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Foto (Binz): Christian Schultz |
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Der Gewährleistungsauftrag des Bundes
für ein Grundangebot im Schienenpersonenfernverkehr
(SPFV) ist in Artikel 87e Absatz
4 Grundgesetz festgelegt. Das in diesem
Artikel benannte Bundesgesetz, das
die Daseinsvorsorge regelt, gibt es allerdings
bis heute nicht. Die wiederholt vorgetragene
Rechtfertigung des Bundes, er
nehme diese grundgesetzliche Verantwortung
bereits durch die Bereitstellung von
Investitionsmitteln für die Schienenwege
ausreichend wahr, entspricht keineswegs
dem Anliegen des Gesetzgebers.
Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bremen,
Brandenburg, Thüringen und das
Saarland haben deshalb einen entsprechenden
Gesetzentwurf in den Bundesrat
eingebracht (siehe Kasten). Dieser wiederum
hat in seiner Sitzung am 10. Februar
2017 mehrheitlich dem Entwurf zugestimmt
(Drucksache 745/16). Damit wird
der nun in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Gesetz und Plan
Wesentliche Regelungen des vom Bundesrat
beschlossenen Entwurfs für ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz
(SPFVG)
betreffen den Gewährleistungsauftrag
für ein Grundangebot im Schienenpersonenfernverkehr.
Zu diesem Zweck soll ein
Schienenpersonenfernverkehrsplan (SPFVPlan)
erstellt werden, in dem u. a. die zu befahrenden
Linien, die anzubindenden Orte
(so z. B. alle Oberzentren) und die tägliche
Bedienzeit festgelegt werden. Das Zugangebot
darf sich dabei nicht auf ein existenzielles
Minimum beschränken.
Im Hinblick auf die europäische Integration
sollen auch Ziele im benachbarten
Ausland berücksichtigt werden, ebenso die
Anbindung touristischer Regionen.
Darüber hinaus können im SPFV-Plan
Vorgaben zur Qualität und den anzuwendenden
Tarifen festgelegt werden.
Die Aufstellung des SPFV-Planes soll erstmals
drei, spätestens jedoch sechs Monate
nach Inkrafttreten des SPFV-Gesetzes erfolgen.
Eine Fortschreibung und Veröffentlichung
im Turnus von maximal drei Jahren
ist ebenfalls berücksichtigt. Entgegen
Aussagen aus dem Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur wird auf
diese Weise sichergestellt, dass Angebote
des Schienenpersonenfernverkehrs regelmäßig
auch an geänderte Verkehrsströme
angepasst werden können.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband und
der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßen
die Bundesratsinitiative.
Mit einem Schienenpersonenfernverkehrsgesetz
würden Verantwortlichkeiten
endlich klarer geregelt. Insbesondere hat
die im Jahr 1996 umgesetzte Regionalisierung,
d. h. die Übertragung der Aufgaben-
und Ausgabenverantwortung für den
Schienenpersonennahverkehr (SPNV) an
die Bundesländer, zu der unbefriedigenden
Praxis geführt, Fernverkehrsangebote
einzustellen und als Schienenpersonennahverkehr
durch die Bundesländer bestellen
zu lassen. Dieses Verfahren entspricht
jedoch nicht der Zweckbestimmung der
Finanzmittel aus dem Regionalisierungsgesetz
bzw. stellt eine nicht gesetzeskonforme
Verantwortungsverlagerung vom Bund
auf die Länder dar.
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Bundesrat Entwurf eines Gesetzes zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs (Schienenpersonenfernverkehrsgesetz – SPFVG) Der Bundesrat hat in seiner 953. Sitzung am 10. Februar 2017 beschlossen, den nachstehenden Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen. Anlage […] § 1 Gewährleistungsauftrag - Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, im Bereich des öffentlichen Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) mindestens durch ein Grundangebot Rechnung getragen wird. Zusammen mit den Angeboten des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) soll ein integriertes öffentliches Verkehrsangebot geschaffen und gesichert werden.
- Die Gewährleistung des Bundes für den SPFV erstreckt sich auf die öffentliche Beförderung von Personen in Eisenbahnzügen, die nicht überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen.
- Der Bund und die Aufgabenträger des SPNV sollen bei der Planung und Bestellung von Zugangeboten, die sowohl dem SPNV als auch dem SPFV maßgeblich dienen, zusammenwirken.
§ 2 Schienenpersonenfernverkehrsplan (SPFV-Plan) - Die erforderliche Entwicklung des SPFV, mindestens jedoch das sicherzustellende Grundangebot nach § 1, stellt der Bund in einem SPFV-Plan dar, welcher der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Aufstellung erfolgt erstmals bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. Er wird spätestens alle drei Jahre fortgeschrieben und veröffentlicht. Die Aufgabenträger des SPNV sind bei der Aufstellung und Fortschreibung zu beteiligen.
