibt es ausschließlich Sitze
in Großräumen; die Wahlmöglichkeit einer
Reise im Abteil ist somit leider nicht gegeben.
Eine Ausnahme bildet hier das neu gestaltete
Kleinkindabteil, das auch über eine
Stellfläche für Kinderwagen verfügt.
Für den Service steht im Zug ein Restaurant-
und Bistrobereich zur Verfügung. Gut
gelungen ist in diesem Bereich u. a. die Glasvitrine,
in der die angebotenen Produkte für
den Kunden nun sichtbar ausgelegt sind.
Erstmals Fahrradmitnahme im ICE
möglich
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Entsprechend langjähriger Forderungen von Fahrgastverbänden ist im ICE 4 erstmals auch eine Fahrradmitnahme möglich. Foto: Christian Schultz |
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Attraktiv gestaltet ist das Bordbistro mit dem in der Vitrine ausgelegten Warenangebot und… Foto: Christian Schultz |
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… das Bordrestaurant. In der Praxis muss sich jedoch noch zeigen, ob 22 Plätze für einen zwölfteiligen Zug ausreichend sind. Foto: Christian Schultz |
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Im ICE4 ist endlich auch die Mitnahme von
Fahrrädern möglich. An einem Zugende
stehen dafür insgesamt acht (reservierungspflichtige)
Stellplätze zur Verfügung. Auf
diese Weise wird die Möglichkeit der Fahrradmitnahme
in vielen Fernverkehrsrelationen
sukzessive deutlich verbessert.
Die weiterentwickelte Klimaanlage – bei
anderen Zügen gerade in den Sommermonaten
leider regelmäßig Anlass zur Kritik –
verfügt in jedem Wagen über zwei redundante
Kühlkreisläufe und wurde zudem für
Umgebungstemperaturen von minus 25
Grad Celsius bis plus 45 Grad Celsius deutlich
leistungsfähiger ausgelegt.
Deutlich verbesserte barrierefreie
Ausstattung
Die Barrierefreiheit wurde im ICE4 im Vergleich
zu den Vorgängerbauarten ebenfalls
verbessert. Zwei Hublifte ermöglichen Rollstuhlfahrern
an allen Bahnhöfen zuggebundene
Ein- und Ausstiege. Im Servicewagen
sind insgesamt vier Plätze für Rollstuhlfahrer
vorhanden, weiterhin Plätze für Begleitpersonen.
Die Tische in diesem Bereich sind
zudem höhenverstellbar, ein Notrufknopf
mit Wechselsprechfunktion ist ebenfalls
vorhanden.
Reisende mit Seheinschränkungen werden
im Zug mittels taktiler Piktogramme
und Brailleschrift geleitet.
ICE 4-Projekt im Zeitplan!
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Im ICE 4 im Vergleich zu den Vorgängern besser gelöst: Die Anzeige der Sitzplatzreservierung wurde in die Kopfstützen am Mittelgang integriert. Foto: Marc Heller |
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Stand Dezember 2015. Quelle: Deutsche Bahn |
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ICE-Entwicklung seit Betriebsaufnahme im Jahr 1991: Rechts im Bild befindet sich mit dem ICE 4 das jüngste Fahrzeug der ICE-Familie. Foto: Marc Heller |
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Im Gegensatz beispielsweise zur Inbetriebnahme
der IC2-Doppelstockzüge liegt das
ICE4-Projekt bislang erfreulicherweise im
Zeitplan. Ende Oktober 2016 begann die
14 Monate umfassende Einführungsphase
im regelmäßigen Fahrgasteinsatz mit zwei
Zugpaaren zwischen Hamburg und München.
Hierbei soll die Zuverlässigkeit des
ICE4 unter realitätsnahen Einsatz- und Praxisbedingungen
gründlich geprüft werden.
Unerfreuliche Pannen wie zum Beispiel bei
der Inbetriebnahme der IC2-Doppelstockzüge,
bei denen angesichts abschnittsweise
auftretender Wankprobleme und technischer
Störungen an Türen und Fahrzeugsteuerung
nun nachträglich technische Anpassungen
erforderlich sind, sollen auf diese
Weise vermeiden werden.
Positive Auswirkungen auf die Einhaltung
des Zeitplans hat nicht zuletzt das geänderte
Zulassungsverfahren. Beginnend mit der
Entwurfsphase können Prüfbescheinigungen
nunmehr auch durch anerkannte Prüfstellen
erstellt werden. Das Eisenbahnbundesamt
prüft mit Ausnahme von zwei Fachgebieten
ausschließlich die Vollständigkeit
der Dokumente. Durch eine entsprechende
Aufteilung der Nachweispflichten auf mehrere
Prüfdienstleister konnte das Zulassungsverfahren
im vorliegenden Fall zügig
und vor allen Dingen termingerecht abgeschlossen
werden. Seit dem 16. September
2016 liegt die erforderliche Inbetriebnahmegenehmigung
und Serienzulassung für den
neuen Zug vor.
Fazit
Mit dem ICE 4 ist ein insgesamt durchdachtes
Fahrzeugkonzept entwickelt worden,
das einerseits einen verbesserten Komfort
und Service bietet, andererseits aber auch
kosteneffizient ist.
Die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
mit den gravierenden Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten des Schienenverkehrs
können dabei leider nicht außer
Acht gelassen werden. So wird z. B. das
hohe Komfortniveau der Intercity-Wagen
der Bauart Bvmz 185 aus dem Jahr 1987
nicht mehr erreicht, bei denen es auch in
der 2. Klasse neben klassischen Abteilen
einen Großraumbereich mit einer 2+1-Sitzplatzanordnung
gab – zumindest vor dem
Umbau.
Deutscher Bahnkunden-Verband und
IGEB Fernverkehr
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