- Der SPFV-Plan stellt mindestens die pflichtig durch Züge des Fernverkehrs anzubindenden Orte, die Verknüpfungspunkte, die zu befahrenden Linien, die Taktfolge und die tägliche Bedienungszeit auf den einzelnen Linien dar. Insbesondere sind alle Oberzentren anzubinden. Das Prinzip des Integralen Taktfahrplans ist zu beachten. Der SPFV-Plan kann darüber hinaus Ziele und Vorgaben für die Qualität und die anzuwendenden Tarife enthalten.
- Wichtige Ziele im benachbarten Ausland und in touristischen Regionen sollen angebunden sein. Auf geeigneten Strecken sollen auch Verbindungen im Nachtreiseverkehr angeboten werden.
- Der SPFV-Plan soll die Angebotsplanung der Verkehrsunternehmen des SPFV aufgreifen und dort ergänzende oder abweichende Regelungen vorsehen, wo dies zur Erfüllung des Gewährleistungsauftrags nach § 1 geboten ist.
§ 3 Mitwirkungspflichten Die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Aufgabenträger des SPNV sind verpflichtet, der vom Bund mit der Erstellung des SPFV-Plans beauftragten Stelle die für die Aufgabe erforderlichen und verfügbaren Informationen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. § 4 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Bundesratsdrucksache 745/16 (Beschluss) |
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Gesetzentwurf in Teilen
noch zu unverbindlich
In der vorliegenden Form ist der Gesetzentwurf
für ein Schienenpersonen- fernverkehrsgesetz
in einigen Teilen allerdings
sehr allgemein formuliert und ermöglicht
daher entsprechend großzügige Auslegungsspielräume.
Der Deutsche Bahnkunden-
Verband und der Berliner Fahrgastverband
IGEB halten deshalb einige Konkretisierungen
für notwendig.
So sollte in § 1 SPFVG (Gewährleistungsauftrag)
ausdrücklich festgeschrieben
sein, dass die Sicherstellung einer ausreichenden
Bedienung der Bevölkerung von Städten ab 50 000 Einwohnern mit
Verkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonenfernverkehr
eine Aufgabe der
Daseinsvorsorge ist.
Die Gewährleistung des Bundes für den
SPFV erstreckt sich dabei auf die öffentliche
Beförderung von Personen auf der Schiene
über 100 km.
Der Bund muss zu diesem Zweck – vergleichbar
den SPNV-Aufgabenträgern in
den Bundesländern – eine Aufgabenträgerorganisation
für den SPFV auf Bundesebene
einrichten.
Auch sollte in dem SPFV-Gesetz festgeschrieben
werden, dass bei Fahrausweisen
endlich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz
von 7 Prozent, entsprechend den Regelungen
im SPNV, anzuwenden ist. Die
Senkung von 19 auf 7 Prozent würde die
politisch gewünschten Verkehrsverlagerungen
vom Auto auf die Bahn fördern.
Angesichts der zuletzt im Jahr 2016 deutlich
gestiegenen Treibhausgasemissionen
ist eine derartige Förderung des überwiegend
elektrisch betriebenen Schienenverkehrs
überfällig.
In § 2 SPVFG (SPFV-Plan) sollte die Beteiligung
der bundesweiten Fahrgastverbände
bei der Erstellung und Fortschreibung des
SPFV-Plans verbindlich festgeschrieben
werden.
Grundangebot und Mindeststandards
festlegen
Wie das Grundangebot des Schienenpersonenfernverkehrs
aussehen soll, ist in dem
Gesetzentwurf leider auch nicht beschrieben.
Daher sollte konkret festgelegt werden, dass
die Aufgabenträgerorganisation
sicherzustellen hat, dass ein
SPFV bundesweit mindestens im
2-Stunden-Takt von Montag bis
Sonnabend zwischen 6 und 20
Uhr bzw. an Sonntagen zwischen
8 und 20 Uhr angeboten und ggf.
auch entsprechend bezuschusst
wird. Basis dafür soll das ehemalige
InterRegio-Netz von 1996/1997
mit einem Gesamtnetz von rund
11 100 km sein.
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Die Darstellung des Bundes, er nehme die grundgesetzliche Verantwortung zur Sicherung von Fernverkehrsangeboten auf der Schiene durch Bereitstellung von Infrastruktur-Investitionen wahr, läuft ins Leere. Mit dieser Maßnahme wird nicht sichergestellt, dass es tatsächlich auch kundenfreundliche Angebote gibt. Foto: (Oberwesel): Christian Schultz |
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Festzulegen sind außerdem
Mindeststandards zu den auf den
Fernverkehrslinien zum Einsatz
kommenden Fahrzeugen, so z. B.
hinsichtlich Komfort, Service im
Zug (Bistro) und Anzahl von Fahrradstellplätzen.
Solche zusätzlichen
Regelungen sind auch deshalb
erforderlich, weil Ausschreibungen
von Linien bzw. Teilnetzen
notwendig werden, sobald
die Leistungen mit öffentlichen
Geldern bezuschusst werden.
Weiterhin gehört hierzu auch die Anforderung,
dass ein bundesweit einheitlicher
Tarif und ein bundesweit einheitliches Vertriebsnetz
grundsätzlich unabhängig von
Ergebnissen einer Teilnetzausschreibung
sicherzustellen sind.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und
IGEB Fernverkehr
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